Dazu waren neben Helmut Bitschnau, Bevollmächtigter des Volksbegehrens, Herwig Pernsteiner, Vorstandsvorsitzender der Innviertler Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft, die Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien Tanja Wehsely, Matthias Schnetzer von der Arbeiterkammer und Wirtschaftsuniversität Wien sowie Jan Kluge von der Agenda Austria geladen. Die Abgeordneten erkundigten sich zu deren Einschätzung in Bezug auf eine Reduktion der Wohnkosten, zu Delogierungen, zu den sozialen Folgen sowie zur Förderung des Eigentums.
Unterstützer:innen fordern zinsenlose Darlehen für Erwerb von Wohneigentum
Aktuell könnten sich viele Menschen kaum noch eine adäquate Unterkunft leisten und es gebe immer noch Obdachlose in Österreich, wird im Volksbegehren "Recht auf Wohnen" argumentiert. Auch Wohneigentum sei für viele nicht mehr erreichbar. Diese Situation treibe Menschen mitunter in physische und psychische Erkrankungen und manche auch in die Kriminalität. Daher solle die Republik alle Staatsbürger:innen ab einem bestimmten Alter beim Erwerb oder Erhalt von Wohneigentum etwa durch zinsenlose Darlehen auf Antrag unterstützen, fordern die Proponent:innen. Zudem solle der Staat jedem Menschen auf Antrag eine kostenfreie Unterkunft zur Verfügung stellen, solange dieser sich keine Unterkunft leisten kann.
Bevollmächtigter Bitschnau: Alle Staatsbürger:innen sollen die Chance auf Wohneigentum haben
"Wohnen ist ein Grundbedürfnis, der Staat tragt hier die Hauptverantwortung", betonte der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Helmut Bitschnau in seinem Statement. Geht es nach Bitschnau, sollen alle Staatsbürger:innen die Chance auf Wohneigentum haben. Das bedeute jedoch nicht eine automatische Unterstützung für alle Menschen. Vielmehr brauche es bedarfsorientierte Instrumente, oftmals würde etwa die staatliche Übernahme von Haftungen oder zinslose Darlehen ausreichen.
Um das Problem der Obdachlosigkeit zu bekämpfen, ist laut dem Bevollmächtigen zumindest die Umsetzung des Rechts auf ein "ordentliches kleines Zimmer" für den Staat leistbar. Zurzeit gebe es etwa 20.000 Obdach- oder Wohnungslose in Österreich, da viele Menschen nicht die finanziellen Mittel für eine adäquate Unterkunft hätten. Zudem sei Obdachlosigkeit auch nicht "gratis", da der Staat oftmals Mittel für Polizei- und Rettungseinsätze sowie Gefängnisaufenthalte aufwenden müsste, sagte Bitschnau.
In seinem Abschluss-Statement forderte Bitschnau die Politik auf, angesichts der vorherrschenden Teuerung "rasch und nicht irgendwann" zu handeln. Angesichts der Erhöhung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank sollte sich aus seiner Sicht die Bundesregierung dagegen einsetzen, da dies das Wohnen noch teurer machen würde. Zudem sollen die Bundesländer mithelfen können, Wohneigentum für alle Menschen einfacher zugänglich zu machen. So sollen etwa Darlehen der Bundesländer beim Erwerb von Wohneigentum als Eigenmittel anerkannt werden.
Pernsteiner: Zinsentwicklung sowie Grundstücks- und Baukosten erschweren Aufbau von Eigentum
80 % der Bevölkerung strebe in Österreich Wohnungseigentum in unterschiedlichen Formen an, in der Realität würden aber nur etwa 50 % tatsächlich Wohungsbesitzer:innen sein, was im internationalen Vergleich ein niedriger Wert sei, hielt Herwig Pernsteiner, Vorstandsvorsitzender der Innviertler Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft, fest. Aktuell würden die gestiegenen Grundstücks- und Baukosten sowie die Zinsentwicklung den Aufbau von Eigentum erschweren. Trotzdem gebe es etwa durch die Wohnbauförderung der Bundesländer oder durch Mietkaufmodelle immer noch "Wege zum Eigentum". Für die Bekämpfung von Obdachlosigkeit sind laut Pernsteiner vorrangig die Überwindung von Beziehungs-, Familien- und Finanzproblemen hauptverantwortlich. Eine Studie habe zudem bestätigt, dass es trotz der COVID-19-Pandemie keine Zunahme von Delogierungen oder Wohnungsräumungen gegeben habe. Bei der Zahl von rund 20.000 Obdachlosen handle es sich um einen Niedrigstwert der vergangenen zehn Jahre.
