Das Büro lebt
Nach vielen Monaten im Remote Work-Modus gibt es zahlreiche Diskussionen über Büroflächen, deren Notwendigkeit, aber auch deren Zweck. Tatsache ist, dass die Leerstandsraten bei Büros in der DACH-Region – vor allem in den zentralen Lagen – sehr gering sind. Auch die Nachfrage in den Stadtzentren – wie Wien, Berlin, München oder Zürich – nach modernen, flexiblen Flächen ist nach wie vor hoch und kann aufgrund eines zu geringen Angebotes nicht bedient werden. Vor allem die öffentliche Hand, aber auch Banken und Finanzdienstleister, Industrie und Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation, Medien und Technologie sind auf der Suche nach neuen, großen Büroflächen und haben die Großgesuche trotz Pandemie nicht gestoppt.
„Am deutschen Markt beobachten wir drei strategische Ansätze am Büromarkt: 1. Wait & See – d.h. Unternehmen, die beobachten, aber noch nicht entschieden haben, wie sie mit ihren Flächen umgehen; 2. Taktiker – hier passieren kleine taktische Anpassungen, aber ohne strategischen Background; 3. Visionäre – diese Unternehmen haben eine klare Vision, wollen Veränderungen und leiten jetzt alles dafür ein und optimieren ihre Flächen der Strategie des Büros der Zukunft folgend“, so Alexander von Erdély.
Während die Nachfrage nach modernen Flächen in Wien hoch ist, ist der Büromarkt nach wie vor von einer geringen Neuflächenproduktion und einem niedrigen Leerstand geprägt. Generalsanierungen der veralteten Flächen – Wien hat überdurchschnittlich viele davon – werden aus diesem Grund immer relevanter. „Seit 2020 beobachten wir auch vermehrte Evaluierungen und Optimierungen von bestehenden Büroflächen. Einige Mieter haben ihre Flächen zurückgegeben oder untervermietet, andere befinden sich noch im Entscheidungsprozess.“, analysiert Andreas Ridder den Wiener Büromarkt, für den er eine Erholung im Jahr 2022 erwartet, wenn die 2023 fertigzustellenden Flächen vorvermietet werden können.
In der Schweiz macht sich seit Jahresbeginn der Nachholeffekt am Büromarkt bemerkbar, allerdings dauern Entscheidungen zunehmend länger. „Viele Unternehmen in der Schweiz sind vorsichtig, beobachten die Situation, die weitere Entwicklung von Homeoffice beziehungsweise Remote Work, um erst danach eine Entscheidung über zukünftige Büroflächen zu fällen. Klar ist aber allen, dass die Lage im ‚War of Talent‘ im Hinblick auf deren Erreichbarkeit und der im unmittelbaren Umfeld vorhandenen Infrastruktur, wie Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten oder Fitnesseinrichtungen, auch als Gegensatz zum Homeoffice entscheidend ist“, so Florian Kuprecht, Managing Director CBRE Schweiz.
Logistik boomt
Keine Assetklasse boomt zurzeit so wie Logistik und Industrie. „Einerseits ist diese Situation durch den Konjunkturaufschwung in der Industrie getrieben, andererseits natürlich durch den stark wachsenden Online-Handel, der durch die Pandemie noch weiter zugenommen hat“, so Alexander von Erdély, der auf einen Nachfrageüberhang seitens der Investoren in Deutschland verweist. Dem schließt sich Andreas Ridder aus Österreich an und betont, dass „Logistik die einzige Assetklasse ist, in der 2020 das Transaktionsvolumen des Vorjahres übertroffen wurde“. In allen drei deutschsprachigen Ländern ist die Nachfrage nach Logistikflächen hoch, der Leerstand niedrig, die Renditen fallend. In Deutschland wird zudem eine steigende Nachfrage nach Light Industrial und Unternehmensimmobilien festgestellt.
In Österreich und in der Schweiz ist – im Gegensatz zu Deutschland – der institutionelle Logistikmarkt noch in der Entwicklungsphase, beide Märkte sind von einer hohen Eigennutzerquote geprägt. Allerdings drängen – in der Schweiz seit rund fünf, in Österreich seit zwei Jahren – sowohl Immobilienentwickler als auch institutionelle, internationale Investoren in den Markt, wodurch mittelfristig ein Strukturwandel am Logistikmarkt zu erwarten ist.
