„Die aktuellen Herausforderungen meistern wir gemeinsam – mit unseren Mitgliedern, mit der ausführenden Bauwirtschaft und mit den Planern. Dass Bauen mittlerweile ,neu gedacht` wird, belegen die hochqualitativen 56 Projekte, die beim Österreichischen Betonpreis eingereicht wurden – und natürlich die Siegerprojekte“, so Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, VÖZ, im Rahmen der Bilanz-Pressekonferenz der VÖZ. 2022 war ein sehr intensives Jahr – geprägt von den Ausläufern der Corona-bedingten Lieferengpässe bis zu erhöhtem Kostendruck – nicht zuletzt durch die Energiekrise aufgrund des Angriffskrieges in der Ukraine.
Eine überaus positive und optimistische Bilanz zieht der nun seit einem Jahr tätige VÖZ-Präsident Berthold Kren: „Die Themen Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Flächeneffizienz sind für unsere Branche längst selbstverständliche Schwerpunkte, die wir bei jedem Projekt mitdenken. Der DC Tower 3 ‚District Living‘ ist für mich ein zukunftsgerichtetes Vorzeigebeispiel, wie wir unsere Städte nachverdichten und weiter bauen müssen: weniger Flächenverbrauch – mehr Effizienz.“
Spaun betont ebenso, dass das Thema Bodenschutz der Zementbranche ein wichtiges Anliegen ist: „District Living zeigt perfekt auf, dass Beton der einzige Baustoff ist, mit dem man bodenschonend in die Tiefe wie auch in die Höhe bauen kann. Wir werden weiterhin neu bauen, aber entscheidend ist das Wie – hier liefern unsere Mitglieder beeindruckende Lösungen.“ Ein erfolgreiches Praxisbeispiel für die Multifunktionalität von Beton sind Holzbeton-Lärmschutzwände, die von Smart Minerals hinsichtlich der Wiederaufnahme von CO2 untersucht wurden. Fazit: Mehr als 50 Prozent des bei der Zementherstellung verursachten CO2 wurden aus der Atmosphäre wieder aufgenommen. „Zukunftsweisend ist auch die neue Generation von CO2-reduzierten CEM II/C-Zementen, die im letzten Jahr bereits von drei Mitgliedsunternehmen auf den Markt gebracht worden sind“, spricht Spaun ein weiteres Beispiel an.
Spannendes Jahr 2022
2022 erwirtschaftete die österreichische Zementindustrie einen Umsatz von 599 Mio. Euro – um 15,7 Prozent mehr als 2021. Insgesamt produzierten die acht Zementwerke 2022 an die 5,2 Mio. Tonnen Zement – 6,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Bezüglich Brennstoffe erweist sich die Branche als Musterschüler: Der Einsatz konventioneller Brennstoffe (Kohle, Heizöl etc.) wurde um fast 30 Prozent reduziert. Hingegen stieg die Ersatzbrennstoffrate auf 81,5 Prozent.
Die CO2-Emissionen sanken um 5,2 Prozent auf absolut 2,7 Mio. Tonnen, auch die CO2-Intensität, also das emittierte CO2 pro hergestellter Tonne Zement, konnte um mehr als zwei Prozent gesenkt werden und betrug 521 kg CO2 pro Tonne Zement.
Dass die Zementwerke die Maßnahmen für Klima- und Umweltschutz intensiviert haben, zeigen die Umweltschutzinvestitionen der Werke: 2022 wurden 22,6 Millionen Euro in Anlagen investiert (2021 waren es 17,2 Mio. Euro). Weiter hoch im Kurs steht auch die Kreislaufwirtschaft: 478 kg Sekundärstoffe (Ersatzrohstoffe und -brennstoffe) wurden bei der Herstellung pro Tonne Zement eingesetzt – im Jahr 2022 insgesamt 2,49 Mio. Tonnen – gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 6,8 Prozent beim sogenannten „Ressourcenschonungsfaktor“.
Höchste Materialeffizienz
„Weniger ist mehr“ war die Devise im vergangenen Jahr. „Wir müssen gemeinsam an allen möglichen Schrauben drehen, um eine klimafitte Umwelt zu gestalten, das bedeutet nicht nur die Reduktion von CO2, sondern ebenso höchste Materialeffizienz“, ist Berthold Kren überzeugt. Es ist vor allem die österreichische Zementindustrie, die sich mit voller Kraft den Herausforderungen stellt. Ein Beispiel sind die deutlich Material-reduzierten Betondecken, die mittlerweile in Österreich wie auch in Deutschland – unterstützt durch das Know-how der TU Graz, Institut für Tragwerkslehre unter Stefan Peters – realisiert wurden. Über diese Erfolge konnte Spaun anlässlich einer Veranstaltung des Forschungsprojekts ReConstruct in Brüssel berichten. Die EU-Ambitionen in puncto Klimaschutz „Fit for 55“ zielen darauf ab, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken. Ein Ziel, zu dem sich alle Staaten der EU bekannt haben und das nur im Zusammenschluss mit allen Akteuren, auch der Bauwirtschaft, erreicht werden kann. „Deshalb schätzen wir auch den Austausch mit unseren Kollegen in Brüssel sehr, denn dort werden die Weichen für eine klimaneutrale Zukunft gestellt. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst: Weniger ist mehr – wir müssen das Bauen neu denken“, so Spaun. Die EU-Industriestrategie forciert die Transformation in Richtung Klimaneutralität. Der Austausch in Brüssel ist der Auftakt einer Reihe, in der innovative Ansätze für Gebäude, das Bauwesen und ganze Stadtquartiere erörtert werden und politische Änderungen analysiert werden, um sicherzustellen, dass das CO2-Reduktions-Potenzial wie auch die Optionen der Kreislaufwirtschaft ausgeschöpft werden können. Wie sich auch in der Diskussion zeigte, nimmt die österreichische Zementindustrie europaweit eine Vorreiterrolle bei beiden Themen ein.
Flächenschonung am Beispiel des District Living/DC Tower 3
Im Anschluss an die Bilanz-Pressekonferenz führte Architekt Vinzenz Dreher, Dietrich|Untertrifaller Architekten, durch den Studentenwohnturm District Living, der auf einem bis dato ungenutzten Zwickelgrundstück mit 6.400 Quadratmeter Fläche errichtet wurde. Kleine Räume, dafür zahlreiche Gemeinschaftsräume ermöglichen in dem Gebäude das Miteinander und den sozialen Austausch. Beton ist hier der Alles-Könner-Baustoff, von den Tiefbauarbeiten für die Fundierung des 110 Meter hohen Gebäudes (624 Piloten wurden dafür in vier Monaten betoniert) bis hin zu den vielen Sichtbetonflächen. Die Untergeschoße wurden in Deckelbauweise – üblich im Tunnelbau – errichtet. Aber auch in puncto Ökologie wurde auf den Baustoff Beton gesetzt: Geheizt und gekühlt wird mit Bauteilaktivierung. Durch die Ortbetonbauweise war ein Verlegen von Rohren in den Geschoßdecken einfach, zusätzliche Heiz- und Kühlsysteme werden für die 832 Apartments nicht benötigt. Höchste Effizienz erreichte das Planerteam auch durch die vorgefertigten Nasszellen: Die Badezimmer aus Betonfertigelementen kamen fix und fertig auf die Baustelle und wurden mit einem Kran eingehoben.