Zeit der Türme

Die meisten der in Wien stehenden Bürotürme wurden innerhalb des gleichen Zeitraumes gebaut. Und so wie es die Gründerzeit gab, so gab es auch den Boom der Bürotürme– er war eben nur viel kürzer. Diese Entwicklung hat Wiens Stadtbild nachhaltig geprägt und wird es noch weiter tun, denn derzeit werden noch zwei Türme errichtet. Einer davon wird das höchste Gebäude Österreichs.
In den Metropolen der Welt wurde wegen der Knappheit von Grund und Boden aufgerüstet und man baute nach US-amerikanischem Vorbild nach oben. Ganze Stadtteile wuchsen aus dem Boden, um die notwendigen Büroflächen für eine prosperierende Wirtschaft zu schaffen. Das war in Wien nicht notwendig. Die Wirtschaft funktionierte zwar, aber da sich die Stadt in den 80er-Jahren am Rande der westlichen Welt befand, gab es auch kein großes Interesse von internationalen Unternehmen sich anzusiedeln, und am Eisernen Vorhang einen Wolkenkratzer zu errichten hatte wenig Charme. Wien war eine viel zu große Metropole eines viel zu kleinen Landes am Rande Europas. Erst der Zusammenbruch des Kommunismus, die Öffnung der Nachbarstaaten und deren nun kommender Beitritt zur EU rückte Wien zu Beginn der 90er-Jahre wieder in das Herz eines neuen Europas mit einem enormen Entwicklungspotenzial.

Der erste Büroturm in VIENNA DC

Ein Zentrum beziehungsweise ein Platz für neue Bürotürme war ja faktisch schon vorgegeben. 1990 ließ die Stadt Wien einen Masterplan erstellen, legte die Flächenwidmung fest und gründete die WED Wiener Entwicklungsgesellschaft AG zur Errichtung der damaligen „Donaucity“. Der Vorteil dieses Stadtteils lag darin, dass mit der 1973 eröffneten UNO City schon ein auffälliges Gebäude auf dem Gelände stand. Der Nachteil: Das Areal wurde von einer Autobahn zerschnitten. Deshalb erfolgte 1991 der Startschuss zur Errichtung der Verkehrsinfrastruktur und Überplattung der A22. Schließlich erfolgte 1996 der Baubeginn des Andromeda Tower. Der von Architekt Wilhelm Holzbauer geplante und von der WED AG entwickelte Andromeda Tower wurde 1998 als erstes Gebäude der VIENNA DC fertiggestellt und war damals das höchste und modernste Bürohaus in Wien. Der sonst eher an Innenstadtobjekten und Palais interessierte Karl Wlaschek ließ es sich nicht nehmen und kaufte den 110 Meter hohen Andromeda Tower– als Asset-Trophy sozusagen.

Der Wienerberg wird aktiviert

Gleichzeitig mit der VIENNA DC begannen auch im Süden von Wien die ersten Arbeiten. Die Wienerberger Immobilien AG, eine Tochtergesellschaft des Wienerberger-Konzerns, besaß auf dem Wienerberg seit Beginn des 20. Jahrhunderts Grundstücke, die brachlagen. Heimo Scheuch, CEO der Wienerberger AG: „Der Standort Business Park Vienna hat für die Wienerberger AG eine besondere Bedeutung: Nicht nur der Firmenname hat seinen Ursprung im geografischen Namen des Ortes. Wienerberger wurde 1819 hier am Wienerberg gegründet.“ 1990 stand der Flächenwidmungsplan und 1991 wurde mit den Bauarbeiten für den Business Park Vienna begonnen. Der Gedanke dahinter war, einen multifunktionalen Business-Park mit Bürohäusern und einem Hotel zu errichten, in weiterer Folge waren auch Wohnungen geplant. Auf rund 181 Millionen Euro (rund 2,5 Milliarden Schilling) belief sich vorerst die Investitionssumme für die geplanten 85.000 Quadratmeter Nutzfläche. Vom „Landmark“, dem Twin Tower, der alleine 48.500 Quadratmeter Nutzfläche besitzt, war damals noch nichts zu sehen. Dafür aber von einem immerhin 21 Stockwerke umfassenden Hochhaus mit 85 Metern Gesamthöhe. Das erste Bürogebäude wurde 1993 fertiggestellt.

