Zum Auftakt der Budgetberatungen im Parlament hielt der Budgetausschuss heute ein Expert:innenhearing ab. Der Budgetentwurf 2023 bis 2026 ist von den Auswirkungen der hohen Inflationsraten, der beschlossenen Maßnahmen zur Teuerungsentlastung und zur Bewältigung der Energiekrise sowie den steigenden Zinsen geprägt. Im Fokus der breitgefächerten Diskussion stand der Umgang mit der Inflation. Wichtig war den Abgeordneten neben der Entlastung der Haushalte von der hohen Inflation auch der sorgsame Umgang mit Steuergeldern und das Thema Klimaschutz. Kontrovers beurteilten die Expert:innen die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Bei künftigen Maßnahmen müsste die Treffsicherheit verbessert werden, kamen die Expert:innen Christoph Badelt (Wirtschaftsuniversität Wien), Martin Gundinger (Austrian Economics Center), Monika Köppl-Turyna (EcoAustria Institut für Wirtschaftsforschung), Markus Marterbauer (Arbeiterkammer Wien) und Margit Schratzenstaller-Altzinger (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) überein.
Badelt warnt vor budgetär schwierigeren Zeiten
Für 2023 sieht der Budgetentwurf Auszahlungen von 115,1 Mrd. € und Einzahlungen von 98,1 Mrd. € vor (1669 d.B.). Daraus ergibt sich im Jahr 2023 ein Defizit von 17,0 Mrd. €. Im Vergleich zu den Planungen für 2022 fällt der Anstieg der Einzahlungen mit +13,7 Mrd. € erheblich stärker aus als der mit +7,6 Mrd. € budgetierte Auszahlungsanstieg, analysierte der Budgetdienst des Parlaments. Mittelfristig soll der Nettofinanzierungssaldo bis 2026 zwar deutlich zurückgehen, mit -8,7 Mrd. € aber weiterhin klar negativ bleiben (Bundesfinanzrahmen 2023 bis 2026, 1670 d.B.).
Um auf die hohe Unsicherheit bei der Budgetierung rasch mit entsprechenden Maßnahmen reagieren zu können, sind im vorliegenden Budget umfangreiche Ermächtigungen von 9,0 Mrd. € für Stromkostenzuschüsse, Kompensationen energieintensiver Unternehmen, Gasversorgung und COVID-19-Hilfszahlungen vorgesehen. Laut Finanzministerium (BMF) wird das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit 2022 bei 3,5 % des BIP liegen und 2023 auf 2,9 % des BIP zurückgehen. Mittelfristig wird ein Rückgang des Defizits auf 1,6 % des BIP erwartet. Der gesamtstaatliche Schuldenstand werde infolge der erwarteten Budgetdefizite bis 2023 auf 367 Mrd. € und bis 2026 auf 394 Mrd. € steigen, zeigt die Analyse des Budgetdiensts des Parlaments. Da das nominelle BIP in diesem Zeitraum stärker anwächst als der Schuldenstand, sinkt die erwartete Schuldenquote dennoch von 82,3% des BIP im Jahr 2021 auf 72,5% des BIP im Jahr 2026.
Nach den derzeitigen Krisen werde die Konsolidierung der Staatsfinanzen schwierig, warnte Badelt vor den kommenden Finanzjahren. Vor der COVID-Pandemie seien Österreichs Finanzen gesichert gewesen. Nun warb der Experte für Mut beim Sparen, ohne die Qualität zu verschlechtern, um Spielräume für die nächsten Jahre zu schaffen. Österreich habe ein Ausgabenproblem, kein Einnahmeproblem, betonte Gerald Loacker (NEOS).
Auf internationaler Ebene stellte Badelt Österreich ein gutes Zeugnis aus. Allerdings befinde sich Österreich nicht mehr in der besten Gruppe und auch die Ratingagenturen würden ihre Einschätzungen absenken. Daher warnte der Ökonom künftig vor höherer Verzinsung am Markt.
Inflationsbekämpfung: Experten wollen sich nicht auf EZB verlassen
Durch klassische nachfragedämpfende Maßnahmen werde die Inflation nicht wesentlich gebremst, unterstrich Badelt gegenüber Andreas Hanger (ÖVP). Badelt will sich dabei nicht auf die Europäische Zentralbank (EZB) verlassen. Deren Maßnahmen würden längerfristig wirken und nachfrageseitig beeinflussen. Die Regierung könne die Folgen abmindern, aber die Inflation selbst nur in kleinem Ausmaß abwenden. Die Inflation sei von der Angebotsseite getrieben, erklärte Experte Marterbauer, daher seien Geldmengenerhöhungen durch die EZB nicht zielführend. Auch Marterbauer stand der Zinspolitik skeptisch gegenüber, da sie zeitverzögert wirke. Weniger drastisch sah dies Expertin Köppl-Turyna. Die Inflation sei schließlich zur Hälfte nachfragegetrieben, betonte sie.
