Oftmals ist es auch ein Segen, wenn eine Stadt bei Entwicklungen nicht gleich von Anfang an dabei ist. So war es etwa in Wien. Der Stadt blieb nämlich das Problem von monopolaren Standorten erspart. Das erste private Stadtquartier mit dem Business Park Vienna entstand Anfang der 90er-Jahre. Da hatten sich in europäischen Metropolen schon längst monotone Bürocluster entwickelt, die heutzutage gar nicht mehr in das Bild einer lebenswerten Stadt passen.
Alte Bausünden
Europaweit wird in zahlreichen Metropolen viel Geld in die Hand genommen, um diesen Wahnsinn wieder auf ein normales Niveau zurückzubringen. Denn mittlerweile geht es um die Durchmischung der Standorte. Und da sind die einstigen monotonen Büroviertel in Paris, London oder Madrid nicht mehr gefragt. Derzeit arbeitet man diese Bausünden ab. Und das ist gut so.
Die nächsten Umbrüche
Wir stehen nämlich in den großen Metropolen dieser Welt vor den nächsten Umbrüchen. Jetzt ist Wien ebenfalls vorne mit dabei. Mittlerweile ist es nämlich nicht mehr nur das Stadtviertel an sich, das abwechslungsreich und durchwachsen gestaltet sein soll, sondern es geht um die einzelnen Immobilien. „Solitäre Hochhäuser in monofunktionellen Gebieten sind nicht empfehlenswert“, findet der Architekt Kees Christiaanse, Gründer des Büros KCAP Architects & Planners.
Neue Misch- und Unterformen
Die traditionelle Einteilung des Marktes in wenige große Assetklassen (Büro, Wohnen, Einzelhandel, Hotel, Logistik) wird zunehmend durch eine Vielzahl von Misch- und Unterformen ergänzt. Im Zuge dieser Entwicklung tauchen neue Immobilien auf, die wir vor Jahren noch gar nicht gekannt haben. Teils aus Notwendigkeit, teils aus Sinnhaftigkeit werden die verschiedenen „Assetklassen“ vermischt, zusammengeführt, ergänzt. Hotel trifft auf Büro, Supermarkt auf Wohnen, Lagerabteile auf Supermärkte oder Büro auf Wohnen. Wir stehen erst am Beginn eines Megatrends. So viel lässt sich jetzt schon sagen.
Die Immobilie reagiert auf die Gesellschaft
Lahcen Knapp, CEO der deutschen Empira-Gruppe: „Die Menschen haben ihre Gewohnheiten geändert. Früher hat man 40 Jahre in einem Betrieb gearbeitet und praktisch sein Leben lang in ein und derselben Stadt verbracht.“ Das ist jetzt anders, es ist schnelllebiger geworden, Beruf und Stadt werden gewechselt. Die Immobilie hat darauf zu reagieren, dass sich die Gesellschaft verändert und damit der Bedarf.
Learning by doing
Noch sind die Unternehmen am „Probieren“. Hier wird sozusagen am lebenden Objekt geforscht. Learning by doing. Henning Koch, Leiter des Bereichs Transactions bei der deutschen Commerz Real: „Es sollen und werden in den Städten Plätze entstehen, in denen sich die Menschen 24 Stunden aufhalten können.“ Das, was Frank Sinatra einst in seinem Song „New York“ einer Stadt attestierte – nämlich, dass sie niemals schläft –, das soll jetzt auch für einzelne Gebäude gelten. Das funktioniert natürlich nur, wenn es zusätzlich ein entsprechendes Angebot innerhalb des Gebäudes gibt, damit das auch möglich ist.
Infrastruktur im Haus
Beim 2018 erworbenen DC Tower 2 in der Donaucity wird man diesen Trend aufgreifen und mit Service verstärken: „Der DC Tower wird ein Flagship-Modell mit Service-Charakter.“ Unter Service versteht Koch, dass „die Menschen, die in Hochhäusern wohnen und arbeiten, auch eine gute Infrastruktur vorfinden wollen.“ Concierge-Services, Bars, Restaurants, Fitness-Studio, Salon mit Bibliothek, Eventküche und andere infrastrukturelle Einrichtungen für das tägliche Leben sind hier denkbar. Oder vielleicht einmal ein Vortrag oder ein Seminar für die Mieter? Egal, ob sie hier wohnen oder arbeiten.
