„Welche Baustoffe sind solche Alleskönner wie Zement und Beton? Wir können mehr mit weniger bauen, mit unserem Baustoff können Flächen geschont werden und unsere Gebäude halten länger als 100 Jahre, wie die Gründerzeit- und Eisenbetonbauten unter Beweis stellen“, so Sebastian Spaun, Geschäftsführer VÖZ, anlässlich einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion unter der Leitung von Christian Egenhofer vom Center for European Politics, CEPS, der Initiative ReConstruct und dem Wifo in Brüssel. CEPS ist ein europäisch ausgerichteter Think Tank, der vor allem Vorschläge und Klimaschutzbemühungen auf EU-Ebene diskutiert und unterstützt. Katharina Knapton-Vierlich, Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Bauen, GD Grow, Europäische Kommission, plädierte in ihrer Keynote für die intensive Zusammenarbeit aller Entscheidungsträger für ein kohlenstoffarmes, digitales und resilientes Bauen.
Die EU-Ambitionen in puncto Klimaschutz „Fit for 55“ zielen darauf ab, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030, um mindestens 55 Prozent zu senken. Ein Ziel, zu dem sich alle Länder der EU bekannt haben und das nur im Zusammenschluss mit allen Akteuren der Bauwirtschaft erreicht werden. „Deshalb schätzen wir auch den Austausch mit unseren Kollegen in Brüssel sehr, denn dort werden die Weichen für eine klimaneutrale Zukunft gestellt. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst: Weniger ist mehr – wir müssen das Bauen neu denken“, so Spaun. Die EU-Industriestrategie forciert die Transformation in Richtung Klimaneutralität. Der Austausch in Brüssel ist der Auftakt einer Reihe, in der innovative Ansätze für Gebäude, das Bauwesen und ganze Stadtquartiere erörtert werden und politische Änderungen analysiert werden, um sicherzustellen, dass das CO2-Reduktions-Potenzial wie auch die Optionen durch Kreislaufwirtschaft ausgeschöpft werden können. Wie sich auch in der Diskussion zeigte, nimmt die österreichische Zementindustrie europaweit eine Vorreiterrolle bei beiden Themen ein.
Materialeffizienz als Ziel
Im Zentrum der Gespräche stand der Weg zum klimaneutralen Bauen, der, so ist auch Stefan Schleicher, Wegener Center Universität Graz, Wifo und Initiator von ReConstruct, überzeugt, sowohl Energie- und Materialeffizienz als auch eine gänzlich neue Form des Carbon-Managements zum Ziel haben muss. Marcella Saade, stellvertretende Direktorin, Graz Center für Nachhaltiges Bauen, Technische Universität Graz präsentierte eindrucksvolle Praxisbeispiele materialeffizienter Deckenkonstruktionen, welche mit 3D-gedruckten Verdrängungskörpern schon heute bis zu 40 Prozent CO2-Einsparung möglich machen. Die materialoptimierten und bauteilaktivierten Betondecken zeigen, was alles heut schon Realität ist – und da muss noch mehr gehen, wenn wir die Mobilität, Wohnen und Arbeiten gemeinsam denken“, meint Schleicher. Betondecken, die aus statisch optimierten Fertigteilen errichtet werden, eignen sich ebenso für die Sanierung, wie das Praxisbeispiel, das Bürogebäude Francis im Althan Quartier in Wien Alsergrund zeigt, wie auch die Decke beim neugebauten Wirtschaftshof Bludenz.
Die ressourcenschonende Umnutzung des Bestandes bei der Projektentwicklung des Althan Quartiers spart laut einer Nachhaltigkeitsstudie der Werner Sobek AG rund 67 Prozent an CO2-Emissionen ein. Der Bauherr 6B47 setzt auf Nachhaltigkeit, das Stahlbetonskelett des Gebäudes bleibt erhalten, aber eine neue Decke für die drei zusätzlichen Geschosse – mit Bauteilaktivierung – wird errichtet. Die rund 8.500 Quadratmeter große, vorgefertigte Kastendecke vom Typ Ceiltec®-B wurde von dem deutschen Unternehmen Innogration geplant und realisiert, das sich auf Deckensysteme mit Bauteilaktivierung und mit komplett integrierter Gebäudetechnik in einem schlanken, flexiblen System aus Beton spezialisiert hat. Mit der Sandwich-Konstruktion erreichte Innogration 1.600 Tonnen CO2-Reduktion. Die schlanke Betonkonstruktion büßt nichts an Tragfähigkeit ein, trägt aber maßgeblich zum Klimaschutz bei.
Bauteilaktivierung löst Abhängigkeit von fossiler Energie
Die Bauteilaktivierung – in Kombination mit erneuerbaren Energien – ist eines der Highlights sektorenübergreifender Innovationen, welches Betontechnologie, Energie- und Gebäudetechnik zusammenführt, wie Sebastian Spaun in der Diskussion betonte: „Wir nützen dabei die Speicherfähigkeit von Beton, simpel und ohne komplizierter Technologie und machen das Gebäude zur Energiedrehscheibe in nachhaltigen, sich selbst versorgenden Stadtquartieren. Dass die Innovation bereits im geförderten Wohnbau angekommen ist – ein aktuelles Beispiel ist die Wohnhausanlage Käthe-Dorsch-Gasse 17 im 14. Bezirk, stellt einmal mehr unter Beweis, dass das fossilfreie Heizen und Kühlen keine Luxuslösung ist.“
Weitere hoch spannende Einblicke lieferten Peter Flotzinger, CEO Senftenbacher, Zsolt Toth, Teamleiter, Buildings Performance Institute Europe (BPIE), und Rebecca Lamas, Sustainability & Innovation Manager, Goodman Continental Europe & Associate, School of Transnational Governance, EUI, Florenz.
Die Diskussion in Brüssel kann nachgehört werden: https://www.youtube.com/c/CEPSThinkTank