Institutionelle Käufer setzen bislang vor allem auf Neubau
In Deutschland gehörten in den letzten zehn Jahren institutionelle Investoren zu den wichtigsten Käufern von Mehrfamilienhäusern. Dabei liegt der Fokus dieser Käufergruppe bislang vor allem auf Neubauten*: 39 % des Ankaufsvolumens von Versicherungen und Pensionseinrichtungen sowie Spezialfonds entfielen im Jahr 2023 auf den Erwerb von Projektentwicklungen, weitere 40 % des Volumens auf Bestandsobjekte mit einem Baujahr ab 2014. Doch angesichts des Einbruchs im Wohnungsbau kommen weniger Neubauprodukte an den Markt und viele Eigentümer junger Bestandsbauten sind momentan nicht zu Verkäufen bereit. Allein 2023 ging die Anzahl genehmigter Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern um 25 % zurück. Bis 2026 könnte die Zahl der fertiggestellten Neubauwohnungen nach einer Schätzung von Savills auf unter 110.000 fallen.
Nachhaltigkeitskriterien und einbrechende Neubauzahlen lenken den Fokus auf den Bestand
Angesichts der Verknappung im Neubausegment könnten institutionelle Investoren nach Einschätzung von Savills zukünftig stärker auf den Erwerb energetisch sanierter Bestandsbauten ausweichen und dabei zugleich ihren ESG-Anforderungen Rechnung tragen. Für Projektentwickler und Investoren mit Kompetenz in Sanierungs- und Aufwertungsmaßnahmen bieten sich Chancen auf Wertsteigerungen im Rahmen von sogenannten Manage-to-Green-Strategien. Rund 70 % der Mehrfamilienhäuser in Deutschland wurden vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 errichtet, wobei lediglich ein Drittel dieser Wohneinheiten bisher auf ein höheres energetisches Niveau gebracht wurden. Insgesamt haben 46 % des Mehrfamilienhausbestands eine Energieeffizienzklasse von E oder schlechter.
„Ein Großteil der Mehrfamilienhäuser in Deutschland weist erhebliche Defizite in der Energieeffizienz auf. Das schafft enorme Value-Add-Potenziale durch energetische Sanierungen und Modernisierungsmaßnahmen“, erklärt Marco Högl, Head of Residential Capital Markets bei Savills Deutschland.
Wertsteigerungspotenzial dank geringer Einstiegspreise, Fördermitteln und Mietanpassungsmöglichkeiten
Die Kosten für energetische Sanierungen variieren zwar, doch kalkulieren Investoren laut den Beobachtungen von Savills bei Manage-to-Green-Strategien mit Sanierungskosten zwischen 700 bis 1.500 Euro / m². Demgegenüber stehen relativ geringen Einstiegspreise im unsanierten Bestand, die für Value-Add-Käufer entsprechende Opportunitäten bieten. Wertsteigerungshebel ergeben sich ferner durch diverse Förderprogramme des Bundes und der Bundesländer.
„Bei einer Manage-to-Green-Modernisierung profitiert letztlich nicht nur der Value-Add-Investor von einer Wertsteigerung, auch für institutionelle Endinvestoren hätte der Erwerb solcher sanierten Objekt Vorteile. So können sie sich ein Bestandsobjekt sichern, was langfristig den regulatorischen Anforderungen entspricht. Die Sanierung des Bestands trägt zudem zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor bei. Dabei liegen die Mieten in einem sanierten Objekt in der Regel immer noch deutlich unter den Neubaumieten, was auf die Erschwinglichkeit von Wohnraum als sozialen Aspekt in ESG einzahlt. Außerdem sollte der Erwerb des sanierten Bestands für den Endinvestor im Vergleich zum Neubau auch noch günstiger als beim Neubau sein“, sagt Marco Högl.
Dass auch die rechtlichen Rahmenbedingungen Investoren bei der Umsetzung von Manage-to-Green-Strategien, insbesondere im Hinblick auf Mietanpassungsmöglichkeiten, unterstützen können, erklärt Dr. Philip Huperz, Partner bei GSK Stockmann: „Die Mietanpassungsmöglichkeiten im Wohnraummietrecht bieten Investoren wertvolle Optionen, um Modernisierungsmaßnahmen wirtschaftlich rentabel zu gestalten. Besonders die Möglichkeit, energetische Sanierungskosten im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen auf die Miete umzulegen, spielt dabei eine zentrale Rolle. Jedoch sind Investoren gut beraten, die gesetzlichen Beschränkungen und Kappungsgrenzen genau zu beachten, um rechtskonforme Mietanpassungen vorzunehmen, insbesondere in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten.“
Weitere Wertsteigerungspotenziale für Investoren bietet die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Aufstockung bestehender Gebäude oder durch Nachverdichtung. „Insbesondere in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt können solche Maßnahmen den Investoren einen zusätzlichen Anreiz bieten, Wohnraum auf bereits erschlossenen Grundstücken zu schaffen, da sie im Einzelfall zugunsten des Wohnungsbaus von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden können ohne neue Bauflächen ausweisen zu müssen“, sagt Dr. Philip Huperz abschließend.