Kommunikation zählt
Ein am Standort angesiedeltes „Blue-Chip Unternehmen“ kann allerdings genauso ein Service sein, wenn es zusätzlich Büromöglichkeiten für Start-ups und Coworking-Spaces gibt und sich daraus Synergien zwischen den Unternehmen entwickeln. „Wir halten das für eine sehr interessante Kombination für alle Beteiligten“, so Koch. Diese Kombinationen sind in Deutschland und Österreich noch nicht ausgereizt. In den USA mieten Unternehmen Büroflächen an und im selben Gebäude auch gleich Wohnungen für ihre Mitarbeiter. Martijn Roordink, CEO und Co-Founder von Spaces, einem Anbieter von Coworking-Plätzen: „Es geht um verschiedene Dinge: die Location, das Design, die Menschen, die Tatsache, dass man andere Unternehmen vorfindet, dass man guten Kaffee trinken will und sich dabei auch von Seminaren und Veranstaltungen inspirieren lassen kann.“
Arbeitsimmobilie anders gesehen
Durch diese hybriden Gebäude entstehen allerdings einige neue Herausforderungen: Investment, Bewirtschaftung und „Bespielung“. „Solche Anforderungen stehen allerdings in diametralem Gegensatz zu den Sicherheitsbedürfnissen von institutionellen Investoren“, so Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult: „Die Projekte werden zu „Arbeitsimmobilien“. Das heißt, sie müssen laufend bewirtschaftet und vor allem bespielt werden, um für Nutzer weiterhin attraktiv zu sein. Vergleichbar mit einem Shoppingcenter, wenn auch nur in wesentlich geringerem Umfang. Allerdings mit einer großen neuen Herausforderung.
„Im Fall gemischter Nutzungen innerhalb eines Gebäudekörpers gilt es jedenfalls den Produktanforderungen des Investors gerecht zu werden, indem der geringere Grad an Homogenität durch intelligente, synergetische Konzepte kompensiert wird“, so Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der ARE. Diese Kriterien zu erkennen und entsprechend umzusetzen führt zu einer nachhaltigen Verbesserung der Qualität einer Immobilie, zu einer kontinuierlichen Auslastung und letztlich zu einem besseren Ertrag. Eine klassische Win-win-Situation.
Was ist eine gemischte Immobilie wert?
„Ich glaube, in Zukunft werden wir die Immobilie viel stärker als Dienstleistungsobjekt verstehen müssen“, meint Peter Schreppel, Head of International Investment bei CB Richard Ellis. Damit erschließen sich aber komplett neue „Bewertungspunkte“ der Immobilie. „Wenn eine Immobilie ein Dienstleistungsobjekt ist, dann zählen eben nicht mehr nur die Fassade und die Etagen“, so Schreppel. Nicht nur Flächeneffizienz, Ökologie, gute Mieterträge, eine erfahrene Hausverwaltung und ein gutes Service-Team beeinflussen den Wert des Gebäudes, sondern eben auch, wie stimmig die Community in sich ist. In den USA gibt es diesen neuen Zugang zu Gebäuden schon, und die Bewertung wird sich sicherlich anpassen.
Die Rückkehr des „Hausmeisters“
Apropos anpassen. Da ist er wieder. Der Hausmeister. Er wird nicht mehr an die Türe klopfen und den Zins einfordern oder die Kinder aus dem Hof „stampern“. Er wird ein freundlicher Mitarbeiter sein. Ein Wegbegleiter oder eine Wegbegleiterin der Personen in der Immobilien-Community. Reichte es vor 50 Jahren aus, einfache Rechenaufgaben zu bewältigen und eine laute Stimme zu haben, so wird heute die soziale Kompetenz geschätzt. Eine Fähigkeit, die man früher im Blut hatte oder nicht. Jetzt wird sie geschult. Hier eröffnen sich komplett neue Berufszweige. Zukunftsforscher wie Onno Strathern sprechen auch gern von Community-Managern statt Generalmanagern, welche die Häuser künftig leiten könnten.
Der Community-Manager
„Community-Manager“ ist ein Zukunftsberuf für Männer oder Frauen – Ansprechperson, Kommunikator, Vermittler, Organisator. Mit den Fähigkeiten des Community-Managers wird sehr stark verbunden sein, ob eine Immobilie auch „funktioniert“ – und das hat sehr viel mit ihrem Wert zu tun. Speziell für Investoren, denn die „suchen nach Mischnutzung. Das ist ein Trend der Zukunft“, meint Henning Koch. Er muss es wissen, denn die Commerz Real hat 31 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen.
Urlaub, Freizeit, Wohnen oder Arbeit?
