Anton Bondi wird eingangs gefragt, ob sich mit den „Corona-Lockerungen“ seit 4. Mai die Branche „starklar“ zeigt? Die ganze Branche habe während des Lockdowns „hart durchgearbeitet“, ein Flaschenhals zeige sich jetzt im Bereich der Verwaltung. Grundbuchseintragungen und andere Behörden-Wege verzögern sich. Das sei eine „leichte Hemmung“, aber keine Bremse.
Michael Baert von IFA wurde auf eine frühere Aussage angesprochen, wonach Wirtschaftskrisen einen verstärkte Nachfrage nach Immobilien bewirkten. Wird das nach Corona ähnlich sein? „Ja, das zeigt die Erfahrung, zum Beispiel nach der Dotcom-Blase.“ Dieses Mal werde die Nachfrage nach Wohnraum überproportional steigen, prognostiziert Baert – schlicht, weil Wohnen ein „krisensicheres Grundbedürfnis“ sei. Auch die derzeit hohe Zahl der Arbeitslosen werde daran nichts ändern – „die Nachfrage nach Wohnraum wird weiter existieren“. Verstärkt Thema werde dafür das „leistbare Wohnen“, ein „gewaltiges“ Thema, das durch die Krise beflügelt werde.
Franz Pöltl von EHL wird gefragt, was den Unterschied zwischen „guten“ und „schlechten“ Immo-Projekten ausmache – deren Spread immer größer werde. Die „Sicherheit des Cashflows“ sei wichtigster Faktor für Investoren – günstige Lage oder langfristige Mietverträge („mit extrem guten Bonitäten, am besten der öffentlichen Hand“) würden Top-Preise erzielen. Dem gegenüber stünden Objekte, wo „Mieten at risk“ bestehen oder gar Leerstände gegeben sind, sagt Pöltl: Verkäufer würden jetzt eher auf die Mietverlängerung gehen und vom Verkauf absehen. Und Pöltl ergänzt: „Noch im Februar haben beste Qualität – und weniger gute Qualität – preislich fast dasselbe gekostet. Das wird sich ändern.“
Trifft das auch auf Wohn-Immobilien zu, wird Maxim Zhiganov von WK Development gefragt. Generell würden Banken und Investoren jetzt Projekte „noch kritischer“ evaluieren. Entwickler guter Wohn-Projekte werden jetzt Investoren gewinnen, die sich davor für Gewerbeobjekte – etwa in der Hotellerie – interessiert haben, meint Zhiganov. „Wohnimmobilien sind derzeit die wohl sicherste Geldanlage“ – weil der Goldpreis „auf Höchststand“ sei, und der Aktienmarkt schwer einschätzbar. Auch die Wirtschaftskrise 2008 hatte laut Zhiganov kaum Auswirkungen auf den Immobilienmarkt in Österreich; das Land werde von Investoren als „safe haven“ betrachtet.
So würden die Maklerinnen und Makler von WK Development derzeit auch mit Anfragen „bombardier“ – wobei die Beschaffenheit der Immobilie wichtiger sei als zuvor. Freizeitangebote, zum Beispiel Wasserzugang, seien entscheidend.
Markus Arnold von Arnold Immobilien wird auf das Rekordinvestment aus dem Q1 2020 angesprochen – welches 52 Prozent über dem Investment-Level des Q1 2019 lag. Ein Zeichen, dass die Märkte stabil bleiben? „Es wird nichts billiger, da sind wir uns alle einig“, sagt Arnold. „Das Geld ist ja immer noch da; Covid-19 hat das Geld nicht zerstört.“ Wer Geld am Konto habe, werde das „in Krisenzeiten immer in Sachwerte tauschen – und das wird immer die Immobilie sein“. Bei Gewerbeimmobilien werde Corona zu neuen Nutzungsformen führen; sie seien aber gegenüber Wohn-Objekten nicht grundsätzlich im Nachteil. „Weder im Ankauf noch im Verkauf“ könne er, Arnold, einen Rückgang bemerken – „es geht weiter wie bislang, Geld wird gegen Steine getauscht“. Mit „260.000 Corona-Toten“ sei bislang „nicht viel passiert, was die Immobilien-Branche außer Tritt“ bringen könne, sagt Markus Arnold.
Immo-Invest in Wien: Besser A-Lage oder B-Lage?
Aus der Video-Community kommt die Frage an die Runde: Wer jetzt in Wien investieren möchte, tut das besser in der A-Lage oder B-Lage? Und warum?