Wehsely: Zu wenig leistbarer Wohnraum in Österreich
"Wohnen und Arbeit machen am Ende ein gelungenes Leben aus", betonte die Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien Tanja Wehsely. Um Wohnungslosigkeit zu verhindern, stehe jedoch nicht ausreichend leistbarer Wohnraum in Österreich zur Verfügung. Vor allem Familien mit Kindern seien von zu kleinem und zu teurem Wohnraum hauptbetroffen. Zusätzlich würden die aktuellen multiplen Krisen eine nachhaltige Wohnungssicherung verhindern. Die Volkshilfe trage durch verschiedene Unterstützungsmaßnahmen zur Absicherung von Wohnraum bei, so Wehsely.
Schnetzer: Einkommen halten nicht mit Immobilienpreisen mit
Die zentrale Frage sei, ob es für Familien mit ihrem Einkommen noch möglich sei, Eigentum zu erwerben, unterstrich Matthias Schnetzer von der Arbeiterkammer und WU Wien. Seit 2015 seien etwa die Preise für Häuser um 150 % gestiegen, die Einkommenssteigerung von 18 % könne dabei nicht mithalten. Das bedeute, dass der Weg zu Immobilien zwangsläufig über eine Erbschaft führe. So würden rund zwei Drittel der Haushalte, die geerbt haben, im Eigentum leben. Laut Schnetzer kann aber die in den letzten Monaten diskutierte Mietpreisbremse den Eigentumserwerb erleichtern, da die Haushalte dann mehr finanzielle Mittel zum Sparen zur Verfügung hätten. Schnetzer wollte zudem "eine Lanze für das Mieten und den sozialen Wohnbau brechen". So ermögliche die Mietform flexibles Wohnen je nach Lebenslage, der soziale Wohnbau könne als "Gegenmodell für einen guten Lebensstandard" betrachtet werden.
Kluge: Abbau von Hürden zur Erhöhung der Eigentumsquote sinnvoll
Für Jan Kluge von der Agenda Austria sollte in einem Sozialstaat das Recht auf Wohnen außer Frage stehen. Auch perfekt funktionierende Märkte könnten nicht alle bedienen, weshalb dem Staat beim Thema Wohnen eine besondere Rolle zukommen würde. Skeptisch zeigte sich Kluge gegenüber einem Recht auf Eigentum, da auch zinslose Darlehen nicht für alle Menschen leistbar seien und zur Entstehung einer Kreditblase führen könnten. Im Gegensatz dazu seien aber Maßnahmen zum Abbau von Hürden zur Erhöhung der Eigentumsquote sinnvoll. Dies trage zu einer breiteren Verteilung von Vermögen in der Gesellschaft bei. Zur Verringerung von Obdachlosigkeit sprach sich der Experte anstatt einer dafür vorbehaltenen Anzahl von Wohnungen für eine gezielte Unterstützung der Betroffenen aus.
Die Positionen der Parlamentsfraktionen
Wohnen sei ein Grundbedürfnis und der Bundesregierung sei es deswegen wichtig, Wohnraum leistbar zu halten, erklärte Andrea Holzner (ÖVP). Es sei das Ziel der ÖVP, Eigentum und Vermögen in die breite Gesellschaft zu tragen, erklärte Johann Singer (ÖVP). Insgesamt gebe es in Österreich gute Rahmenbedingungen im Bereich des Wohnens. So sorge das breite Spektrum an Anbieter:innen am Wohnungsmarkt für eine ausreichende Zahl an Wohnungen. Der gemeinnützige Wohnungsbereich wiederum wirke regulativ auf die Wohnkosten.
Für viele Menschen sei das Wohnen aktuell nicht mehr leistbar, kritisierte SPÖ-Mandatar Andreas Kollross. Österreich sei mit seinem geförderten Wohnbau zwar historisch ein Vorzeigemodell, allerdings brauche es aktuell Maßnahmen, damit die Mieten wieder leistbar werden. Dazu schlug Kollross die Zweckwidmung der Wohnbauförderung, eine Widmungskategorie für sozialen Wohnbau sowie die Wiedereinführung der Wohnbauinvestitionsbank vor. Angesichts des Ziels der Europäischen Kommission, dass es bis 2030 keine Obdachlosigkeit mehr geben soll, seien die Maßnahmen der Bundesregierung zum Erreichen dieses Ziels unzureichend, kritisierte Harald Troch (SPÖ). Die Rolle und die Verantwortung des Staates sah Troch vor allem darin, bei Krisen einzugreifen, wenn das Wohnen der Menschen gefährdet sei.
Sowohl leistbares Eigentum als auch leistbare Mieten müssten ermöglicht werden, plädierte der freiheitliche Bautensprecher Philipp Schrangl. Seine Forderung untermauerte er mit einem Entschließungsantrag, der mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ in der Minderheit blieb. Darin schlug er mehrere Sofortmaßnahmen für leistbares Wohnen vor, wie das Einfrieren der Richtwert- und Kategoriemieten bis inklusive 2026, ein Befristungsverbot für gewerbliche bzw. institutionelle Vermieter:innen, die Wiederbelebung der Wohnbauinvestitionsbank sowie Steuerbegünstigungen für Sanierungen und Investitionen.
