Erstmals haben Vertreter der gewerblichen und gemeinnützigen Bauträger gemeinsam über die aktuelle Situation berichtet und der Politik ein Angebot gemacht, das Lösungen für die Lebensräume der Zukunft enthält. Unterstützung erhielten sie dabei von den Bausozialpartnern. Die Pressekonferenz im Presseclub Concordia wurde von VÖPE-Präsident Andreas Köttl, Klaus Baringer, Verbandsobmann der GBV, Peter Krammer, Obmann des Fachverbands der Bauindustrie und Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft BAU-HOLZ abgehalten.
Das Wohnbaupaket der Bundesregierung wurde dabei von allen ausdrücklich begrüßt, doch ginge die Umsetzung nur schleppend voran. Was es daher jetzt brauche, um ins Handeln im Interesse der Bevölkerung zu kommen, wäre ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen, eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft.
Zahlen und Fakten zu Baugenehmigungen, Bauleistung, Auftragslage und Arbeitsmarktsituation
Stark gestiegene Bodenpreise, hohe Baupreise und gestiegene Kapitalmarktzinsen bremsen die Immobilien- und Bauwirtschaft aktuell. Wurden 2019 vor Corona noch rund 85.000 Baugenehmigungen erteilt, so war für 2023 ein Rückgang auf nur mehr rund 47.000 Genehmigungen zu beobachten (Quelle: Statistik Austria, Baumaßnahmen). Dazu kommt, dass viele genehmigte Bauprojekte zurzeit „on-hold“ sind und nicht begonnen werden.
Auch die Zahlen der gemeinnützigen Wohnbauträger sprechen eine deutliche Sprache: Wurden 2023 noch 14.900 Wohnungen fertiggestellt (diese Bauleistung lag bereits 10 % unter dem 10-Jahres-Schnitt), so werden 2024 14.100 Fertigstellungen erwartet. 2025 dann eine Bauleistung von nur mehr 10.000 bis 11.000 Wohnungen.
VÖPE-Präsident Andreas Köttl appellierte an die Politik, dass diese heute handeln müsse, damit die Menschen morgen wohnen könnten. „Oft wird unterschätzt, was für eine Vorlaufzeit wir bei den Projekten haben. Jede Wohnung, die heute nicht geplant wird, wird uns in drei bis fünf Jahren fehlen. Wesentlich für unser Arbeiten sind die Beschleunigung von Verfahren, eine Reduktion von Bürokratie und die Attraktivierung von klimagerechtem Bauen und Sanieren. Dabei ist es unerheblich, welche Rechtsform ein Bauträger aufweist. Denn zeitgemäße Entwicklungsprojekte, wie nachhaltige Quartiere, entstehen aus der Kooperation zwischen gemeinnützigen und gewerblichen Entwicklern und der öffentlichen Hand.“
GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer betonte, dass die gemeinnützigen Bauvereinigungen ein wesentlicher Hebel bei der Problembewältigung sein können. „Wir brauchen aber dringend nachhaltige Maßnahmen, beispielsweise in Sachen Wohnbauförderung. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt lagen wir Anfang der 1990er Jahre bei 1,4 % des Bruttoinlandsproduktes, aktuell stehen wir nur mehr bei 0,4 % des Bruttoinlandsproduktes. Eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung ist daher das Gebot der Stunde.“
Peter Krammer, Obmann Fachverband der Bauindustrie zeigt die in der Baubranche schon seit längerem alarmierende Entwicklung im Bereich des leistbaren Wohnens auf. „Der Wohnbausektor erlebt derzeit den stärksten Einbruch seit mehreren Jahrzehnten. Die aktuelle Prognose des WIFO für 2024 geht von einem realen Rückgang der Wohnbauinvestitionen um 5,8% aus. Sie sind auf dem niedrigsten Stand der letzten fünf Jahre. Diese Entwicklung spiegelt sich in rückläufigen Baugenehmigungen, Fertigstellungen und insgesamt reduziertem Bauvolumen wider. Auch das 2,2 Milliarden Euro umfassende ‚Wohn- und Baupaket‘ der Bundesregierung hat bisher nur marginale Verbesserungen bei der Kreditvergabe bewirkt. Auf den Baustellen – da, wo es primär wirken sollte – ist es nicht angekommen. Es bedarf einer koordinierten Anstrengung von Politik, Behörden und der Bauwirtschaft, um diese Herausforderungen zu bewältigen und langfristig eine ausgewogene Wohnraumversorgung sicherzustellen.“
