Die SPÖ forderte in der heutigen Sitzung des Nationalrats eine Jobgarantie für die von der Massenkündigung bei Kika/Leiner betroffenen Beschäftigten. Die Leiner & kika Möbelhandels GmbH hatte am 12.6.2023 einen Insolvenzantrag gestellt. Laut Dringlichem Antrag sind rund 3.300 Mitarbeiter:innen von der Insolvenz betroffen, 23 der 40 Filialen sollen in einem Sanierungsverfahren geschlossen werden. Der Antrag blieb in der Minderheit, ebenso ein weiterer Entschließungsantrag der SPÖ betreffend Einführung einer Millionärsteuer. Auch mit der Forderung nach persönlicher Anwesenheit von Bundeskanzler Karl Nehammer, der sich von Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm vertreten ließ, konnte sich die SPÖ nicht durchsetzen.
Konkret ging es den Sozialdemokrat:innen neben einer Jobgarantie um eine Schadloshaltung der Beschäftigten. Alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sollten ausgeschöpft werden, um den Mitarbeiter:innen die Annahme von neuen qualitativ gleich- oder höherwertigen Beschäftigungsverhältnissen zu ermöglichen, forderte die SPÖ. Zudem verlangten sie von der Bundesregierung vertiefte Steuerprüfungen, die Rückforderung von Steuerrückständen sowie die Geltendmachung von Schadenersatz gegenüber dem ehemaligen Eigentümer René Benko und ihm zurechenbaren Unternehmen. In dem von Julia Elisabeth Herr (SPÖ) eingebrachten Antrag wird auch die Schließung von Schlupflöchern im Insolvenzrecht verlangt. Herr übte harte Kritik an der Bereicherung von Einzelnen auf Kosten der Allgemeinheit. Die Forderung nach einer Millionärssteuer "für die Reichsten in Österreich" begründete die SPÖ damit, dass auch diese einen Beitrag zum Wohlfahrtstaat leisten müssten.
Auch FPÖ, NEOS und Grüne nahmen Anstoß an den Umständen des Kaufs und Wiederverkaufs von Kika/Leiner durch den Unternehmer Benko und forderten eine lückenlose Aufklärung. Unter anderem war in der Debatte von einem mutmaßlichen "Kriminalfall" und einer "Sauerei" die Rede. Kika/Leiner sei ein Musterbeispiel dafür, wie es gehe, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, hielt etwa Grünen-Sozialsprecher Markus Koza fest. Auch die Grünen plädierten für die Einführung einer Vermögensteuer, stimmten dem entsprechenden SPÖ-Antrag letztlich aber ebenso wenig zu wie die anderen Parteien.
Von "einer billigen SPÖ-Show" sprach hingegen die ÖVP. Einig waren sich die Koalitionsparteien darin, dass die Corona-Hilfen vielen Unternehmen das Überleben gesichert hätten und somit auch zahlreiche Arbeitsplätze gerettet worden seien.
Seitens der Regierung zeigten sich Staatssekretärin Claudia Plakolm und Arbeitsminister Martin Kocher zuversichtlich, was die Arbeitsmarkt-Chancen der betroffenen Kika/Leiner-Mitarbeiter:innen betrifft. Man werde die Umstände der Insolvenz außerdem genau prüfen, versicherte Plakolm.
SPÖ will Bereicherung auf Kosten der Beschäftigten stoppen
Angesichts der hohen Teuerung, bedeute die Insolvenz für die Betroffenen "eine doppelte Katastrophe", betonte Herr und schrieb der Regierung Untätigkeit zu. Preise explodierten, Menschen könnten sich das Leben kaum noch leisten, argumentierte sie im Antrag und forderte die Regierung auf einzugreifen.
Besonders kritisch sah die SPÖ, dass kurz vor dem beantragten Insolvenzverfahren das operative Geschäft von Kika/Leiner Ende Mai 2023 für drei Euro den Besitzer wechselte. So wurden laut dem Antrag Steuerschulden, eine laufende Betriebsprüfung und eine Prüfung der COVID-Hilfen, aus der sich eine Rückforderung von mehr als sechs Mio. € ergeben könnte, zum Verlust des Möbelhauses erklärt, während die Immobilien um kolportierte 400 bis 500 Mio. € verkauft wurden. Die Benko-Gruppe habe aus dem Verkauf der Immobilien mehrere hundert Millionen Euro Gewinn erzielt, sagte Herr und setzte sich für eine Unterstützung der Beschäftigten ein. Es sei absehbar gewesen, kritisierte Herr den "Deal, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt war".
Angesichts von 1.900 Mitarbeiter:innen, "die fix ihren Job verlieren", zeigte sich Herr fassungslos und wütend. Da Steuerschulden bestehen, seien auch die Steuerzahler:innen betroffen, pochte Herr auf politische Verantwortung. Die SPÖ-Abgeordnete erinnerte auch an die Forderung der SPÖ, Wirtschaftshilfen nicht bedingungslos zu gewähren, sondern an Arbeitsplatzzusicherungen zu knüpfen.