Das klassische Hotel am Meeresstrand wird uns wohl erhalten bleiben, aber in den Städten weht schon ein ganz anderer Wind: nämlich jener der Veränderung. Urlaub, Freizeit, Wohnen oder Arbeit? Man weiß es nicht, aber die Idee kommt an. Auf dem Wohnungsmarkt der Metropolen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören temporäre Wohnmodelle wie Serviced Apartments zu den größten Wachstumssegmenten. Es gibt durchdachte Konzepte, aber kein starres Korsett. Individualität und Kleinteiligkeit sind vor allem bei der jüngeren Generation up to date. Die Apartment-Industrie entwickelt immer neue Konzepte und spricht damit unterschiedliche Zielgruppen an. In den vergangenen Jahren hat sich das „Apartment-Wohnen“ erst einmal in unseren Breiten etabliert, jetzt kommen die unterschiedlichen Ausformungen.
Das Hotel als Lebensmittelpunkt
Die Apartmentkonzepte sind so vielfältig wie die Unternehmen, die sie anbieten. In einer unabsehbaren Dynamik taucht eine nie dagewesene Markenvielfalt auf. „Die einst starren Grenzen zwischen Serviced Apartments, Wohnwirtschaft und Hotellerie haben sich aufgelöst“, erklärt Anett Gregorius, Gründerin und Inhaberin von Apartmentservice. Aus dem „klassischen“ Hotel, das man im Urlaub besuchte, wird eine komplett neue Wohnform. Im Vienna House R.evo können Gäste oder Bewohner für eine Nacht, mehrere Monate oder auch nur für einen halben Arbeitstag einchecken. Sie haben die Wahl zwischen Hotelzimmern, komplett ausgestatteten Studios und sogenannten Friends- oder Family-Rooms, wo alle zusammen und dennoch mit viel Privatsphäre übernachten oder sich einfach einen Arbeitsplatz mieten können.
Neue Wohnformen für die Zukunft
„Auf diese Weise entsteht eine kreative Mixed Use von Konzepten und Zielgruppen. Der Community-Gedanke erfindet sich neu“, erklärt Anett Gregorius von Apartmentservice. „Wo Serviced-Apartment-Konzepte bestens ohne klassische Hotellobbys funktionieren, sind stattdessen vielerorts neue, flexible Community-Spaces wie Social Kitchens und Games Areas entstanden.“
Es könnte durchaus sein, dass diese neuen Konzepte bereits das Wohnen der Zukunft abbilden. Denn was in der Serviced-Apartment-Welt seine Berechtigung hat, das kann durchaus auch in die weite Welt des Wohnens expandiert werden. Allerdings nur beschränkt. Denn wo ein Hotel funktioniert, muss nicht ein idealer Wohnort sein. Das aus modularen Holzboxen bestehende Hotel „Skypark“ in Berlin auf dem Dach eines Parkhauses ist seit März Realität. Und klein ist es mit 150 Zimmern auch nicht. Als Blaupause für ein Wohnprojekt wird es allerdings nicht dienen, denn der „Unterbau“ ist nicht ideal.
Was lässt sich kombinieren?
Derzeit sind die Unternehmen am Austesten, welche Kombinationen machbar sind. Wobei einige Dinge doch an der „Logistik“ scheitern, im wahrsten Sinne des Wortes. Selfstorage – also Lagerräume für Privatpersonen – werden zwar in den Städten unbedingt benötigt, wo die Wohnungen immer kleiner werden, aber direkt am Wohnraum geht das dann doch nicht. Denn es ist ein Unterschied, ob es in einem Haus mit 30 Wohnungen 30 Kellerabteile gibt oder gleich 100 Storageplätze, die faktisch 24 Stunden für alle zugänglich sein sollen, auch für hausfremde Personen.
Sonst sind aber Storageprodukte eine ideale Beimischung. Der Geschäftsführer und Gründer von MyPlace, Martin Gerhardus: „Das Miteinander belebt den Standort. Im Gegensatz zu anderen Anbietern begrüßen wir es, wenn Untermieter, wie etwa Supermärkte, Cafés, Bäckereien oder Apotheken, in unserem Selfstorage-Lager eingemietet sind.“ In der Schweiz hat MyPlace mit der Handelskette Lidl gemeinsam ein Projekt entwickelt, in dem es unten den Supermarkt gibt und oben Selfstorage-Lagerabteile. Auch in Leipzig ist mit der deutschen Handelskette ein ähnliches Projekt geplant. Gerhardus: „Das wird auch von der Stadtverwaltung nicht ungern gesehen, da wir verdichten und mit unseren Flächen nicht an die Peripherie gehen.“
Supermarkt mit Haus
Verdichtung im städtischen Raum ist immer ein Thema, und daher ist auch die Kombination von Supermarkt und Wohnen definitiv keine wirkliche Neuerung mehr. Schon in den 60er- und 70er-Jahren wurden in den Erdgeschoßen der Wohnblöcke Einkaufsflächen eingeplant. Der Unterschied zu früher: Sie sind jetzt größer. Das freut die Käufer, aber für jeden Anrainer, der in der Früh von den Lieferanten geweckt wird, ist es ein Ärgernis. Trotzdem sind diese Verbindungen aufgrund der Verdichtung in den Städten ein Muss, und es werden Lösungen gesucht. Martin Leinemann, Geschäftsführer der deutschen Arbireo Capital: „Das sind Projekte, denen wir uns gerne widmen. Wir waren bei den ersten Überlegungen und Konzepten von Aldi Ideengeber und Vorreiter. Prinzipiell braucht man einen Bestand, der sich baulich dafür eignet. Gegebenenfalls muss man abreißen und neu bauen, wenn es statisch nicht möglich ist.“ Das Konzept für die Supermärkte kommt Wohnen, betreutem Wohnen oder Hotels sehr entgegen. Allerdings gibt es auch Grenzen.