Finanzminister Magnus Brunner nahm die Zentralbanken in die Pflicht, um die Preisstabilität zu sichern. Die Nationalstaaten müssten die Krisen zusätzlich abfedern, erklärte er. Österreich werde die Schuldenquote reduzieren.
Marterbauer für sozialökologische Transformation
Enormen Gegenfinanzierungsbedarf und zahlreiche Gegenfinanzierungsvarianten sah Marterbauer beim diesjährigen Budget. Dabei sprach er sich dafür aus, insbesondere bei den Übergewinnen mancher Betriebe anzusetzen. Ebendiese Übergewinne sollten Christoph Matznetter (SPÖ) zufolge für die Stabilisierung der Haushalte genutzt werden.
Weiteren Unterstützungsbedarf sehe er bei den Privathaushalten, sagte Marterbauer zu Kai Jan Krainer (SPÖ). In diesem Sinne sprach sich der Experte auch gegen leistungslose Vermögenseinkommen aus und forderte ein Vermögensregister. Der Großteil der Erbschaften würde in die obersten zwei Prozent der Haushalte fließen, so Marterbauer. Aus ökonomischer Sicht sei nicht nachvollziehbar, wieso die Besteuerung von Erbschaften nicht mit jener der Arbeitsleistung gleichgesetzt werde. Viel Handlungsbedarf sah Marterbauer auch im Bereich Klima. Reformbedarf erkannte Marterbauer insbesondere bei der Grundsteuer. Zudem trat er gegen Mieterhöhungen ein und bewertete die vorliegenden Prognosen für zu optimistisch. Er erwarte eine Rezession.
Schratzenstaller-Altzinger fordert mehr Treffsicherheit bei künftigen Maßnahmen
Jakob Schwarz (Grüne) wertete die CO2-Bepreisung als budgetschonende Klimaschutzmaßnahme und interessierte sich für die Einschätzung der Expert:innen zu den von der Regierung gesetzten Entlastungsmaßnahmen. Mit den Maßnahmen seien untere Einkommen relativ stärker entlastet worden, sagte Margit Schratzenstaller-Altzinger. Zweidrittel der kurzfristigen Maßnahmen seien an alle Haushalte geflossen und wenig treffsicher gewesen, analysierte sie weiters. Die Kompensation der kalten Progression treffe hauptsächlich die mittleren und oberen Einkommensgruppen. Aufgrund der Ausgestaltung sei eine soziale Steuerung möglich. Für künftige Maßnahmen forderte sie eine höhere Treffsicherheit. Eine Senkung der Umsatzsteuer ist aus Sicht der Expertin keine zielführende Lösung, da die langfristige Weitergabe an die Kund:innen nicht sichergestellt ist.
Auch Köppl-Turyna sah niedrigere Einkommen stärker entlastet als die mittleren und höheren Einkommen. Die Expertin plädierte für Einmalzahlungen. Sie befürwortete deren Treffsicherheit sowie die laut ihren Angaben relativ geringe budgetäre Belastung. Diese Ansicht konnte Christoph Badelt nicht teilen, obgleich auch er empfahl, die Treffsicherheit von Maßnahmen zu verbessern. Dazu brauche es eine Zusammenführung der erforderlichen Daten beim Finanzamt, unterstrich Badelt seine Ungeduld. Grundsätzlich müssten Zuschüsse automationsunterstützt ausgestaltet sein, um die Verwaltungskosten gering zu halten. Schratzenstaller-Altzinger sprach sich zudem dafür aus, einen Fokus auf den Ausstieg aus fossilen Energien und den Gasausstieg zu setzen. Bei künftigen Entlastungsmaßnahmen sollte auch über einen befristeten Verlustrücktrag nachgedacht werden, sagte die Expertin zu Elisabeth Götze (Grüne). Weitere Lohnnebenkostensenkungen wären denkbar.
Gundinger gegen CO2-Besteuerung
Vonseiten der FPÖ plädierte Hubert Fuchs für den sorgsamen Umgang der Bundesregierung mit Steuergeldern. Der FPÖ-Politiker sprach sich gegen einen Überhang an Bürokratie aus und kritisierte in diesem Zusammenhang die CO2-Besteuerung. Aus Sicht des Experten Gundinger gehen andere Staaten mit den Steuergeldern sorgsamer um. Er erkannte erhebliches Einsparungs- und Entlastungspotenzial in den Bereichen Sicherheit, Arbeit und Soziales sowie Bildung und Forschung. Bezogen auf einen einzelnen Erwerbstätigen sah er ein Entlastungspotential von 10.000 €, das ohne Leistungskürzungen oder schlechteren Leistungen erfolgen könne.
Für die Zukunft würde Gundinger auf die Forschung setzen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Der Experte warnte vor Verboten und Vorschriften, um keinen weiteren Wohlstandsverlust zu riskieren. Bei der Energiewende befand der Ökonom die Ziele aufgrund des erforderlichen Rohstoff- und Ressourceneinsatzes für unrealistisch. Von der CO2-Besteuerung hielt Gundinger wenig, obwohl er positive Aspekte erkennen konnte. Die Höhe sei willkürlich festgesetzt, führte er aus. Preise für Energie würden in der derzeitiger Situation weiter erhöht, kritisierte er weiter. Gundinger warnte vor einer Deindustrialisierung Österreichs und folglich zu weiteren Preissteigerungen.
