„Den erheblichen makroökonomischen und geopolitischen Unwägbarkeiten, hohen Inflationsraten und steigenden konjunkturellen Unsicherheiten zum Trotz setzte sich der nachfrageseitige Aufschwung an den Vermietungsmärkten damit vorerst fort. Der Nachholbedarf von Unternehmen bei der Umsetzung von hybriden und flexiblen Arbeitsplatzstrategien ist dabei ein struktureller Nachfragetreiber“, erklärt Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland.
Nachfrage konzentrierte sich vor allem auf hochwertige Flächen
Im ersten Halbjahr wies lediglich Berlin im Vorjahresvergleich einen leichten Rückgang des Flächenumsatzes um zwei Prozent auf 335.600 Quadratmeter auf, was lediglich 1,7 Prozent unter dem 5-Jahres-Durchschnitt der ersten Halbjahre liegt. Mit einem Anstieg um 72 Prozent auf 389.400 Quadratmeter konnte sich München auf Platz eins der wichtigsten Vermietungsmärkte setzen. Aber auch in Düsseldorf (plus 57 Prozent auf 164.900 Quadratmeter), Hamburg (mehr als 26 Prozent auf 273.500 Quadratmeter) und Frankfurt am Main (plus 15 Prozent auf 189.900 Quadratmeter) waren starke Zuwächse im Marktgeschehen zu beobachten.
Die Flächennachfrage konzentriert sich zunehmend auf qualitativ hochwertige Büroflächen in den gut angebundenen, zentralen Lagen der Top-5-Märkte. Dabei verfolgen die büroaffinen Unternehmen verstärkt flexible und hybride Arbeitsplatzstrategien. Dies hat bei Stay-versus-Go-Analysen häufiger Standort- und Flächenkonsolidierungen in höherwertigen Büros in zentralen Lagen zur Folge oder mündet mangels geeigneter Ausweichmöglichkeiten in Mietvertragsverlängerungen im Bestand. Diese lagen mit einem Volumen von 92.800 Quadratmetern wieder über dem Niveau des ersten Quartals (66.400 Quadratmeter). In diesem Kontext ist auch der erneut gestiegene Anteil des Umsatzes in Form von Vorvermietungen in Projektentwicklungen zu erklären. Dieser lag im zweiten Quartal mit 41 Prozent nochmals über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre (36 Prozent) und verdeutlicht den anhaltenden Mangel an geeigneten Büroflächen im Bestand einerseits und den hohen Bedarf nach hochwertigen Flächen andererseits.
Maßgeblich für das positive Ergebnis war die gestiegene Zahl der Großabschlüsse mit jeweils mehr als 5.000 Quadratmetern. Sie belief sich allein im zweiten Quartal auf insgesamt 25 Anmietungen mit insgesamt 305.800 Quadratmetern, in Summe 42 Prozent des Gesamtumsatzes an den Top-5-Märkten. Die Resilienz der deutschen Vermietungsmärkte spiegelte sich aber insbesondere in der stabilen Nachfrage im Größensegment unterhalb der 1.000-Quadratmeter-Marke wider, in welchem im zweiten Quartal 517 Abschlüsse verzeichnet werden konnten – mit insgesamt 191.100 Quadratmetern beziehungsweise 26 Prozent des Gesamtumsatzes.
Auch branchenseitig war das zweite Quartal durch eine hohe Diversifikation geprägt. Stärkste Nachfragegruppe war die öffentliche Hand (13 Prozent), gefolgt von Industrieunternehmen (elf Prozent) und Unternehmen aus der Immobilienbranche (zehn Prozent). Daneben verzeichnete keine Branchengruppe einen zweistelligen Prozentanteil am Gesamtumsatz, was für die hohe Breite der Büroflächennachfrage am deutschen Markt spricht.
Mieten ziehen weiter an
Der anhaltende Nachfrageüberhang bezüglich erstklassiger Büroflächen sowie steigende Bau- und Gestehungskosten führten zu einem deutlichen Anstieg der Abschluss- und Angebotsmieten. Dabei werden ESG-Kriterien bei der Anmietung und Nutzung von Büros gerade für börsennotierte Unternehmen mit ambitionierten Corporate-Real-Estate-Strategien immer relevanter. Nutzer lassen eine erhöhte Bereitschaft erkennen, höhere Angebotsmieten für entsprechend qualitativ hochwertige und ESG-konforme Büroflächen zu zahlen.
Die nachhaltig erzielbaren Spitzenmieten stiegen dementsprechend im zweiten Quartal und dies teilweise sehr kräftig. Berlin und München verzeichneten mit einem Plus von zehn Prozent im Vorjahresvergleich auf EUR 42,50 beziehungsweise EUR 43,50 pro Quadratmeter und Monat den deutlichsten Anstieg. Es folgten Düsseldorf (plus fünf Prozent auf EUR 30,00), Frankfurt am Main (plus drei Prozent auf EUR 45,50) und Hamburg (plus zwei Prozent auf EUR 33,00).