Luxusvilla auf dem Supermarkt
„Machen wir uns nichts vor: Niemand baut seine Traumvilla freiwillig auf einem Supermarktdach“, meinte Stephan Koof, Bereichsleiter Expansion Handel bei der Rewe Group: „Notwendig sind solche Projekte in erster Linie in größeren Städten und Großstädten mit Nachfrageüberhang beim Wohnraum.“ Womit aber für Koof eben nicht die Standard-Dreizimmerwohnung gemeint ist, sondern „alternative Wohnformen wie Studentenapartments, Hotels bis hin zu Seniorenheimen oder Anlagen für Betreutes Wohnen – abhängig vom Standort. Koof: „Die Motivation für derartige Projekte ist nicht selten in baurechtlichen Restriktionen zu finden, die großflächige Märkte in städtischen Lagen erschweren.“ Durch den Überbau mit Wohnungen entsteht eine Win-win-Situation für die Kommune, den Wohnungsbauträger und die Handelskette.
Die Zwangsehe
Eine Zwangsehe gehen die Shoppingcenter mittlerweile mit ihrem stärksten Konkurrenten, dem Onlinehandel, ein. Derjenige, der für den Rückgang der Mietnachfrage nach Einzelhandelsflächen verantwortlich ist, sucht jetzt selbst ebendort. Fakt ist, dass Amazon und Zalando in großen deutschen Städten bereits Einzelhandelsflächen anmieten: als Abholstationen für bestellte Ware, aber noch viel mehr auch, um die Retourwaren in Outlets zu verkaufen. „Das scheint gut zu funktionieren, denn innerhalb der letzten Zeit haben rund zehn Zalando-Outlets aufgemacht“, so Lahcen Knapp. Die Bewältigung der zurückgesendeten Waren ist ein Problem – so kann eine Verwertung erfolgen. Damit aber noch nicht genug, denn für die Logistik, speziell die Versorgung der „letzten Meile“, muss sowieso noch ein Plätzchen gefunden werden. Ideal wären hier – vor allem innerstädtisch – Areale der nicht mehr benötigten Handelsflächen, weil sie der Online-Konkurrenz zum Opfer fielen. Eine definitiv sehr spezielle Situation, mit der die Immobilienwirtschaft in den kommenden beschäftigt sein wird.
Stadt und Natur
Die Verbindung von Assetklassen untereinander ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Unibail-Rodamco Westfield hat im Juni 2018 die erste Urban Farm auf dem Dach eines Shoppingcenters nordwestlich von Paris eröffnet. Die dort geernteten Produkte werden in einem Pop-up-Store im Shoppingcenter direkt an die Kunden verkauft. Jetzt möchte man die Biofarm von 270 auf 600 Quadratmeter vergrößern, denn seit der Eröffnung hat man über eine Tonne Lebensmittel produziert: Tomaten, Minze, Erdbeeren und Paprika.
Blick in die Zukunft
Was die Zukunft betrifft, so ist wohl die Aussage von Henning Koch bezeichnend: „Es gibt nichts, was es nicht geben kann. Vor zehn Jahren hätte niemand gedacht, dass es in Bürohäusern auch Wohnungen gibt und dass diese Kombination von Mietern und Investoren nachgefragt wird.“ Für Peter Schreppel werden „Immobilien eine Art Work-Life-and- Entertainment-Thematik bekommen. Viel mehr noch, als es jetzt der Fall ist.“ Vielleicht zerlegt man die Assetklassen in den nächsten Jahren und fügt sie je nach Bedarf in ein Projekt ein? Dazu müssten dann aber die Projekte auch so konzipiert sein, dass sie verschieden nutzbar sind, und so stellt sich die Frage: Wie bauen wir in der Zukunft, damit die Projekte in sich flexibel sind?
Der Artikel erschien im Kundenmagazin “CHECK” der Simacek Firmengruppe.