Plakolm: Menschen möglichst rasch am Arbeitsmarkt neu aufnehmen
Es sei tragisch, wenn Menschen Arbeitsplätze verlieren, bedachte Staatssekretärin Claudia Plakolm die persönlichen Schicksale. Betroffene benötigten Sicherheit, daher arbeite das AMS bereits daran, Perspektiven für die Mitarbeiter:innen zu finden. Plakolm machte sich dafür stark, den Menschen Zuversicht und Vertrauen zu schenken. Die Grundvoraussetzungen für neue Perspektiven seien vorhanden. Laut AMS gebe es derzeit in Österreich über 20.000 offene Stellen im Handel, davon 1.700 im Textil- und Möbelhandel. Es gelte keine Zeit zu verlieren, daher seien auch die Sozialpartner bereits eingebunden, so die Staatssekretärin. Wichtig sei, das Frühwarnsystem möglichst bald zu starten, wodurch das AMS bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit tätig werden könne.
In Zeiten des Fachkräftemangels gelte es, die Menschen möglichst rasch am Arbeitsmarkt aufzunehmen, unterstrich Plakolm. Gleichzeitig müsse größerer Schaden für Österreich abgewendet werden. Die Finanzprokuratur als Rechtsvertretung im Interesse des Staates sei beauftragt, die genauen Umstände der Insolvenz zu prüfen, um das Geld der Steuerzahler:innen zu schützen. Plakolm versicherte, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um für Mitarbeiter:innen und Steuerzahler:innen die bestmöglichen Lösungen zu finden.
Kocher: Hintergründe der Insolvenz müssen genau geprüft werden
Auch Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher sprach sich dafür aus, die Hintergründe der Insolvenz genau zu prüfen und den Schaden für die Steuerzahler:innen so klein wie möglich zu halten. Aktuell gehe es vor allem darum, die Mitarbeiter:innen als Hauptleidtragende bestmöglich zu unterstützen. Man arbeite gemeinsam mit dem AMS und den Sozialpartnern daran, neue Perspektiven für die Betroffenen aufzuzeigen. Laut Kocher ist es das Ziel, den Mitarbeiter:innen noch während der Kündigungsfristen neue Angebote zu unterbreiten. Der Wirtschaftsminister stellte zudem klar, dass sämtliche Ansprüche auf Lohnfortzahlungen gesichert seien. Im Insolvenzentgeltfonds sei genug Geld vorhanden.
SPÖ: ÖVP steht auf der Seite der Konzerne
"Die Eigentümer sind Ihnen wichtig, die Beschäftigten sind Ihnen egal", legte Kai Jan Krainer (SPÖ) im Zuge der Debatte in Richtung ÖVP nach. Es sei "beschämend", dass der Bundeskanzler bei der Debatte nicht persönlich anwesend sei. Bei den ausbezahlten Wirtschaftshilfen sei es anstatt der Absicherung von Arbeitsplätzen um die Profite des Konzerns gegangen, kritisierte der SPÖ-Mandatar.
Für seine Parteikollegin Verena Nussbaum ist der Fall Kika/Leiner ein klares Beispiel dafür, dass die ÖVP auf Seiten der Konzerne steht. Während der Unternehmer René Benko sein Vermögen mit dem seinerzeitigen Kauf und nunmehrigem Verkauf des Unternehmens vermehrt habe, habe sich die zugesagte Jobgarantie in Luft aufgelöst, beklagte sie und pochte darauf, "den Deal penibel aufzuarbeiten", damit die Steuerzahler:innen nicht gemeinsam mit den Beschäftigten die Leidtragenden seien. Die ÖVP wolle "eine entfesselte Wirtschaft", sekundierte SPÖ-Abgeordnete Selma Yildirim und sprach sich unter anderem für die Einführung einer "Millionärssteuer" aus.
ÖVP: Billige SPÖ-Show, die keinem hilft
ÖVP-Abgeordneter Christian Stocker sprach von einer "billigen Show" der SPÖ, die keinem und keiner einzigen Betroffenen helfe. Die Bundesregierung sei bemüht, den vom Jobverlust Bedrohten zu helfen, wieder eine Arbeit zu finden. Für Stocker sollte anstatt Bundeskanzler Karl Nehammer SPÖ-Altkanzler Alfred Gusenbauer die Fragen seiner Fraktion beantworten. Da dieser auf der "Payroll von Benko" stehe, könne dieser vermutlich besser beantworten, wie es so weit habe kommen können. Die von der SPÖ geforderte Jobgarantie könne man nur dann geben, "wenn man dem Marxismus zum Durchbruch verhelfen will", kritisierte Stocker.