Die gewichtete Durchschnittsmiete verzeichnete ein Plus von sechs Prozent und stieg auf EUR 23,82. Lediglich Frankfurt am Main verzeichnete ein Minus von fünf Prozent auf EUR 22,42, während München (plus 13 Prozent auf EUR 24,07), Düsseldorf (plus elf Prozent auf EUR 17,33), Berlin (plus sechs Prozent auf EUR 28,76) und Hamburg (plus fünf Prozent auf EUR 19,08) deutliche Anstiege aufwiesen. Incentive-Pakete in Form von Mieterausbauten und mietfreien Zeiten sind insbesondere in den CBD-Lagen auf unverändert niedrigem Niveau geblieben.
Leerstandsanstieg verlangsamte sich – Polarisierung des Marktes
Der Anstieg des Leerstands verlangsamte sich im zweiten Quartal. Der absolute Anstieg im Vergleich zum ersten Quartal 2022 lag jedoch nur noch bei sechs Prozent. Die durchschnittliche Leerstandsrate in den Top-5-Märkten zeigte einen Anstieg um 0,2 Prozentpunkte – auf aktuell 4,8 Prozent. Dies entspricht zwar dem höchsten Niveau seit vier Jahren, deutet jedoch immer noch auf einen strukturell sehr niedrigen Leerstand hin. Den stärksten Anstieg verzeichnete Düsseldorf mit 1,4 Prozentpunkten im Vorjahresvergleich (auf 8,8 Prozent), gefolgt von Frankfurt (plus 1,3 Prozentpunkte auf 7,9 Prozent), Berlin (plus 0,6 Prozentpunkte auf 3,2 Prozent), München (plus 0,5 Prozentpunkte auf 4,2 Prozent) und Hamburg (stabil bei 2,6 Prozent).
„Die Differenzierung des verfügbaren Flächenangebots nach Ausstattungsqualität und Lage verdeutlicht die fortschreitende Polarisierung des Markts zwischen qualitativ hochwertigen und nachgefragten Flächen einerseits und inflexiblen und zunehmend weniger marktgängigen Altbestandsflächen andererseits“, erläutert Linsin. Der Anteil der Kategorie B- und C-Flächen am Gesamtleerstand von 64 Prozent verdeutlicht dies. Währenddessen wiesen die zentralen CBD-Lagen der Top-5-Märkte ein weiterhin äußerst niedriges Leerstandsniveau auf. Dieses liegt jeweils deutlich unter dem jeweiligen Niveau des Gesamtmarkts: Im Düsseldorfer CBD liegt die Leerstandsrate bei 5,9 Prozent, in der Münchener Innenstadt bei 0,4 Prozent, in der Bankenlage in Frankfurt bei 3,9 Prozent, in der Hamburger City bei 2,6 Prozent und im Berliner Zentrum bei 2,8 Prozent.
Die Büroflächenpipeline bleibt indes gut gefüllt. „Etwaige Bauverzögerungen durch Materialmangel und Lieferengpässe von Baustoffen konnten in der Breite zwar noch nicht wahrgenommen werden, die Planung und der Beginn von neuen Projekten werden jedoch vielfach vorerst gestoppt oder verschoben“, sagt Linsin. Im zweiten Quartal wurden insgesamt 210.900 Quadratmeter fertiggestellt, was einen Rückgang um acht Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal darstellt. Im Jahresverlauf ist mit einem Fertigstellungsvolumen von 1,2 Millionen Quadratmetern zu rechnen, wovon dem Markt 38 Prozent spekulativ hinzugefügt werden. Bis 2024 sind insgesamt 5,9 Millionen Quadratmeter im Bau und in Planung, von welchen bisher etwa 41 Prozent vorvermietet sind. „Es sind auch Bestrebungen bei einigen Eigentümern wahrzunehmen, bei ihren Objekten Manage-to-ESG-Strategien umzusetzen, um dabei dysfunktionalen Altbestand in marktgängige Büroflächen aufzuwerten“, so Carsten Ape, Head of Office Leasing CBRE Deutschland.
Prognose für das Gesamtjahr 2022
„Der deutsche Arbeitsmarkt ist weiterhin sehr robust, das zeigt sich auch im ifo Beschäftigungsbarometer. Die Unternehmen suchen weiterhin nach geeigneten Talenten, auch um die digitale und grüne Transformation in den kommenden Jahren zu bewältigen“, sagt Linsin.
„Die Anzahl und das Volumen von neuen und aktiven Flächengesuchen in den Top-5-Märkten sind sowohl im Vergleich zum Vorjahr als auch zum ersten Quartal gestiegen und lassen zum aktuellen Stand einen positiven Ausblick auf die zweite Jahreshälfte zu – trotz der bekannten Downside-Risiken durch die hohe Inflation und die weitere konjunkturelle Entwicklung. Trotz der guten Ausgangslage gilt zugleich: Sollte die deutsche Wirtschaft durch eine sich verschärfende Energiekrise in eine deutliche Rezession abrutschen, wären auch die Büromärkte davon spürbar betroffen“, resümiert Ape.