Die Marktdynamik verminderte sich im Bereich großvolumiger Transaktionen deutlicher als im mittleren und kleinen Segment. Fanden in der ersten Jahreshälfte 2022 noch 67 Transaktionen oberhalb der 100-Millionen-Euro-Marke statt, so waren es in diesem Jahr bislang nur 21. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Analyse des globalen Immobiliendienstleisters CBRE.
„Durch die veränderten Finanzierungsbedingungen sowie die noch anhaltende Unsicherheit hinsichtlich der Preisentwicklung agieren viele Investoren besonders mit Blick auf große und finanzierungsintensive Ankäufe sehr verhalten. Im Vorteil sind daher eigenkapitalstarke Investoren, die sich von den gestiegenen Zinsen eher unbeeindruckt zeigen können und teils Full-equity-Investments tätigen. Jedoch sind diese in der derzeitigen Marktphase ebenfalls sehr zurückhaltend, da selbstverständlich die Benchmark auch die anderen Marktakteure sind. Der Markt setzt ankaufsseitig auf weiter fallende Preise und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das neue Gleichgewicht auf einem deutlich niedrigeren Niveau eingestellt haben wird“, sagt Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland.
„Die gestiegenen Renditen festverzinslicher Anlagen haben dazu geführt, dass viele Investoren diese bevorzugen, um ihre Portfolios zum einen zu diversifizieren und zum anderen gemäß ihren Renditeanforderungen zu justieren“, beobachtet Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland.
Renditen steigen weiter
Die substanziell veränderte Zinslandschaft sorgt für weiter steigende Immobilienrenditen. So legte die Nettoanfangsrendite für erstklassige Bürohäuser im Mittel der Top-7-Standorte gegenüber dem Jahresauftaktquartal um 0,17 Prozentpunkte zu. München weist mit 3,90 Prozent weiterhin noch den niedrigsten Wert auf. In den anderen sechs Investmentzentren wurde die Vier-Prozent-Marke erreicht (Berlin) beziehungsweise überschritten (Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln, Stuttgart). Gegenüber dem letzten zyklischen Tiefstwert im April 2022 haben damit die Spitzenrenditen für
Büroimmobilien um 1,40 Prozentpunkte zugelegt, während die Benchmarkrendite am Kapitalmarkt mit aktuell 2,56 Prozent rund 1,60 Prozentpunkte höher rentiert. „Insbesondere bei Büroimmobilien sehen wir aufgrund der zunehmenden Polarisierung der Nutzer auf sehr gute Lage- und Objektqualitäten, strukturellen Veränderungen infolge des hybriden Arbeitens sowie der weiter zunehmenden Bedeutung von ESG-Kriterien noch erheblichen Anpassungsbedarf der Renditen nach oben“, so Klein.
Für Geschäftshäuser in 1A-Lagen stieg die Rendite im Mittel der Top-7-Standorte gegenüber dem ersten Quartal um weitere 0,15 Prozentpunkte auf 4,24 Prozent. Für Lager- und Logistikimmobilien stabilisierte sich die Spitzenrendite zur Jahresmitte mit 4,00 Prozent auf dem Niveau des Vorquartals und gibt einen ersten Hinweis darauf, dass der Preisanpassungsprozess zumindest in dieser Assetklasse sein neues Marktgleichgewicht gefunden haben könnte. Hotels verzeichneten hingegen einen Anstieg um 0,25 Prozentpunkte auf nunmehr 4,90 Prozent. Im Segment der Pflegeheime fiel der Anstieg gegenüber dem ersten Quartal mit 0,3 Prozentpunkten auf ebenfalls 4,90 Prozent nochmal leicht stärker aus.