Badelt sorgte sich hingegen vor Wohlstandsverlusten aufgrund des Klimawandels. Er sprach sich für eine gute Mischung aus Geboten und Verboten aus und wollte zusätzlich auf die Forschung setzen. Badelt dachte dabei an eine Umstrukturierung des Steuersystems samt Besteuerung von Vermögenszuwachs, das betreffe auch Immobilien. Der Faktor Arbeit sei derzeit zu hoch besteuert, argumentierte der Experte. Badelt teilte zudem die Meinung, dass es Effizienzreserven im öffentlichen Sektor gebe. Er sprach sich für Anreize für eine effiziente Verwendung der verfügbaren Gelder aus. Im internationalen Vergleich werde viel Geld für die Bildung ausgegeben, dies spiegle sich aber nicht in den Leistungen wider, verwies er auf PISA-Tests.
Große Effizienzprobleme seien nur durch Dezentralisierung lösbar, war Badelt überzeugt. "Mehr Personal kann auch sinnvoll sein", erklärte er anhand eines Beispiels beim AMS-Personal. Die CO2-Bepreisung nannte Badelt als wichtigen Weg zur Kostenwahrheit. Umweltschädigendes Verhalten sei immer noch zu billig. Langfristig müssten Investitionen und Konsum in umweltfreundliches Verhalten gelenkt werden, zeigte er sich als Fan der CO2-Bepreisung.
Köppl-Turyna für Zukunftsquote
Die NEOS forderten mehr Zukunftsorientierung im Budget. Karin Doppelbauer (NEOS) zufolge sollte die Struktur und Qualität staatlicher Investitionen verbessert werden. Die Expert:innen befragte sie zu einer Föderalismusreform. Für Köppl-Turyna wäre eine Zukunftsquote ein hilfreicher Indikator über die zukunftsträchtigen Ausgaben im Bundeshaushalt. Dies hielt die Expertin auch auf europäischer Ebene für zielführend. Um die künftigen Pensionen zu sichern, wollte sie bei der Frauenbeschäftigung ansetzen, um Arbeitskräfte zu mobilisieren. Im Bereich Bildung sollte Köppl-Turyna zufolge mehr in die Elementarpädagogik investiert werden. Die Klimawende müsse schneller erfolgen.
Zur Föderalismusreform sprach sich die Ökonomin dafür aus, zu überlegen, auf welcher Ebene welches Belangen am besten aufgehoben ist. Köppl-Turyna plädierte für mehr Wettbewerb zwischen den Gemeinden ebenso, wie stärkere Aufgabenorientierung. Bei den Pensionen sollte die Politik aus Sicht s beim gesetzlichen Eintrittsalter ansetzen, um die Pensionen zu sichern. Schratzenstaller-Altzinger hingegen würde eher auf das faktische Pensionsantrittsalter abzielen.
Christoph Stark (ÖVP) erkundigte sich über die Sicht der Expert:innen zu Preisdeckeln als mittel- bis langfristigen Weg aus der Krise. Badelt sah darin auf nationaler Ebene kein probates Mittel. Ähnlich beurteilte dies auch Köppl Turyna. Allgemeine Preisdeckel führten nicht zum gewünschtem Ergebnis, bekräftigte sie.
Genderbudgeting - Budgetdienst setzt auf nächsten Finanzausgleich
Verbesserungspotential erkannte Experte Marterbauer zudem in den Bereichen Gleichstellung und Gewaltschutz. Potential für die Energiewende ortete er bei den Gemeinden. Verbesserungen beim Genderbudgeting mahnte neben Eva Maria Holzleitner (SPÖ) auch der Budgetdienst ein. Helmut Berger, Leiter des Budgetdiensts, sah im Finanzausgleich eine Chance dafür und trat für Verhandlungen anstelle einer Verlängerung des bestehenden Regelwerks ein. Laut Schratzenstaller-Altzinger sei die "Doppelbelastung von Frauen noch viel zu wenig im Blickwinkel". Aufwertungen seien bei Pflege und Kinderbetreuung notwendig. Ein Problem ortete die Expertin in gemischten Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden.
Alois Stöger (SPÖ) trat dafür ein, die Gemeinden zu stärken. Erwin Angerer (FPÖ) warnte vor einer bevorstehenden Stagflation, bei der die Wirtschaft nicht mehr wächst und die Preise gleichzeitig in die Höhe gehen. Klaus Lindinger (ÖVP) trat dafür ein, die Schulden für nächste Generationen klein zu halten. (Fortsetzung Budgetausschuss) gla
HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen.
Details zum Budget 2023, den Änderungen zu den Vorjahren sowie der Entwicklung des laufenden Budgetvollzugs bietet das interaktive Visualisierungstool des Budgetdiensts. Dort erhalten Sie einen raschen und transparenten Überblick über relevante Budgetdaten.
Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.