Die Frage des leistbaren Wohnens sei nicht mehr nur eine der unteren Einkommen, sondern sei in der Mittelschicht angekommen, erklärte Nina Tomaselli (Grüne). Hier brauche es Eingriffe, wie bei der Wohnspekulation. Auf die Bedeutung der Raumordnung für die Wohnkosten wies Astrid Rössler (Grüne) hin. Ebenso sollte die große Zahl an bestehenden leerstehenden Flächen in Nutzung gebracht werden. Zudem schlug Rössler vor, dass die öffentliche Hand über einen Baurechtszins Wohnbauflächen zur Verfügung stellen sollte und dadurch die Baukosten reduziert werden könnten.
Das Recht auf Wohnen sei unterstützenswert, meinte NEOS-Mandatar Johannes Margreiter. Dieses soziale Grundrecht werde aber in der Verfassung durchaus bereits angedeutet und durch unterschiedliche Maßnahmen bereits erfüllt. So springe die öffentliche Hand vor Delogierungen etwa oftmals bei den Wohnkosten ein.
Expert:innen beantworten Fragen zu Wohnkosten und Eigentum
In abschließenden Statements gingen die Expert:innen auf die von den Abgeordneten angesprochenen Themen und Fragen ein. So verwies Jan Kluge, Agenda Austria, zu den Fragen von Andrea Holzner (ÖVP) und Johann Singer (ÖVP) auf die Rolle der Geldpolitik bei der Entwicklung der Eigentumspreise. Potenzial zur Reduktion sah der Experte bei den Transaktionskosten, warnte aber davor, Kredite zu ermöglichen, die sich die Menschen nicht leisten können. Insgesamt sei in Österreich genug Wohnraum vorhanden, die Verteilung sei aber ein Problem.
Acht Prozent der Haushalte seien mit den Wohnkosten überlastet, davon seien besonders Mieter:innen betroffen, erklärte Matthias Schnetzer, Arbeiterkammer und Wirtschaftsuniversität Wien, auf die Frage von Nina Tomaselli (Grüne) nach Zahlen zur Wohnkostenbelastung. Die Mieten würden von der unteren Hälfte der Vermögensverteilung in die obersten zwei Zehntel fließen. Eine Mietpreisbremse könne insofern eine Chance für mehr Eigentum sein, da bei langsamer steigenden Mieten die Sparquote steigen könnte, erklärte der Experte gegenüber Yannick Shetty (NEOS). Der soziale Wohnbau schaffe es gut, den Bedarf für bedürftige Menschen zu decken, meinte Schnetzer auf eine Frage von Philipp Schrangl (FPÖ), inwieweit gemeinnützige Bauträger für leistbares Wohnen sorgen. Jede vierte Wohnung sei eine des sozialen Wohnbaus und diese hätten die niedrigsten Quadratmetermieten.
Die Einigkeit der Fraktionen für leistbares Wohnen begrüßte Tanja Wehsely, Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien. Wohnen sei ein Spekulationsobjekt geworden und zusammen mit den aktuellen Krisen führe das zu großen Problemen. Hinsichtlich Delogierungen erwartet sich Wehsely, nach den coronabedingten niedrigen Zahlen eine Erhöhung in nächster Zeit. Zudem verwies die Expertin darauf, dass insbesondere Männer aber nicht Frauen und Kinder über Eigentum verfügen würden. Dies spiele eine Rolle bei deren Armutsgefährdung. Die Delogierungsprävention und die Wohnungssicherung sei günstiger als die Versorgung durch die Wohnungslosenhilfe, gab Wehsely zu bedenken. Ebenso sei der Wohnschirm eine gute Maßnahme, allerdings sei dies keine strukturelle Maßnahme, meinte die Expertin zu Nina Tomaselli (Grüne).
Eine Zweckwidmung der Wohnbauförderung befürwortete Herwig Pernsteiner, Vorstandsvorsitzender der Innviertler
Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft. Auf die Bedeutung des gemeinnützigen Wohnbaus zum leistbaren Wohnen verwies Pernsteiner anhand des Projekts "Junges Wohnen", dass jungen Menschen in Oberösterreich günstige Wohnungen ermögliche. Die Raumordnung biete bereits Möglichkeiten zur Ausweisung von Flächen für den sozialen Wohnbau, meinte der Experte in Richtung von Astrid Rössler (Grüne). Dies werde unterschiedlich angenommen. Eine Verstärkung dieser Möglichkeit wäre zwar eine Möglichkeit, diese wirke allerdings nur langfristig. (Schluss) med/pst
HINWEIS: Das Expert:innen-Hearing ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.