Wohnen mit größtem Transaktionsvolumen – Büro weiterhin stärkste Assetklasse bei Gewerbeimmobilien
Die stärkste Assetklasse waren Wohnimmobilien (ab 50 Einheiten), auf die 24 Prozent des Gesamtvolumens oder EUR 3,1 Milliarden entfielen, gefolgt von Bürohäusern mit einem Anteil von 22 Prozent oder EUR 2,8 Milliarden. An dritter und vierter Stelle standen, mit jeweils knapp EUR 2,4 Milliarden und einem Anteil von 18 Prozent, Lager- und Logistikimmobilien sowie Einzelhandelsobjekte. Letztere wiesen unter den etablierten Assetklassen mit minus 37 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 noch den geringsten Rückgang aus, gestützt durch großvolumige Transaktionen wie dem KaDeWe im ersten Quartal und dem MYND & Galeria Weltstadthaus im zweiten Quartal, beide in Berlin.
Berlin weiterhin der Hot Spot für Immobilieninvestments
„Weiterhin standen die Top-Standorte im Fokus der Investoren, wenngleich durch die hohe Aktivität im Logistiksegment viele Transaktionen außerhalb der Marktgrenzen stattfanden“, sagt Klein. Insgesamt flossen EUR 5,9 Milliarden oder 45 Prozent des Gesamtvolumens in diese Märkte, wobei Berlin mit EUR 2,8 Milliarden unangefochten auf Rang 1 der Investorengunst steht. An zweiter Stelle folgte München mit EUR 1,2 Milliarden.
Fokus auf Core- und Core-plus-Investments
Mit fast EUR neun Milliarden entfielen 67 Prozent des Gesamtvolumens auf das Core- und Core-plus- Segment, fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Anteil opportunistischer und Value- add-Investments verringerte sich von 38 Prozent auf 27 Prozent. „Auch wenn durchaus
‚Schnäppchenjäger‘ am Markt unterwegs sind, sehen wir nach wie vor noch keine Notverkäufe. Auch noch nicht auf Seiten von Projektentwicklern, wenngleich es hier durch die schwierigen Rahmenbedingungen zu einer leichten Marktkonsolidierung kommen dürfte“, analysiert Klein. Viele potenzielle Verkäufer, die gerade nicht refinanzieren müssen oder generell keinen Veräußerungsdruck haben, verschieben Verkaufspläne in die Zukunft, um die Preisgestaltung am Markt abzuwarten.
Anteil internationaler Investoren leicht rückläufig
Anleger aus Deutschland konnten ihren Anteil im Vorjahresvergleich leicht um sieben Prozentpunkte steigern und investierten in den vergangenen sechs Monaten rund EUR 7,9 Milliarden – was 60 Prozent des Transaktionsvolumens entsprach.
Ausblick auf den weiteren Jahresverlauf
„Bis die Zinsen wieder deutlich gesunken sind und damit auch die Liquidität auf breiter Front wieder gegeben ist, dürfte es noch einige Zeit dauern. Aktuell erwarten wir seitens der EZB erst einmal einen weiteren Zinsschritt um einen Viertelprozentpunkt Ende Juli. Weitere Zinsschritte sind angesichts der hartnäckig hohen Inflationsraten nicht auszuschließen und die jüngsten Signale der EZB weisen darauf hin, dass der eingeschlagene restriktive geldpolitische Kurs noch länger dauern könnte. Das bedeutet aber, dass sich die bankenseitigen Finanzierungskonditionen für gewerbliche Immobilieninvestments hierzulande in Form höherer Kreditzinsen und Margen weiter verteuern werden und der Druck auf die Immobilienrenditen entsprechend weiter hoch bleiben wird. Daneben sorgt eine strengere Regulierung im Hinblick auf die Verschärfung der Eigenkapitalunterlegung der Banken dafür, dass diese ihr Engagement in der Immobilienfinanzierung deutlich verringern. Alternative Darlehnsgeber sind im Bezug auf die Finanzierungskonditionen teurer und werden die Lücke zur klassischen Immobilienfinanzierung nicht schließen können“, prognostiziert Klein.
Mit der Stabilisierung der Zinsentwicklung und Finanzierungsbedingungen sollten die Marktakteuern wieder eine gewisse Sicherheit bei ihren Investitionsentscheidungen und damit bei den Preisgeboten haben. Derzeit deutet sich eine etwas höhere Marktdynamik schon wieder an, was sich an der Anzahl der Immobilien und Portfolios ablesen lässt, die zur Vermarktung vorbereitet werden“, so Klein.