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Was beeinflusst die Wohnungsmärkte in Europa?

Der Wirtschaftsforscher Robert Wieser hat sich für eine Studie im Auftrag des Verbands der Gemeinnützigen Bauvereinigungen (gbv) angesehen, welche Faktoren auf den Wohnungsmärkten von 14 EU-Ländern stabilisierend, und welche destabilisierend wirkten bzw. wirken.

In Folge der Immobilienkrise in den USA haben viele US-Bürger ihr Heim verloren. Jeder vierte Haushalt mit einer Hypothek ist heute überschuldet, d.h. die Kredtverbindlichkeiten sind höher als der Wert ihrer Häuser. In einigen Staaten wie Nevada, Arizona und Florida ist sogar jeder zweite Haushalt überschuldet. Steuerzahler und Sparer mussten hunderte von Milliarden Dollar zu Rettung der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac und zahlreicher anderer Banken aufwenden. Der massive Rückgang des Immobilienvermögens in Folge des Hauspreisverfalls (mit Stand Februar 2012 über 30% seit dem Höchststand im Jahr 2006) hat anhaltend negative Wirkungen auf den Konsum der Privathaushalte. Die Konjunktur in den USA erholt sich sehr langsam. Krisenhafte Entwicklungen auf den Wohnimmobilienmärkten sind keine neue Erfahrung des letzten Jahrzehnts. Schon in der Vergangenheit haben Immobilienkrisen in verschiedensten Ländern zum Teil massive konjunkturelle Störungen verursacht. Die Immobilienkrise war aber nicht auf die USA beschränkt. Einbrüche bei den Häuserpreisen (und zum Teil auch bei Gewerbeimmobilien) gab es auch in Australien, Irland, Spanien, Großbritannien, Dänemark und Griechenland. In Irland haben sich die Häuserpreise seit dem Höchststand im Jahr 2006 fast halbiert.

Boom vor Bust

Dem „Bust“ der Häuserpreise ist eine sehr lange Boom Phase vorausgegangen. In Europa haben sich die Häuserpreise in acht von vierzehn Ländern zwischen 1995 und 2007 real mehr als verdoppelt. Und weil sich gleichzeitig die Einkommen im Durchschnitt moderater entwickelt haben, hat sich das Verhältnis von Hauspreis zu Einkommen beträchtlich erhöht. In neun der vierzehn Länder sind die Häuserpreise in diesem Zeitraum mehr als doppelt so stark gestiegen wie die Einkommen. Am stärksten war dies der Fall in Dänemark, Frankreich und Belgien. In fast allen diesen Ländern sind auch die Wohnbauinvestitionen bis 2007 massiv angewachsen. In Irland lag der Anteil der Wohnbauinvestitionen am BIP im Jahr 2006 bei 14%, in Spanien bei über 9%. In nur zwölf Jahren hat sich der Wohnungsbestand pro Kopf in beiden Ländern um 30% erhöht. Zum Vergleich: In Frankreich waren es 10%, in den Niederlanden weniger als 5% und in Schweden sogar weniger als 2%.

Unterschiedliche Wohnbaudynamik

Zum Teil war der Unterschied in der Wohnbaudynamik auf einen Aufholprozess zurückzuführen. In den südeuropäischen Ländern und in Irland war die Versorgung mit Wohnraum Anfang der 1990er Jahren noch weit unterdurchschnittlich. Im Jahr 1990 lebten in Schweden durchschnittlich 2,1 Personen in einem Haushalte, in Spanien und Irland waren es 3,4 Personen. Nach Ausbruch der Finanzkrise in Europa im Jahr 2008 haben viele Beobachter auch für die Niederlande und Frankreich einen Einbruch der Häuserpreise befürchtet. Das ist allerdings nicht eingetreten. Auch in Belgien sind die Häuserpreise stabil geblieben, und in Schweden sind sie, trotz lang anhaltende Zuwächse zuvor, auch während der Krise weiter angestiegen. Aus Sorge über diese Entwicklung und über die relativ hohe Verschuldung der Privathaushalte wurde von der schwedischen Reichsbank eine Kommission eingesetzt, die sich mit den Entwicklungen auf den Wohnungsmärkten und mit der zukünftigen Rolle der Geld-, Finanz- und Wohnungspolitik in der Verhinderung von Krisen auseinandersetzt.