Einzelhandel im Wandel
Mit den großen gesellschaftlichen Veränderungen ändert sich auch das Einkaufsverhalten – was wiederum direkte Auswirkungen auf die Retail-Märkte hat. Auch wenn die E-Commerce-Durchdringung in den deutschsprachigen Ländern noch geringer ist als in anderen globalen Märkten – allen voran Südkorea, China und Großbritannien – so war und ist der stationäre Nicht-Lebensmittelhandel auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den letzten Monaten mit vielen Herausforderungen konfrontiert. „Die Pandemie hat hier eine Entwicklung verstärkt und beschleunigt, die bereits weit vor Corona bekannt war“, sind sich die drei CBRE-Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz einig.
Einig sind sie sich aber auch, dass der Handel zum urbanen Bild und Leben gehört. Während die Mieten in den Top-Einkaufslagen in Deutschland (-19 Prozent) und Österreich (-7 Prozent) nachgaben, sind diese in der Schweiz auf Vorkrisen-Niveau geblieben. Die Schweizer konsumieren vermehrt im eigenen Land, sodass Teile des Auslands-Einkaufsvolumens der Eidgenossen, das jährlich bisher rund 8 Milliarden Franken betrug, im eigenen Land verblieben. Im Lebensmittelhandel wurde im Jahr 2020 sogar ein Rekordwert von 29,9 Milliarden Franken und damit 11,3 Prozent mehr als im Jahr davor in der Schweiz erreicht.
Nach Lockerung und Aufhebung der Lockdown-Maßnahmen ist die Passantenfrequenz in den deutschen Haupteinkaufsstraßen wieder auf Vor-Pandemie-Niveau. Auch die Stimmung unter den Konsumenten hat sich merklich verbessert. In den innerstädtischen Top-Lagen ist das Interesse an Retailflächen sehr groß, internationale wie nationale Händler konkurrieren um die besten Flächen, was Auswirkungen auf die in den letzten Monaten umfangreich verhandelten Mietkonditionen hat.
Investoren sind in Deutschland noch zurückhaltend, allerdings ist davon auszugehen, dass innerstädtische Top-Lagen sowie Shopping Center aufgrund der sich normalisierenden Situation schon bald wieder in den Fokus der Investoren rücken werden. Die Entwicklung der Renditen ist ein erster Indikator für die Trendwende – diese sinken wieder, nachdem die Renditen für Shopping Centers und innerstädtische Top-Retail-Objekte zur Hochphase der Pandemie stark gestiegen waren.
In Österreich bewegen sich die Renditen für innerstädtische Retail Objekte und Einkaufszentren derzeit auf einem stabilen Niveau und es ist nicht mit einem weiteren Ansteigen zu rechnen – bei den innerstädtischen Lagen geht man sogar von einem leichten Nachgeben der Renditen bis zum Jahresende aus. Bis das Vorkrisenniveau in beiden Bereichen wieder erreicht werden kann, wird es jedoch noch etwas dauern.
Gemischt-genutzte Quartiere gewinnen an Bedeutung
Gemischt-genutzte Quartiere werden mehr und mehr Teil des urbanen Lebens und erobern die Städte. Entsprechend steigt das Interesse bei den Investoren. Während in Deutschland gemischt-genutzte Quartiere bereits als eigene Assetklasse gelten, ist die Entwicklung in Österreich und der Schweiz noch nicht so weit vorangeschritten.
„Gemischt-genutzte Quartiere bieten Chancen für die Umnutzung von innerstädtischen Immobilien wie Einkaufszentren oder Hotels und für die Weiterentwicklung und Belebung von großen Städten und deren zentraler Orte. Das Potenzial erkennen auch Investoren, die hier aktiv auch im Sinne von Manage-to-ESG (Environmental Social Governance) einen nachhaltigen Beitrag für die Stadt von morgen leisten wollen“, so Alexander von Erdély über den deutschen Markt, wo das Bewusstsein – auch aufgrund vieler großer Städte – für Quartiere bereits sehr ausgeprägt ist.