Die Bürotürme boomen und schaffen Platz

Dann ging es relativ schnell. Nach dem großen Verwertungserfolg des 110 Meter hohen Andromeda Tower und aufgrund der drängende Nachfrage nach Büroflächen entwickelte die WED in der Vienna DC den Ares Tower. Der Baubeginn des von Neumann Partner geplanten Gebäudes erfolgte Mitte 1999, im Sommer 2001 war der Ares Tower– eines der innovativsten Projekte im Bürobau– bezugsfertig. Die Ansprüche an Büroflächen wandelten sich mit neuen Branchen, veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen und der zunehmenden Bedeutung der technischen Infrastruktur. Jeder Turm setzte neue Standards und sollte sich von den anderen „abheben“. Platz wurde benötigt, denn die Telekommunikations- und IT-Branche boomte und so schnell konnten die Türme gar nicht gebaut werden, wie sie auch vermietet wurden. Der Boom überraschte Österreich in den Jahren 1999 und 2000. Nur einen offensichtlich nicht: Ariel Muzicant. Der von ihm konzipierte IZD Tower sollte bereits 1995 auf den Markt kommen. Muzicant aber ließ sich Zeit und wartete die Entwicklung des Büromarktes ab– und vor allem die Projekte in der nahe gelegenen Vienna DC. Der IZD Tower wurde dann punktgenau zum Boom im April 2000 bezugsfertig. Im Jahr davor und im Jahr danach wurden keine großen Bürobauten fertiggestellt. 2004 kam in der Vienna DC der 95 Meter hohe Saturn Tower auf den Markt, im Herbst 2005 folgte der Techgate Tower mit rund 88 Metern.

Wahrzeichen für den Wienerberg

Der Spatenstich für den Twin Tower erfolgte 1999 und schon beim Betrachten der Pläne war klar, dass dieser Turm eine Landmark sein würde. Nach zweijähriger Bauzeit wurde der Turm 2001 eröffnet und begrüßt seither schon von Weitem alle, die auf der Südautobahn nach Wien kommen. Der Tower besteht aus zwei zueinander angeordneten Gebäudehälften, die 138 beziehungsweise 127 Meter hoch sind und untereinander durch mehrere Brücken verbunden sind. Massimiliano Fuksas, der italienische Architekt des neuen Bauwerks, fasste in drei Worten zusammen, wofür seine Zwillingstürme stehen: Übergang, Verbindung und Transparenz.

Die Wandlung vom höchsten zum blauen Turm

1999 eröffnete allerdings der bislang höchste Büroturm Österreichs– der 202 Meter hohe Millennium Tower, der auch damals der dritthöchste in Europa war. Selbst Politiker, die sonst auf Veranstaltungen der Immobilienbranche Rarität sind, ließen es sich nicht nehmen, der Eröffnung beizuwohnen. Bereits ein Jahr später folgten die wildesten Spekulationen über den Verkauf des Turms, an dem damals auch die Immofinanz interessiert war. Letztendlich wanderte aber der Turm im Jahre 2003 an das Hamburger Emissionshaus MPC Capital AG. Heute ist der Millennium Tower aus ganz anderen Gründen wieder im Gespräch: Der Immobilienfonds der Hamburger MPC Capital hat in den letzten Jahren mehrere Millionen Euro in zahlreiche Maßnahmen zur Modernisierung und Optimierung des Gebäudes investiert. Neben unterschiedlichen Modernisierungen in der 50.000 Quadratmeter großen Shopping-Mall mit ihren rund 100 Shops und vielfältigen Entertainment- und Gastronomieangeboten stand dabei vor allem die Energieoptimierung der Gesamtimmobilie im Vordergrund. Die Maßnahmen erstreckten sich dabei bis zur Parkgarage, und im 13. Jahr seines Bestehens wurde der Millennium Tower im Februar von der Österreichischen Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) als „Blue Building“ ausgezeichnet.

UBM übernimmt den Florido Tower

Jeder wollte einen Turm bauen und einige verspekulierten sich dabei auch, und so übernahm die UBM 1998 die damalige Idee des Florido Tower. „Wir sind zu dem Turm gekommen, da jemand anderer daran gescheitert ist“, resümiert Karl Bier, CEO der UBM, heute: „Wir haben uns das Projekt angeschaut und mit den anderen aktuellen verglichen und haben erkannt, dass die Planung des ursprünglichen Turms so nicht umsetzbar ist.“ Es war eine Herausforderung, den Turm auf das richtige Maß zu bringen und ein Konzept mit der richtigen Durchmischung zu finden. Für das Genehmigungsverfahren musste neu eingereicht werden, und im September 2001 war der Turm fertig. Zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Am 11. September 2001 war der Anschlag in New York und „jetzt war niemandem klar, wie es weitergehen wird“, so Bier: „Keiner wollte in dieser Phase eine Entscheidung treffen und einige Großmieter, die wir faktisch schon fix hatten, haben ihre Entscheidungen verschoben.“ Das ist aber Schnee von gestern, denn „mittlerweile haben wir einen Vermietungsgrad von 90%“, so Bier. Verkauft wurde der Florido Tower an die deutsche Union Invest.

