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Brennpunkt Zukunft

Im Rahmen eines Round-Table-Gesprächs, das in Kooperation zwischen „immobilien investment“ und dem Aluminium-Fenster-Institut durchgeführt wurde, trafen sich Arch. Patricia Zacek-Stadler, Georg Pommer, Michael Pech und Harald Greger, um über aktuelle Themen im Wohnbau zu diskutieren.

Bild oben v.l.n.r.: Harald Greger, Geschäftsführer des Aluminium-Fenster-Instituts (AFI), Arch. Patricia Zacek-Stadler, Georg Pommer, Magistratsabteilung 39 – Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien, und Michael Pech, Vorstand des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW AG)

 

Was ist Ihnen in den letzten Jahren im Wohnbau besonders aufgefallen?

Pommer: Technisch gesehen einerseits neu gestaltete Anforderungen an die Bauphysik sowie an den Schallschutz und andererseits das kostengünstige Bauen. Allerdings sind wir auch an einem Punkt angelangt, an dem wir die Bauweise noch einmal hinterfragen sollten. Wenn wir als Beispiel Wien nehmen, dann wird in Wärmeverbundsystemen mit Beton gebaut und nur in einigen wenigen Ausnahmefällen mit Holz. Im Wohnbau haben wir die OIB-Richtlinien zur Harmonisierung der Bauordnung, und das kann man nicht unkritisch sehen, denn damit kommt es immer wieder zu einer Verteuerung des Bauens. Ein ähnlicher Punkt ist auch das barrierefreie Bauen, das sich durchgesetzt hat. Es ist im OIB verankert und damit auch in den Bauordnungen, sofern es die Bundesländer umsetzen. Das ist der Wohnbau, wie wir ihn in Wien heute sehen.

Pech: Nur ein Satz zu den neuen OIB-Richtlinien Nr. 4 zum Thema Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit: Allein durch die Mindestbreite von Gängen und die rollstuhlgerechten Anfahrbereiche von Türen ist nach einem Vergleich eines geförderten, mehrgeschoßigen Wohngebäudes in Oberösterreich auf dem neuesten Stand mit einem ohne Einhaltung der neuen OIB-Richtlinien ein Flächenmehrbedarf von 13% erforderlich. Das schlägt sich massiv auf die Mehrkosten nieder.

Pommer: Das Thema Barrierefreiheit wird derzeit in Wien heftig diskutiert. Der Prozess ist jetzt in Gang gekommen, da man merkt, dass der Wohnbau immer teurer wird.

Zacek-Stadler: Man muss überlegen, ob jede Wohnung all den Anforderungen entsprechen muss, zum Beispiel in Bezug auf Barrierefreiheit. Aber das Lobbying einiger Firmen ist eben sehr stark.

Pech: Ja genau! Vertreter der Interessenverbände von einzelnen Industrien sitzen in den Normungsausschüssen und setzen sich massiv durch. Ihre Produkte müssen dann aufgrund der entsprechenden Normierungen zwangsläufig verwendet werden. Letztendlich geht dies zulasten der Qualität, die wir für Dinge brauchen würden, die für den Bewohner wesentlich wichtiger wären, bzw. könnte das Wohnen durch die Einsparung günstiger werden. Im Jahr 2012 wurden 349 baurelevante Normen erlassen. Das kann ja niemand mehr überblicken. Abgesehen von der Sinnhaftigkeit sind Architekten, Bauträger und Bauausführende von dieser Normungspflicht überfordert. Aber das sind die Kostentreiber, die das Wohnen verteuern, da sollte man auch einmal darüber nachdenken, ob man das nicht in Zukunft eindämmen sollte.

Pommer: Wir hatten 2007 die erste Runde OIB-Richtlinien und 2011 die zweite Runde, und wir stehen kurz davor, die nächste Runde zu präsentieren. Und ich bin neugierig, was sich da ergeben wird an Kritik und Verbesserungspotenzial bei der Neuauflage der OIB-Richtlinien, die in den Bauordnungen umgesetzt werden.

Pech: Wenn wir nach dem heutigen Stand der Technik ein ökologisch- technisches und energetisch perfektes Haus bauen würden, dann wäre das ein super Gebäude, sehr nachhaltig und auch in der Bewirtschaftung sehr günstig. Nur– und das ist der Punkt– unsere Bewohner, die auf den sozialen Wohnbau angewiesen sind, könnten sich aufgrund der hohen Herstellungskosten die daraus resultierenden Mieten nicht leisten.

Ihre Conclusio daraus?

