An mehreren Stellen wachsen die Stressfaktoren, die den seit sieben Jahren anhaltenden Verkäufermarkt in einen Käufermarkt umkehren werden. Die Preiskorrektur ist bereits sichtbar: „Seit 2021 sind die Anfangsrenditen um 50 bis 75 Basispunkte gestiegen und wir erwarten, dass sie sich im Laufe des kommenden Jahres um weitere 25 bis 75 Basispunkte erhöhen,“ schreiben die Experten von Nuveen Real Estate in einem aktuellen Kommentar.
„Die Vermietungsmärkte werden infolge der sich anbahnenden Rezession 2023 unter Druck geraten. Allerdings dürfte dieser nicht annährend die Dimensionen erreichen, wie es in den Jahren nach der globalen Finanzkrise der Fall war.“ Projektentwickler haben dieses Mal eine deutlich stärkere Angebotsdisziplin bewiesen. Mit Strategien, die auf die attraktivsten Standorte und Nutzungsarten in Europa ausgerichtet sind, können Investoren Kurs halten. Diese Investitionen werden von langfristigen technologischen und demografischen Megatrends angetrieben, die weder von der Zinswende noch von der Rezession beeinträchtigt werden sollten.
Seit dem Höchststand der europäischen Investitionsmärkte im Januar 2022 sind die Inflationsraten infolge der Pandemie, der überhitzten US-Konjunktur sowie der Energiekrise kräftig gestiegen. Die Zentralbanken haben daraufhin reagiert, indem sie das seit fast einem Jahrzehnt herrschende Rekord-Zinstief im Eiltempo anhoben. Die hohe Inflation, die schmerzhaften Preissteigerungen bei fossilen Brennstoffen und weitere Zinsschritte könnten somit zu Rezessionen in nahezu allen europäischen Ländern führen. Dieses veränderte makroökonomische Umfeld treibt eine weitreichende Neuordnung der europäischen Immobilienmärkte voran.
„Anleger können sich auf attraktive 12 bis 15 Monaten für Neuanlagen freuen,“ heißt es bei Nuveen. Die seit Anfang 2022 andauernden Veränderungen im Markt kommen einer vollständigen Neuordnung des Umfelds gleich, in dem sich die Investoren seit dem Abflauen der Eurokrise bewegt hatten. Zwischen 2016 und Anfang 2021 lagen die fünfjährigen Euro-Swaps im Schnitt bei zwei Basispunkten, ehe sie bis November 2022 sprunghaft auf 300 Basispunkte anstiegen. „Es bauen sich also finanzielle Spannungen auf, während Immobilien-Aktienindizes sowie Finanzierungskosten darauf hindeuten, dass viele Immobilieninvestoren in den kommenden zwölf bis 15 Monaten unter Zugzwang geraten könnten. Denn die Flut der extrem niedrigen Zinsen hat alle Boote schwimmen lassen, auch solche, die nicht seetüchtig waren.“ Im letzten Konjunkturabschwung kamen Zinssenkungen der Notenbanken den Immobilieninvestoren zu Hilfe, doch das wird wahrscheinlich im Jahr 2023 nicht der Fall sein. „Ganz im Gegenteil: Eigenkapitalinvestoren werden sich künftig in einer gestärkten Position befinden, um attraktive Objekte zu ihren Bedingungen auszuwählen“, heißt es bei Nuveen.
Die Wertverluste könnten sich ausgehend von historisch niedrigen Renditen als drastisch erweisen. „Wir rechnen mit einem Preisrückgang von 20 bis 50 Prozent – Bewertungen sind weniger volatil – je nach lokalen Marktgegebenheiten, Fundamentaldaten des Sektors und der Objektqualität. Im oberen Bereich der Risikokurve, zum Beispiel bei Projektentwicklungen oder Objekten mit problematischen ESG-Aspekten, wird die Korrektur deutlich gravierender ausfallen als am risikoarmen Ende des Spektrums von Spitzenobjekten mit langfristigen Mietverträgen.“
Das günstige Zeitfenster könnte sich jedoch schnell wieder schließen. Europa steht vor demografischen Herausforderungen, die den Kontinent mittelfristig bei vergleichsweise schwachen Wirtschaftswachstumsraten und damit bei vergleichsweise historisch niedrigen Zinsen verharren lassen werden. „Wir glauben daher, dass die Phase hoher Zinsen nur von kurzer Dauer sein und bereits im Jahr 2024 wieder langsam abklingen wird. Daraus folgt, dass auch die höheren Immobilienanfangsrenditen nur eine vorübergehende Erscheinung sein sollten,“ so die Experten von Nuveen.
Diese zuversichtliche Einschätzung stützt sich auf die Erwartung einer verhältnismäßig milden Rezession, zumal sich die europäische Wirtschaft in einer starken Ausgangslage befindet. Die Arbeitslosenquote liegt auf einem Rekordtief, es herrscht ein Investitionsboom bei der Energieversorgung und die umfassende Einführung einer Vielzahl technologischer Innovationen steht kurz bevor. „Damit dürften sich die tatsächlichen Marktspannungen auf die kommenden zwölf bis 15 Monate beschränken. Bärenmärkte im Immobiliensektor sind in der Regel von kurzer Dauer, fallen dafür oftmals heftig aus. Zwar ist nach einer Beruhigung des Marktes ab 2024 daher nicht mit einem erneuten Preisanstieg auf die Höchststände aus dem Jahr 2021 zu rechnen. Allerdings dürften sich die Preise nach dem „Markt-Reset“ in den Jahren 2022/23 durchaus gut erholen“, heißt es in dem Bericht von Nuveen Real Estate.
Wie bei allen Assetklassen stehen auch Immobilien schwierige Zeiten bevor. Trotzdem steuern die Märkte nicht auf einen dauerhaften Zusammenbruch zu, und nichts deutet nach Auffassung von Nuveen darauf hin, dass sich Anleger lange von Immobilien abwenden werden.