Gegen den europäischen Trend

Im Gegensatz zum breiten europäischen Trend massiver Hauspreisveränderungen und zum Teil ebenso starken Veränderungen bei den Wohnbauinvestitionen haben sich die Wohnungsmärkte in Österreich, Deutschland, Portugal und mit Abstrichen in Italien im Zeitraum 1995 bis zum Ausbruch der Krise im Jahr 2007 weitgehend unauffällig entwickelt. Diese zum Teil sehr unterschiedlichen Entwicklungen auf den europäischen Wohnungsmärkten werfen die Frage auf, welche Faktoren, ob global oder länderspezifisch, tendenziell destabilisierend und welche Faktoren eher stabilisierend wirken. Dieser Frage geht die Studie „Stabilisierende und destabilisierende Faktoren auf den Wohnungsmärkten der EU-14“ nach und kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:

Rückgang der Zinsen

1. Die wichtigste globale Ursache des Immobilienbooms bis 2006/2007 war der Rückgang der Zinsen. Ein über Jahre historisch niedriges Zinsniveau mit zeitweise sogar negativen Realzinsen in einigen Ländern Europas und in den USA hat Kredite extrem verbilligt. Der Rückgang der Zinsen war zurückzuführen auf massive Kapitalströme aus den Schwellen- und Ölförderländern in die USA und nach Europa, auf Finanzmarktliberalisierungen, mehr Wettbewerb auf den Hypothekenmärkten und geldpolitische Entscheidungen.

Geänderte Kreditvergabe

2. Zum massiven Kreditwachstum in den USA und einigen europäischen Ländern hat nicht nur das niedrige Zinsniveau beigetragen, sondern auch ein geändertes Kreditvergabeverhalten. „Aggressive Finanzinstrumente und Praktiken“ wie Residential Mortgage Backed Securities (RMBS) und Securitization haben in Kombination mit der Kreditvergabe auch an einkommensschwache Haushalte (Subprime-Kredite) und mit der hypothekarisch gesicherten Kreditvergabe für andere als Wohnkonsumzwecke das Kreditwachstum zusätzlich angeheizt. Im Zeitraum 1999 bis 2007 sind die Wohnungskreditbestände in den meisten untersuchten Ländern um mehr als 10% pro Jahr angewachsen. In Irland, Spanien, Schweden, Italien und Griechenland lag das Wachstum der Kredite für Hauskauf sogar über 15% pro Jahr. In Italien und Griechenland startete das Wachstum allerdings auf sehr niedrigem Niveau.

Verstärkende Wechselwirkung

3. Kreditwachstum und Realeinkommenssteigerungen (in Irland im Durchschnitt über 10% pro Jahr zwischen 1995 und 2007) haben zu einer massiven Nachfragesteigerung auf einigen Wohnungsmärkten geführt. Zusätzlich haben sich auch Anleger, vor allem nach der New Economy Krise, verstärkt im Immobilienmarkt engagiert. Die Folge waren verbreitet starke Hauspreissteigerungen trotz massiver Wohnbautätigkeit in vielen Ländern. Zudem gab es zwischen Kreditwachstum und Hauspreiswachstum eine sich gegenseitig verstärkende Wechselwirkung.

Der Zusammenbruch

4. Die in den Jahren 2005 und 2006 einsetzenden Zinssteigerungen haben zuerst die Blase in den USA platzen lassen. Die Subprime-Kreditnehmer hatten zunehmend Schwierigkeiten, die Kredite zu bedienen und die Kreditgeber, vor allem aus dem Bereich der Securitisation, griffen sofort schonungslos zum Instrument der Zwangsvollstreckung. Der starke Anstieg der Zwangsvollstreckungen in kurzer Zeit hat wesentlich zum Verfall der Häuserpreise in den USA beigetragen. In den USA wird gegenwärtig intensiv über eine mögliche Änderungen der Praktiken nachgedacht, insbesondere über Alternativen zur Zwangsvollstreckung. In Europa sind die Häuserpreise vor allem in jenen Ländern stark eingebrochen, in denen die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung mit Wohnungskrediten sehr hoch war. In Irland und Spanien hat der Verfall der Häuserpreise zu einem drastischen Einbruch der Wohnbauinvestitionen geführt. Aber auch in Griechenland, Großbritannien, Schweden, Dänemark und Finnland sind die Wohnbauinvestitionen nach 2007 sehr stark gesunken. Nicht in allen Ländern war dieser Rückgang die Folge von Überproduktion, in den meisten war er Ausdruck einer Kreditkrise.