In Österreich werden innerstädtische Quartiere – vor allem solche, die aufgrund von Umnutzungen entstehen – von Investoren noch nicht als eigenständige Assetklasse eingestuft. Allerdings gibt es einige Entwicklungen in Richtung neuer Stadtviertel und -Quartiere. Ein prominentes Beispiel ist die „Smart City Graz“, ein energieeffizientes, ressourcenschonendes und emissionsarmes Quartier in der zweitgrößten Stadt Österreichs, in dem alle Bereiche des Lebens – Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Nahversorgung – möglich sind. „Wir stellen fest, dass Investoren sehr interessiert auf dieses neue Viertel blicken, das in Österreich richtungsweisend ist und viele Kriterien – vor allem nachhaltige – für die Zukunft erfüllt“, so Andreas Ridder.
Die Entwicklung von Quartieren ist auch in der Schweiz ein wichtiges gesellschaftliches Thema, das breit diskutiert, aber aufgrund der vorherrschenden Strukturen mit nur noch wenigen Entwicklungsbrachen nur vereinzelt umgesetzt wird. Allerdings gibt es mit dem Klybeck oder Erlenmatt in Basel oder der Europaallee und dem Maag-Areal in Zürich bereits Vorzeige-Quartiere, die auch von Investoren als Assetklasse wahrgenommen werden.
„Wir gehen davon aus, dass sich in der gesamten DACH-Region im urbanen Raum Quartiere vermehrt etablieren werden und – so sie die ESG-Kriterien erfüllen – für Investoren als eigenständige Assetklasse von Bedeutung sein werden“, sind sich von Erdély, Ridder und Kuprecht einig.
Nachhaltige Investmentstrategien
ESG – Environmental Social Governance – ist nicht nur bei der Entwicklung von Quartieren und Investments in diese das wichtigste Kriterium, sondern das zentrale Thema der Gesellschaft und der Anleger. ESG hält zunehmend Einzug in die Strategien der institutionellen Investoren, aber auch der Privatanleger, allerdings ist der deutschsprachige Raum noch nicht auf dem Niveau wie etwa Großbritannien, die skandinavischen Länder, die Niederlande oder Frankreich. Ganz klar ist aber, dass ESG das entscheidende Thema auf den Transaktionsmärkten ist und bleiben wird.
In Deutschland sind die Entwicklung und das Bewusstsein für nachhaltige Investments innerhalb der DACH-Region am weitesten vorangeschritten. Hier verpflichten sich – auch aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der EU-Offenlegungsverordnung – immer mehr Fondsanbieter und institutionelle Investoren dazu, nur noch nachhaltige Produkte aufzulegen oder in ESG-konforme Immobilien zu investieren. „Während nachhaltige Immobilien höhere und resilientere Mieten und dementsprechend höhere Wertstabilität versprechen, erwarten wir Preisabschläge für nicht-nachhaltige Immobilien“, so von Erdély.
„Das, was wir in Deutschland zurzeit beobachten, wird demnächst auch in Österreich erwartet: verstärkte Nachfrage in nachhaltige Immobilien, die den ESG-Kriterien entsprechen“, so Ridder, der deutsche Investoren auch in Österreich als Vorreiter sieht. „Die Zahl der Anfragen nach nachhaltigen Investments hat sich in den vergangenen Monaten in Österreich und auch bei CBRE vervielfacht“.
„Auch im Schweizer Transaktionsmarkt werden ESG-Kriterien wichtiger: Sowohl in Anlagerichtlinien als auch in Bewertungen sind ESG-Themen vermehrt Standard“, so Kuprecht.
Abschließend sind sich die Experten einig, dass trotz der kulturellen Unterschiede, der nationalen Eigenheiten und der immobilienwirtschaftlichen Marktusancen die DACH-Region aufgrund ihrer Wirtschaftskraft und politischen Stabilität als eine der wichtigsten, weil sichersten und beständigsten Anlagedestination für global agierende Investoren, gilt.