Abg z. NR Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender Gewerkschaft BAU-HOLZ forderte Perspektiven ein: „Der Einbruch im Wohnbau und seine rückläufige Prognose gefährden nicht nur leistbares Wohnen in Österreich, sondern auch Tausende direkte Arbeitsplätze am Bau sowie in nachgelagerten Branchen. Die aktuelle Entwicklung im Wohnbau führt damit zu einer existenziellen Krise der Bauwirtschaft und ist darüber hinaus ein ernstes Problem in Hinblick auf den Wohnungsbedarf. Mit über 300.000 Beschäftigten insgesamt in der Bauwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen ist diese Situation für einen der wichtigsten Konjunkturbereiche mehr als nur alarmierend. Es geht hier um tausende Betroffene und ihre Familien, die ihre Arbeitsplätze verlieren und deren Existenz gefährdet ist.
Bis Ende Mai 2024 stieg die Zahl der arbeitslos Gemeldeten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,5 Prozent. Besonders alarmierend ist dabei der Anstieg in der Baubranche mit einem Plus von 19 Prozent. Mittlerweile haben wir allein am Bau knapp 10.000 gemeldete Arbeitnehmer bei der BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) weniger als im Vorjahr (142.031 zu 132.349) und die Tendenz der Beschäftigtenzahlen zeigt leider weiter deutlich nach unten.
Wir brauchen eine neue Perspektive für neue Strukturen. Was hilft es, wenn die Bundespolitik Geld bereitstellt, dieses aber nicht auf unseren Baustellen ankommt? Das zugesagte Geld muss vom ‚Papier in Wien‘ so schnell wie möglich auf den Baustellen in ganz Österreich ankommen – sowohl in der Sanierung als auch im bedarfsorientierten Wohnungsneubau. Wir brauchen keine leeren Versprechen und Überschriften, sondern durchführbare Lösungen. Nur durch gemeinsames Handeln können wir diese Krise bewältigen und einen positiven Wohnungsmarkt sichern!“
Bundespolitik soll Verantwortung übernehmen
Der letzte Minister, der das Portfolio „Bauten“ im Titel trug, war Heinrich Übleis in der Bundesregierung Vranitzky I bis 1987. Andreas Köttl: „Seither wird der Wohnbau im Bund stiefmütterlich behandelt und niemand fühlt sich letztverantwortlich. Aus unserer Sicht fehlt es an zwei wesentlichen Elementen: Der Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Wohnbau und Stadtentwicklung sowie der Vermittlung und Koordination zwischen der europäischen und nationalen Ebene. Wir stehen mit unserer Expertise gerne bereit, bei der Umsetzung mitzuwirken.“
Allianz aus Politik und Wirtschaft
Ermöglichen würde das auch eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft. Klaus Baringer: „Wir schlagen eine Allianz vor, in der Bund, Länder und Kommunen vertreten sind und auf Augenhöhe mit allen Branchenverbänden, Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten. In Deutschland ist etwas Vergleichbares bereits eingerichtet und nennt sich ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnraum‘.
Betont wurde, dass beginnend mit der Pressekonferenz ein Angebot der Praktiker an die Politik gemacht wird, im Sinne der Gesellschaft mitzuarbeiten. Nur ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen, eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft gewährleiste es, die Bau- und Immobilienbranche zu stärken, und so bezahlbaren Wohnraum in Österreich zu schaffen.