Die internationalen Investoren reisen an– und bleiben

Mit den Türmen kamen auch die internationalen Investoren nach Wien. Vornehmlich waren es deutsche Fonds, die sich in der Bundeshauptstadt umsahen. Entgegen der landläufigen Meinung boomte der internationale Investmentmarkt nicht schon 20 Jahre und war längst in vielen Staaten etabliert, bevor er Österreich erreichte, sondern nahm seinen Anfang erst zu Beginn der 90er-Jahre mit den grenzüberschreitenden Immobilieninvestments. 1995 gab es dann sozusagen eine doppelte Premiere in Wien. Einerseits wurde die erste Immobilie an einen ausländischen Fonds verkauft und andererseits war es noch dazu ein Büroturm. Die deutsche CGI erwarb den 21.000 Quadratmeter großen Turm in der Praterstraße, um ihn dem Portfolio einzuverleiben. Mittlerweile haben zahlreiche Türme einen neuen Eigentümer und einige von ihnen hatten sogar mehrere. Der IZD Tower zum Beispiel. Der Investmentfonds Doughty Hanson war der erste Käufer und verkaufte den Turm im Oktober 2006 um rund 247 Millionen Euro an die englische Matrix Property Fund Management LLP. Mittlerweile ist der IZD Tower wieder in österreichischer Hand– oder zumindest teilweise: Die Signa-Holding von René Benko kaufte im Mai 2010 gemeinsam mit einer deutschen Versicherung den Büroturm für 212,25 Millionen Euro. „Mit dem IZD Tower haben wir ein weiteres Trophy-Asset in der Bundeshauptstadt Wien zu einem sehr attraktiven Preis erworben“, freute sich Benko damals über den Kauf. Dann ist es ruhig geworden und der IZD Tower war bis dato der letzte Turm, der seinen Eigentümer wechselte.

Die aktuellen Projekte

Einen Monat später, im Sommer 2010, begannen die Bauarbeiten für den höchsten Büroturm Österreichs, den DC Tower 1 in der VIENNA DC Donaucity. Mit 220 Metern wird er das höchste Gebäude Österreichs. Neben der auffälligen Architektur ist auch die Zertifizierung als „Green Building“ mit dem Gold- oder Platin-Status nach LEED© vorgesehen. Anfang 2013 soll das Landmark der VIENNA DC Donaucity fertiggestellt sein. Thomas Jakoubek, Geschäftsführer der BAI: „Architektur ist dann gelungen, wenn sie ebenso visionär wie verantwortungsvoll mit den Gegebenheiten der Stadt und den jeweiligen Nutzungsaspekten umgeht.“ Auch die IES Immobilienprojektentwicklung, der die IG Immobilien (100-%-Tochtergesellschaft der OeNB), UniCredit Bank Austria und WIKORA angehören, setzt mit dem Marina Tower ein weiteres architektonisches und ökologisches Landmark. Der Turm ist mit 61.000 Quadratmetern Bruttonutzfläche und rund 130 Meter Höhe Herzstück der Marina City an Wiens wiederentdeckter „Waterfront“. Der Marina Tower erhält als erstes Bürogebäude in ganz Europa drei führende Nachhaltigkeitszertifikate: ÖGNI/DGNB in Gold, LEED in Platinum und BREEAM in Excellent. Im September 2012 soll zu bauen begonnen werden, für den Juli 2014 ist die Fertigstellung des Büroturms vorgesehen. Ein Jahr später– so die Pläne– soll dann der vorerst letzte Büroturm, der DC Tower 2 in der Wiener Donaucity mit rund 165 Metern Höhe, gestartet werden.

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  • Erschienen am:
    30.07.2012
  • um:
    08:46
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Geschrieben von:

Walter Senk

Walter Senk ist Chefredakteur der Immobilien-Redaktion, die er 2010 gründete. Er ist seit über 25 Jahren Journalist mit dem Fachgebiet „Immobilien“. Er konzipiert und betreut Newsletter und Magazine für Medien und Unternehmen, moderiert Veranstaltungen und leitet Podiumsdiskussionen. Sein Motto: Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative.

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