Die Fertighausbranche blickt auf harte Jahre zurück: 2024 verzeichnete der Markt in Österreich einen Rückgang um über 30 % – auch für 2025 wird ein weiterer Rückgang erwartet. Nachfrageverschiebung durch demografischen Wandel und hohe Zinsen haben die Branche unter Druck gesetzt. Gleichzeitig ist die Zahl der Baubewilligungen 2024 auf nur 32.100 gefallen – der niedrigste Stand seit dem Jahr 2010.
Trotzdem gibt es berechtigten Optimismus: Mit der Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank und dem geplanten Auslaufen der KIM-Verordnung im Juni 2025, die bislang viele Kreditvergaben gebremst hat, könnten Baufinanzierungen wieder leistbarer werden – insbesondere für junge Familien und Erstkäufer. „Für die Fertighausbranche ist das ein wichtiges Signal – aber kein Freifahrtschein. Der Aufholbedarf bleibt enorm“, warnt Daniel Knuchel, Equity Partner bei Advicum Consulting.
Urbanisierung statt Landflucht: Kehrt sich der Trend um?
Die Zeit der „neuen Landflucht“, der auch die Fertighausindustrie beflügelte, scheint vorerst vorbei. Der Trend zum Wohnen im Grünen, der sich durch die Pandemie stark verstärkt hatte, verliert an Dynamik. Gleichzeitig steigt der Urbanisierungsgrad in Österreich – von 59,5 % im Jahr 2023 auf 65,5 % bis 2050. Auch die teilweise eingesetzte Rückkehrpflicht ins Büro wirkt sich aus: Der Anteil der Homeoffice-Nutzer ist in Österreich von 82 % auf 65 % gesunken. „Stadtnahe Wohnformen gewinnen wieder an Bedeutung – gleichzeitig relativiert sich der einstige Preisvorteil des Wohnens im Grünen zunehmend. Denn auch in ländlichen Regionen steigen die Immobilienpreise deutlich, was den finanziellen Anreiz gegenüber urbanen Lagen abschwächt“, betont Christian Murhammer, Geschäftsführer Österreichischer Fertighausverband.
Mit einem jährlichen Bevölkerungswachstum von +1,1 % und rund 43.800 neuen Wohneinheiten bleibt Wien der Hotspot des Wohnbaus. „Der Markt wird zunehmend städtisch – nicht zuletzt durch die hohe Arbeitsplatzdichte und Infrastruktur“, so Daniel Knuchel. In Tirol und Vorarlberg hingegen wachsen auch ländliche Regionen weiter – dank hoher Lebensqualität und starker sozialer Verwurzelung. „Der Westen widersetzt sich der Urbanisierungswelle – dort entstehen stabile, alternative Wohnrealitäten“, erklärt Daniel Knuchel. Gleichzeitig verändert die Zinswende die Marktdynamik: Kredite werden schwerer leistbar, während das Angebot durch sinkende Neubautätigkeit weiter schrumpft – die Lücke zwischen Bedarf und Verfügbarkeit wächst.
Die “Silberne Gesellschaft” verändert den Markt
Mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung gewinnt die Zielgruppe der über 65-Jährigen immer mehr an Bedeutung – auch für die Fertighausbranche. Bereits heute leben rund 1,88 Millionen Menschen über 65 Jahre in Österreich, bis 2030 wird ein Anstieg auf über 2,17 Millionen erwartet. Damit steigt die Nachfrage nach altersgerechtem, barrierefreiem und betreutem Wohnen rasant. „Der Trend zum servicierten Wohnen schafft für Anbieter enorme Potenziale – vor allem bei modularen, flexibel anpassbaren Lösungen“, erklärt Daniel Knuchel.
Besonders die Best Ager, also Personen über 50, stellen dabei eine zunehmend relevante Zielgruppe dar: Sie haben klare Vorstellungen von Komfort, Sicherheit und Gestaltung – und bringen oft die finanziellen Mittel mit, um diese Ansprüche auch umzusetzen. Die Branche steht hier vor neuen Herausforderungen, etwa bei der Planung kleinerer, effizienter Wohneinheiten, die gleichzeitig Wohnqualität und Selbstständigkeit im Alter gewährleisten.
Zudem nimmt die Zahl der Ein- und Zwei-Personen-Haushalte stetig zu – der Bedarf an durchdachten Wohnkonzepten für kleinere Einheiten wächst spürbar. Das demografische Momentum zeigt klar: Wer früh auf diese Zielgruppe reagiert, sichert sich einen Vorsprung in einem wachsenden Marktsegment.
Premium konstant, Mittelklasse schrumpft: kostengünstige Wohnkonzepte für Kleinfamilien werden immer gefragter
Ein besonders alarmierender Befund der Advicum-Studie: Die soziale Schere am Wohnungsmarkt öffnet sich weiter. Während Premiumprojekte im oberen Segment konstant bleiben, gerät vor allem die Mittelschicht – lange Zeit die tragende Säule der Fertighausbranche – zunehmend unter Druck. Steigende Baukosten, hohe Lebenshaltungskosten und erschwerte Kreditvergaben engen den finanziellen Spielraum für viele Haushalte massiv ein. „Die klassische Zielgruppe, junge Familien mit mittlerem Einkommen, rückt immer weiter vom Traum vom Eigenheim ab – das ist längst kein Einzelschicksal mehr, sondern eine gesellschaftspolitische Herausforderung“, betont Daniel Knuchel.
Mit dem Rückgang der klassischen Mittelschicht schrumpft auch die wichtigste Käufergruppe der Fertighausbranche. Gefragt sind zunehmend kostengünstige, kompakte Wohnkonzepte, die vor allem Kleinfamilien wieder eine realistische Chance auf Eigentum bieten. Auch einkommensschwächere Haushalte, obwohl häufig in stabilen Beschäftigungsverhältnissen, scheitern oft an rigiden Kreditvorgaben. Gleichzeitig entwickelt sich das Premiumsegment zu einem Nischenmarkt hochindividualisierter Projekte – mit zunehmender Planungs- und Preisunsicherheit. Umso wichtiger sei es, so Advicum Consulting, innovative Wohnlösungen zu schaffen, die modular, effizient und vor allem leistbar bleiben – und damit wieder breitere Zielgruppen erreichen.
Nachhaltigkeit verliert an Strahlkraft - Renovierung rückt in den Fokus
Nachhaltigkeit bleibt zwar ein wichtiges Thema im Wohnbau, verliert angesichts hoher Baukosten, steigender Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheit jedoch spürbar an Priorität. Viele Bauherren treffen pragmatische Entscheidungen – ökologische Aspekte treten in den Hintergrund. Symbolisch dafür steht etwa die Abschwächung des EU-Lieferkettengesetzes.
Statt klassischem Neubau rücken Renovierung und multifunktionale Wohnkonzepte in den Fokus – kombiniert mit digitalen Innovationen wie Smart-Home-Systemen oder VR-gestützter Hausplanung. „Der Markt bewegt sich klar in Richtung flexibler, intelligenter Wohnlösungen. Wer hier früh handelt, sichert sich entscheidende Wettbewerbsvorteile“, so der Immobilienexperte abschließend.