Corinna Scharzenberger (ÖVP) machte geltend, dass es der Arbeitsmarktpolitik der Regierung zu verdanken sei, dass es in Österreich "Vollbeschäftigung" gebe. Dadurch hätten die Mitarbeiter:innen von Kika/Leiner Perspektiven. Mit Corona-Hilfen habe man dafür gesorgt, dass Arbeitsplätze abgesichert werden, ergänzte ihr Parteikollege Kurt Egger. Der SPÖ warf Scharzenberger vor, auch unter neuer Führung mit Unterstellungen und Polemik zu arbeiten.
FPÖ schlägt Einrichtung eines Untersuchungsausschusses vor
Er sei es leid, wie die Steuerzahler:innen, von einer "hochgradig korrupten ÖVP" ausgebeutet würden, hielt Christian Hafenecker (FPÖ) fest. Während Unternehmer Benko 300 Mio. € Gewinn gemacht habe, hätte sein Unternehmen gleichzeitig eine Steuerstundung ohne Garantien in der Höhe von 150 Mio. € zugesprochen bekommen. Die FPÖ weise auf diesen "Skandal" bereits seit Jahren hin, bisher sei die Wirtschaftskorruptionsstaatsanwaltschaft jedoch noch nicht aktiv geworden. Hafenecker schlug der SPÖ die gemeinsame Einrichtung eines Untersuchungsausschusses in dieser Sache vor.
"Echte Aufklärung" im Sinne der Mitarbeiter:innen und der Steuerzahler:innen forderte auch FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ). Seiner Meinung nach ist die FPÖ der einzige Garant "gegen den Turbokapitalismus". Die SPÖ sei über den ehemaligen SPÖ-Vorsitzenden und nunmehrigen Aufsichtsrat in mehreren Benko-Unternehmen Alfred Gusenbauer genauso in den Fall involviert wie die ÖVP, führte auch seine Parteikollegin Dagmar Belakowitsch aus.
Grüne: Politik darf nicht weiter zusehen, wenn Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit mit Immobilien spekulieren
"Benko kommt, räumt auf, zieht weiter und hinterlässt eine Sauerei", hielt Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli fest. Dieser habe kräftig bei Corona-Hilfen "zugelangt", "die Zeche" dürften nun die Steuerzahler:innen zahlen. Es sei die politische Pflicht, "solche Menschen" durch eine Millionärssteuer zu sozialer Verantwortung zu verpflichten, so Tomaselli. Ob und wer die politische Verantwortung für "dieses Desaster" trage, werde noch zu klären sein. Die Politik dürfe jedenfalls nicht weiter zusehen, wenn Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit mit Immobilien spekulieren.
Ähnlich argumentierte auch Grünen-Sozialsprecher Markus Koza. Kika/Leiner sei ein Musterbeispiel dafür, wie es gehe, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, sagte er. Unternehmer wie René Benko würden soziale Verantwortung vermissen lassen. Gar einen "neuen Kriminalfall" befürchtet seine Fraktionskollegin Elisabeth Götze, wiewohl die Unschuldsvermutung gelten müsse. Davon trennen möchte sie jedoch die im Zuge der Corona-Pandemie gewährten Förderungen für Unternehmen und die Steuerstundungen, sagte Götze: Diese hätten vielen Unternehmen das Überleben gesichert.
NEOS wollen etwaige Interventionen prüfen
Die Vorgänge rund um Kika/Leiner seien "ein weiteres Beispiel für die Slim-Fit-Politik von Altkanzler Sebastian Kurz", kritisierte Karin Doppelbauer namens der NEOS. Es könne nicht sein, dass die Steuerzahler:innen die "Filetierung" und anschließende Insolvenz des Unternehmens auffangen sollen. Was die Corona-Wirtschaftshilfen betrifft, seien 9 Mio. € aus der "Black Box COFAG" trotz bekannter wirtschaftlicher Schwierigkeiten an Kika/Leiner geflossen. Laut Doppelbauer gilt es zu klären, ob der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel für Benko interveniert hat.
Aufklärungsbedarf sieht auch ihr Fraktionskollege Johannes Margreiter. Er bemängelte allerdings den parteipolitischen "Hick-Hack" und meinte, es gebe wesentlichere Fragen, als wer wen wann getroffen habe. Vielmehr müsse man sich "genau anschauen", was passiert sei. Lücken im Insolvenzrecht sieht Margreiter allerdings nicht, seiner Meinung nach ist es richtig, dass Abgaben-Forderungen mit anderen Gläubiger-Forderungen gleichgestellt sind. Michael Bernhard ortet eine privilegierte Behandlung einzelner Unternehmer, während für das Gros der Unternehmen keine Politik gemacht werde. (Fortsetzung Nationalrat) gla/med/gs
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