„Deutschlands Bürovermietungsmärkte erwiesen sich 2022 den erheblichen makroökonomischen und geopolitischen Risiken zum Trotz als sehr robust“, sagt Carsten Ape, Head of Office Leasing bei CBRE in Deutschland. „Zwar agierten Büromieter zuletzt insgesamt etwas zurückhaltender und abwartender und dementsprechend wurden auch Anmietungsaktivitäten und Neugesuche eher zurückgestellt. Der Büromarkt hat sich in Summe jedoch insgesamt deutlich besser geschlagen als noch im Frühjahr erwartet. Erste ökonomische Frühindikatoren deuten mittelfristig bereits wieder auf eine graduelle Verbesserung der Nachfragesituation hin.“
„Während die erste Jahreshälfte noch durch Aufholeffekte nach der Coronapandemie geprägt war, machte sich in der zweiten Jahreshälfte zunehmend die konjunkturelle Eintrübung der Gesamtwirtschaft und das schwächere Geschäftsklima bemerkbar“, ergänzt Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland. „Der rückläufige Büroflächenumsatz im vierten Quartal ist dabei das Resultat des schwächeren Wirtschaftswachstums sowie eines schwächeren Sentiments in der deutschen Wirtschaft im Spätsommer und Herbst.“
Besonders stark ins Gewicht fielen im vierten Quartal die wenigen Großabschlüsse ab 10.000 Quadratmetern. In dieser Kategorie wurden im vierten Quartal in den Top-5-Märkten lediglich vier Abschlüsse registriert. Das Umsatzvolumen fiel entsprechend um 80 Prozent auf 49.400 Quadratmeter. Im Gesamtjahr wurde ein Minus von 24 Prozent verzeichnet – auf 486.200 Quadratmeter. „Positiv entwickelte sich dagegen das Umsatzvolumen in den kleineren und mittleren Größensegmenten“, erklärt Ape. In den Größenkategorien bis 1.000 Quadratmeter nahm der Flächenumsatz im Gesamtjahr um sieben Prozent zu und erreichte bei 2.150 Abschlüssen 838.300 Quadratmeter. Im Segment zwischen 1.000 und
2.500 Quadratmetern stieg der Umsatz um sechs Prozent auf 555.600 Quadratmeter (367 Abschlüsse).
Breit aufgestellte Nachfrage
Branchenseitig war das Gesamtjahr 2022 durch eine hohe Diversifikation geprägt. Stärkste Nachfragegruppe war der IT-Sektor (Anteil von 13 Prozent am Gesamtvolumen), gefolgt von Industrieunternehmen (zwölf Prozent), Beratern – unter anderem Recht, Steuer, Wirtschaft, Unternehmen –, Unternehmen der Immobilienbranche vor dem öffentlichen Sektor sowie der Finanzbranche mit jeweils rund neun Prozent. Der TMT-Sektor (bestehend aus IT, Neue Medien/ Internet, Telekommunikation und Verlage/Medien/Werbung) erzielte zusammen ein Volumen von 580.000 Quadratmetern, was einen Anteil am Gesamtumsatz von 22 Prozent und eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr um 39 Prozent darstellt. „Die Flächennachfrage im kleinen und mittleren Größensegment sowie die hohe Branchenvielfalt sind Stabilitätsanker für die deutschen Vermietungsmärkte. Der TMT-Sektor, aber auch verstärkt wieder Flex-Office-Betreiber – die ihren Flächenumsatz im Jahresvergleich um 69 Prozent auf über 64.000 Quadratmeter steigern konnten –, sorgen weiter für eine hohe strukturell bedingte Nachfragedynamik“, sagt Linsin. „Zudem stellen wir eine Fortsetzung des ‚Flight-to-Quality‘ fest. Die Flächennachfrage konzentriert sich immer stärker auf qualitativ hochwertige Büroflächen in den gut angebundenen und zentralen Lagen. Ausschlaggebend für Büronutzer sind neben der Lagequalität auch die Umsetzbarkeit flexibler und hybrider Arbeitsplatzstrategien sowie das ESG-Profil, welches durch die zuletzt deutlich gestiegenen Nebenkosten an ökonomischer Bedeutung in der Gesamtkostenbetrachtung für Büromieten gewonnen hat. Deswegen ist auch die Bereitschaft seitens der Mieter, höhere nominale Mieten zu zahlen, gestiegen.“
In laufenden Stay-versus-Go-Prozessen finden verstärkt Standort- und Flächenkonsolidierungen in höherwertige Büros in den zentralen Lagen statt. Mangels adäquater Ausweichmöglichkeiten hat dies verstärkt auch wieder Mietvertragsverlängerungen im Bestand zur Folge. „Diese beliefen sich auf zusätzliche rund 294.000 Quadratmeter, die definitionsgemäß zwar nicht zum klassischen Flächenumsatz zählen, jedoch dazu beitragen, dass die Leerständen in den deutschen Bürohochburgen auch trotz widriger gesamtwirtschaftlicher Umstände, exogener Schocks und einer regen Bautätigkeit weiterhin relativ niedrig sind“, erklärt Ape.