Pech: Das in der Lebenszyklusbetrachtung nachhaltigste Bauwerk zu bauen, schaffen wir nicht. Ich habe oft die nicht angenehme Aufgabe, mich für ein nicht so nachhaltiges Baumaterial zu entscheiden zu müssen, um die vorgegebenen Gesamtbaukosten einhalten zu können. Unsere Aufgabe als Bauträger ist es, das Bestmögliche innerhalb eines Kostensegments zu schaffen. Alles, was gut, aber oft teuer ist, geht nicht. Wir müssen Prioritäten setzen, um das Wohnen leistbarer zu machen.

Greger: Wohnbauförderung müsste darauf eingehen, dass wir nicht nur rechnen, was ein Produkt zum Stichtag kostet, sondern im gesamten Gebäudeleben. Langfristig würde man damit sicherlich besser fahren. Hat ein Gebäude etwa 25% Glasflächen, liegen die Investitionskosten für Aluminiumfenster bei rund 8 bis 10%. Wenn man das auf den gesamten Lebenszyklus bezieht, dann bleiben nur noch 4%, also rund die Hälfte über, und da sieht man dann auch, dass beim gesamten Lebenszyklus andere Kosten viel deutlicher hervortreten, derer man sich bei der Vergabe nicht bewusst war.

Auch das Thema Nachhaltigkeit ist ein Argument im Wohnbau.

Pommer: Wenn man den leidigen Begriff Nachhaltigkeit hier einbringen will, so muss ich sagen, dass er in der Anwendung gewisser Spielregeln bedarf. Die einen sehen Nachhaltigkeit in einer Gebäudebewertung, die anderen in einem größeren Kontext. Wir gehen in Österreich davon aus, dass wir Gebäude viel länger nutzen. So wie in den USA bauen, wegreißen und wieder neu bauen, ist bei uns nicht drinnen. Wir sehen heute, dass die Nutzungszyklen sehr lange sind, und da wird es immer schwieriger, Life-Cycles zu berechnen. Versuchen Sie einmal, die Lebensdauer eines Objekts über 20 bis 25 Jahre zu berechnen, das wird relativ komplex.

Greger: Es wird derzeit noch alles auf einen aktuellen Zeitpunkt berechnet, aber letztendlich ist die soziale und technische Nachhaltigkeit etwas Langfristiges. Ich will auch den Begriff Lebenszykluskosten ersetzen, denn LebenszyklusKOSTEN alleine sind zu wenig, wir brauchen eine Lebenszyklusbetrachtung, die die Ökologie miteinbezieht.

Pommer: Wir tun uns mit der Nachhaltigkeit schwer, weil wir sie einfach noch nicht wirklich angreifen können. Das würde am besten über Wartungs- und Nutzungszyklen funktionieren. Ein Wartungsplan für ein Auto ist selbstverständlich, aber bei einer Fassade oder einem Fenster haben Sie keinen Wartungsplan. Wie können Sie ein Gebäude nachhaltig betreiben, wenn Sie keinen Wartungsplan haben? Bei Nachhaltigkeitsbetrachtung und Wohnbaubetrachtung muss ich fragen: Wie schauen die Wartungszyklen aus, wie schauen die Bedienungsanleitungen für das Gebäude aus, damit ich eine lange Nutzungsdauer habe? Ich muss aber auch auf Bauweisen und Systeme umsteigen, die ich warten kann. Das ist von unserer Seite das Credo.

Zacek-Stadler: Der Begriff Nachhaltigkeit ist schon sehr strapaziert, und wir wollen statt nachhaltig zukunftsweisend bauen. Das macht das Thema auch für mich ein bisschen weiter auf und holt es von den Baustoffen weg. Wobei ich es schon sehr toll finde, dass wir uns im europäischen Raum überhaupt den Luxus leisten können, eine Lebensbilanz der Häuser zu haben oder Energieeffizienz und Barrierefreiheit. Die Normen und Vorgaben der Gesetzgeber machen uns Planern aber das Leben sehr schwer. Der leistbare Wohnraum ist ein wesentliches Thema und wird ganz schnell auf die Ökonomie verkürzt, und ich denke, das ist der falsche Weg, nämlich Wohnraum nur von der Leistbarkeit her zu sehen, und es stellt sich durchaus die Frage, ob wir die technischen Anforderungen nicht wieder zurückschrauben sollten? Die technische Überfrachtung nimmt uns in der Planung immer mehr Freiraum weg. Dann ist es so, dass gewisse Dinge trendy ankommen, wie der offene Wohnungsgrundriss. Der lässt sich gut verkaufen, aber letztlich man hat keine andere Chance, weil sich die Zimmer bei der geringen Wohnungsgröße nicht mehr ausgehen. Wie sucht eine Familie eine Wohnung aus? Das Energiedatenblatt ist vielleicht auch irgendwann ein Kriterium. Das erste Kriterium wird aber sein, wie viele Zimmer hat die Wohnung, und fühlt man sich wohl darin? Der erste Wohnbau von mir in Wien waren Kleinwohnungen mit einer durchgehenden Pfostenriegelfassade mit eingesetzten Schiebefenstern. Es gab keinen Platz für Balkone, und wir haben Schiebefenster gemacht und die Balkone in die Wohnung integriert. Diese Wohnungen waren schnell vergeben, denn ihr Benefit war die Offenheit durch die Glasfassade und somit eine Offenheit nach außen.