System der Wohnbaufinanzierung

5. Ausmaß und Verlauf einer Kreditkrise am Wohnungsmarkt hängen stark zusammen mit dem System der Wohnbaufinanzierung und dem Refinanzierungsregime der Banken. Systeme, in denen stärker auf langfristige Instrumente (Fixzinskredite Covered Bonds) und stabile Kunden-Banken-Beziehungen gesetzt wurde, haben die Krise besser überstanden. Dazu zählen neben Deutschland auch Belgien, die Niederlande, Frankreich und Italien. Auch Österreich hat keine Krise auf den Wohnungsmärkten erlebt. Zum Teil trug dazu das auf Nachhaltigkeit ausgerichtete System der Wohnbauförderung bei, zum Teil das im Vergleich zu anderen Ländern weniger aggressive Verhalten der Kreditgeber. Es gab und gibt hier kein Subprime-Segment in Ausmaßen wie in anderen Ländern. Anzumerken bleibt aber, dass in Österreich der Anteil variabel verzinster Kredite im Gesamtfinanzierungsvolumen schon vor der Krise stark angestiegen ist. Auch der Anteil von Fremdwährungskrediten in der Wohnraumfinanzierung ist im internationalen Vergleich schon seit langem sehr hoch. Österreich hat vor allem auch davon profitiert, dass Ende der 1990er Jahre ein starker Wohnbauzyklus ausgelaufen ist. Die hier entstandenen Wohnungsreserven haben lange Zeit vor allem in den stark wachsenden Großstadtregionen Preis stabilisierend gewirkt. Seit 2005 steigen die Eigentumspreise, vor allem in Wien und anderen Großstadtregionen, entgegen dem breiten europäischen Trend. Das gibt Anlass, die Verschuldungsposition der Haushalte stärker im Auge zu behalten.

Stabilisierender Faktor in Österreich

6. Ein wichtiger stabilisierender Faktor in Österreich war und ist der hohe Anteil des Mietensektors. Vor allem der sehr hohe Anteil von Sozialwohnungen in Kombination mit starker Mietenregulierung in diesem Segment wirkt stabilisierend auf die Mieten- und damit auf die Preisentwicklungen im Wohnungssektor insgesamt. Wie wichtig ein ausreichend großer Mietensektor ist, zeigt sich auch daran, dass sich im Zeitraum 1995 bis 2007 die Mieten im europäischen Durchschnitt weitgehend im Einklang mit dem BIP (und den Einkommen) entwickelt haben, während die Häuserpreise den Einkommen regelrecht davon gelaufen sind. In vielen Ländern war diese Entwicklung ungesund, wie wir jetzt wissen.

Massive Probleme auf der Angebotsseite

7. Zuletzt ist noch auf einen weiteren wichtigen Faktor hinzuweisen. In einigen Ländern gibt und gab es massive Probleme auf der Angebotsseite des Wohnungsmarktes in Form von langen Bauzeiten, mangelndem Baulandangebot und zum Teil hohen Baukosten, verursacht durch Grünland- und Naturschutz, strategisches Verhalten von Gemeinden, Bauvorschriften und mangelndem Wettbewerb im Bausektor. Es könnte sein, dass solcher Art Probleme in den Niederlanden, Frankreich und Schweden mitgeholfen haben, das durchschnittliche Preisniveau während der Krise zu stabilisieren. In den ausgesprochenen Boom-Bust-Ländern Irland, Spanien und Dänemark ist das Wohnungsangebot parallel zu den Preissteigerungen bis 2007 ganz massiv ausgeweitet worden. In diesen Ländern gab es keine Angebotsprobleme, im Gegenteil, es kam zum Teil zu erheblichen Fehlinvestitionen.

Das wirft die Frage auf, ob ein inflexibles Angebot kurzfristig auch zu gesamtwirtschaftlicher Stabilisierung beitragen kann, weil es Preiseinbrüche und negative Vermögenseffekte verhindern oder mildern kann. In Großbritannien, auch ein Land mit massiven Angebotsproblemen, war dies allerdings nicht der Fall. Und schließlich darf man nicht übersehen, dass (regionale) Verknappungen im Wohnungsangebot soziale Probleme verursachen können und sich mittel- bis langfristig auf die Allokation am Arbeitsmarkt und damit auch auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung negativ auswirken. Manche der Hemmnisse sind wünschenswert, beispielsweise aus umweltpolitischen Gründen, deren Preis (in Form von Wirkungen auf dem Wohnungsmarkt und darüber hinaus) sollte aber nicht übersehen und die Vor- und Nachteile solcher Maßnahmen abgewogen werden.

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Geschrieben von:

Robert Wieser

Mag. Dr. Robert Wieser ist Wirtschaftsforscher unter anderem mit den Forschungsschwerpunkten Boden- und Immobilienökonomie, Infrastrukturökonomie und –politik, Regionalökonomie, Stadtforschung oder Innovationen.

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  • Erschienen am:
    27.02.2012
  • um:
    10:09
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