Leerstandsrate stabilisiert sich
Die Angebotssituation auf den Top-5-Vermietungsmärkten entwickelte sich im vierten Quartal 2022 wie erwartet weiter in Richtung einer Konsolidierung. Die durchschnittliche Leerstandsrate in den Top-5- Märkten markierte zum Jahresende gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar einen Anstieg um 0,1 Prozentpunkte auf 4,6 Prozent (der höchste Wert seit dem ersten Quartal 2018). Den stärksten Anstieg im Vorjahresvergleich verzeichnete Berlin mit einem Plus von 0,7 Prozentpunkten auf 3,4 Prozent, gefolgt von Düsseldorf (plus 0,7 Prozentpunkte auf 8,9 Prozent) und Hamburg (plus 0,1 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent). München (minus 0,3 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent) und Frankfurt (minus 0,3 Prozentpunkte auf 7,9 Prozent) verzeichneten hingegen bereits wieder rückläufige Leerstandsraten. In den zentralen CBD-Lagen der Top-5 wird der anhaltende strukturelle Flächenmangel deutlich. Die durchschnittliche Leerstandsrate dieser CBD-Lagen lag Ende 2022 bei lediglich vier Prozent, wobei die zentralen Teilmärkte in München (0,8 Prozent), in Hamburg die HafenCity und der Teilmarkt City mit 0,9 beziehungsweise 2,4 Prozent sowie die zentralen Lagen Berlins mit 3,5 Prozent oder die Bankenlagen in Frankfurt mit 3,9 Prozent diesen Wert teilweise deutlich unterschreiten. „Die fortschreitende Polarisierung des Vermietungsmarktes zwischen qualitativ hochwertigen und nutzerseitig nachgefragten Flächen einerseits sowie inflexiblen und zunehmend weniger marktgängigen, da energetisch nicht nachhaltigen
Altbestandsflächen andererseits setzt sich dabei der Flächennachfrage folgend fort“ stellt Linsin fest. Der Anteil der Kategorie B und C Flächen am Gesamtleerstand von knapp 60 Prozent verdeutlicht dies.
Weniger Neubau
Im vierten Quartal 2022 wurden insgesamt 356.800 Quadratmeter fertiggestellt, was einem Rückgang um neun Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht. Im Gesamtjahr wurden damit 1,1 Millionen Quadratmeter fertiggestellt, ein Rückgang um 13 Prozent gegenüber 2021. „Wenngleich Bauverzögerungen durch Materialmangel und Lieferengpässe von Baustoffen in der Breite bisher nicht festzustellen waren, werden die Planung und der Baubeginn neuer Projekte vielfach verschoben“, beobachtet Linsin. Für den Zeitraum 2023 bis 2025 werden nach aktuellem Kenntnisstand dennoch sieben Millionen Quadratmeter neu entwickelt, was neun Prozent des aktuellen Bestandes entspricht. Rund zwei Drittel dieser Pipeline sind aktuell spekulativ projektiert. Projektentwickler setzen mittels Manage-to-Build-to-Core Strategien verstärkt auf das Errichten von ESG-konformen Objekten.
Die jährliche Nettoabsorption in den Top-5 fiel mit 407.900 Quadratmetern positiv aus, was trotz des Rückgangs des Umsatzvolumens auf insgesamt robuste und gesunde Fundamentaldaten der Bürovermietungsmärkte schließen lässt.
Mieten stiegen weiter an
Die Mietpreise setzten auch im Schlussquartal ihren Anstieg fort. Vor allem die nominal nachhaltig erzielbaren Spitzenmieten stiegen dabei teilweise sehr kräftig. Die höchste Dynamik der Spitzenmiete im Vorjahresvergleich erzielte Düsseldorf mit einem Anstieg von 33 Prozent auf EUR 38,00 pro Quadratmeter und Monat. Der ungewöhnlich starke Anstieg bei der nachhaltig erzielbare Spitzenmiete in Düsseldorf beruht auf den Projektentwicklungen auf der Kö, die hier tonangebend sind. Auf Basis der Angebotsmiete und auch bereits erfolgten Abschlüssen erreichte die erzielbare Spitzenmiete im Düsseldorfer CBD eine neue Rekordhöhe. München folgte mit einem Plus von acht Prozent auf EUR 45,00, gefolgt von Berlin (plus sechs Prozent auf EUR 43,50), Hamburg (rund fünf Prozent auf EUR 34,00) und Frankfurt (plus ein Prozent auf EUR 46,00). Die flächengewichtete Durchschnittsmiete der letzten zwölf Monate verzeichnete ein Plus von fünf Prozent und stieg auf EUR 24,29. Lediglich Berlin verzeichnete ein leichtes Minus von einem Prozent (auf EUR 27,73), während sich die Durchschnittsmieten in Hamburg (plus 17 Prozent auf EUR 21,74), Düsseldorf (plus 17 Prozent auf EUR 19,04), Frankfurt (plus 13 Prozent auf EUR 24,57) und München (plus zwei Prozent auf EUR 24,42) erhöhten.
„Das hohe Mietpreiswachstum bildet dabei einerseits die Polarisierung im Markt mit dem ‚Flight-to- Quality‘ und die Bereitschaft durch Nutzer ab, für qualitativ hochwertige Flächen höhere Mietpreise zu zahlen“, sagt Ape. So lag die gewichtete Durchschnittmiete für Flächen der Kategorie A mit EUR 27,05 deutlich über der in der Kategorie B (EUR 20,40). Zur Umsetzung ambitionierter Corporate Real Estate Strategien und hybrider Arbeitsplatzstrategien zahlen Mieter dabei immer öfter auch einen „Green Premium“ für zertifizierte Gebäude. So können sie ESG-Kriterien erfüllen. Tendenziell steigende Angebotsmieten sind zudem eine Folge der gestiegenen Bau- und Ausbaukosten.
Ausblick auf 2023
„Ob es 2023 einen Rückgang des Büroflächenumsatzes geben wird und wenn ja, wie stark dieser ausfallen könnte, steht in starker Abhängigkeit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung“, sagt Ape. „Wesentliche Konjunkturindikatoren wie das ifo-Beschäftigungsbarometer sehen wieder etwas positiver in die Zukunft – und so deutet der robuste Arbeitsmarkt vorerst auf eine Fortsetzung der robusten Büromarktkonjunktur hin“, meint Linsin.