Greger: Es wird immer wichtiger, dass ich mehr von der Umwelt sehe, denn je mehr man in den Häusern oder Wohnungen drinnen ist, desto mehr will man auch hinausschauen können. Eines der größten Themen ist dabei die Gestaltung der Kommunikation zwischen innen und außen– das ist ein eindeutiger Trend, und das sehen wir auch an den Verkaufszahlen bei unseren Mitgliedsfirmen. Und große Glasflächen lassen sich mit Alukonstruktionen am leichtesten umsetzen. Früher, als die Menschen in einer Höhle gelebt haben, waren sie ja die meiste Zeit des Tages draußen. Da brauchten sie kein Licht von außen und wollten geschützt sein. Auch wenn Sie sich die alten Häuser anschauen, dann sehen Sie sehr kleine Fenster, denn man war ja den ganzen Tag auf dem Feld. Heute ist es so weit, dass wir immer mehr Freiraum und Licht wollen, und dieser Trend wird sich voraussichtlich nicht umkehren.

Zacek-Stadler: Wenn aber die Wohnungen kleiner werden, dann muss auch das Haus mehr Zusatznutzen bieten, denn dann werden auch die kleineren Einheiten genommen. Der Wohnbau muss gewährleisten können, dass ein Zusatznutzen entsteht. Damit sind wir Architekten, aber auch die Stadt Wien gefordert, darüber nachzudenken, wo wir am Finanzierungsmodell arbeiten können. Wenn nur Flächen gefördert werden, die Wohnnutzflächen sind, dann wird alles mit Wohnnutzflächen niedergeplant, und es bleibt kein Raum für andere notwendige Flächen.

Pech: Ja, die Wohnungen werden kleiner. Einerseits sinkt die Haushaltsgröße– Stichwort „Versingelung der Gesellschaft“–, und andererseits hängt die Leistbarkeit des Wohnraums sicherlich von der Größe der Wohnung ab. Als Ausgleich werden im sozialen Wohnbau entsprechende Angebote von gemeinschaftlich nutzbaren Räumen und attraktiven Grünflächen im Rahmen der sozialen Nachhaltigkeit gefordert. Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Gestaltung der Erdgeschoßzone von Wohnhausanlagen. Denn nur eine zumindest teilweise transparente Erdgeschoßzone kann die für die Urbanität zum Beispiel eines Stadterweiterungsgebiets so wichtige Interaktion zwischen innen und außen, dem Privaten und dem Öffentlichen herstellen.

Was wären gemeinschaftlich nutzbare Räume?

Pech: Ich beschäftige mich bereits seit über 15 Jahren intensiv mit dem Thema „Wohnen und Arbeiten“und kann aus persönlicher Erfahrung auf umsetzungsfähige Konzepte verweisen. Nicht positiv angenommen wurden Konzepte mit in den Wohngeschoßen befindlichen Kleinstbüros in Vollausstattung, die letztlich die gleichen Kosten wie eine Wohnung hatten und dadurch einfach zu teuer waren. Wir haben daraus gelernt und machen das jetzt anders. Wir errichten in einer größeren Einheit mehrere kleine Home-Office-Einheiten nebeneinander.

Die erforderlichen Sanitäreinrichtungen, ein Empfang und ein Besprechungsraum mit Büroküche werden gemeinschaftlich genutzt. Der Vorteil des Konzepts liegt darin, dass Synergien genutzt und somit hohe Fixkosten geteilt werden können. Dieses Angebot wird gerne angenommen.

Zacek-Stadler: Wir haben in Wien nach wie vor die Tendenz, die Wohnung für den Rest des Lebens zu nehmen. Aber dieses System weicht sich langsam auf, da sich auch die Familienmodelle ändern, und Wien ist in der globalen Welt angekommen, es gibt mehr Mobilität. In den nächsten Jahren wird die Datenkommunikation noch viel größere Veränderungen bringen, wir werden noch mobiler werden, und die Präsenz am Arbeitsplatz wird immer weniger notwendig sein. Der Daten-Highway schafft mehr Mobilität, aber auch eine gewisse Art der Zurückgezogenheit. Was ich gut finde– nur besteht die Tendenz der Vereinsamung. Wir werden uns daher wieder auf die Notwendigkeit des sozialen Gefüges besinnen und den Wohnbau entsprechend gestalten müssen.

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  • Erschienen am:
    28.11.2013
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