Markus Arnold meint, Preise für die Segmente hätten sich angeglichen – „das wird sich jetzt ändern“. Die steigende Preisentwicklung in „schlechten“ Bezirken werde aufhören; und „in Wien kann man in der A-Lage nichts falsch machen“.
Michael Baert von IFA bestätigt: Menschen suchen Wohnungen mit Freiräumen und mehr Grün rundum – was aber dazu führt, dass InteressentInnen in „weit entferntere Lagen gehen müssen“. Eine gute öffentliche Anbindung werde immer wichtiger – in Wien reiche dafür schon eine gute U-Bahn-Anbindung. Grundsätzlich seien aber A-Lagen-Investments zu bevorzugen, sie seien schlicht krisenfester.
Anton Bondi von Bondi Consult erinnert an die „ehemaligen B- und C-Lagen“ am Stadtrand, zum Beispiel in Hirschstetten im Norden Wiens, die mittlerweile zu A-Lagen aufgestiegen seien. Heute an der Donau zu wohnen, „das kann etwas. Wenn ich dann noch die U-Bahn in der Nähe habe, kann ich nichts falsch machen“. Wer heute günstig in B-Lagen investieren kann, solle das einer teuren A-Lage vorziehen, meint Bondi.
Fragen der Finanzierungskosten, Entwicklung der Nachfrage und ausländischen Investoren
Maxim Zhiganov beantwortet die Frage aus der Community, ob Finanzierungskosten durch Risiko-Aufschläge der Banken womöglich steigen. Ja, „das erleben wir gerade jetzt“, sagt Zhiganov: „Die Banken werden extrem restriktiv.“
Auf der Investorenseite wiederum stehe „sehr viel Geld zur Verfügung“, sagt Anton Bondi. Zudem sei Österreich ein attraktiver Markt – das Land habe die Corona-Krise gut gemanagt. Investoren seien gewillt, zu investieren – lediglich der Zeitpunkt der Geldausschüttungen hänge z.B. an Genehmigungsverfahren.
Ob der lokale Markt etwaige sinkende Nachfrage aus dem Ausland ausgleichen könne, wird aus der Community gefragt. Dem sei nicht der Fall, mein Franz Pöltl. Gerade im Gewerbesegment lägen zahlreiche Anfragen auf dem Tisch, erzählt der EHL-Experte. „Die Österreicher mischen den Markt jetzt nicht auf“, so Pöltl. Der Markt sei gesund, Interesse zum Beispiel aus Asien steige wieder.
Spannend sei jedenfalls die Frage, Transaktionen und Kauverträge mit ausländischen Investoren wegen Corona in den Online-Bereich zu verlagern, ergänzt Michael Baert von IFA, wobei an digitalen Signaturen gearbeitet werden.
Fragen aus der Video-Community
Wie geht es mit Österreichs Mietrecht weiter, ist Veränderung absehbar, will die Video-Community wissen. „Wir haben das sozialste Mietrecht der Welt, das wird sich in der Wirtschaftskrise nicht ändern“, meint Markus Arnold, „wir werden damit weiterleben müssen“.
Auch das IFA sieht „in dieser Frage keine Bewegung“, berichtet Michael Baert. Da werde eher noch das Maklergesetz ein Thema. Traditionell seien „Österreicher klassische Mieter“; in Wien seien nur 9 bis 12 Prozent der Wohnungen frei vermietbar.
Wie steht es um den Bedarf an Wiener Büros zwischen 40 und 60 Quadratmetern, fragt die Community in die Expertenrunde. Anton Bondi sieht keinen Bedarf: Der „Kleinbedarf“ sei über diverse Dienstleister ausreichend abgedeckt; einen Trend Richtung Kleinbüro sehe er, Bondi, nicht.
Wir die Entwicklung zum Home Office den Büromarkt verändern? „Das glaube ich nicht“, erklärt Franz Pöltl von EHL, der „so wie wir alle vom Home Office genug hat“. Unternehmer hätten keine Freude damit, wenn ihre MitarbeiterInnen zuhause sitzen würden und sie „keinen Zugriff“ haben. Nachhaltigerweise „werden wir das Büro weiter brauchen“, sagt Pöltl, der von Michael Baert von IFA unterstützt wird. „Ein oder zwei Tage in der Woche von zuhause arbeiten“ wird gut gehen – aber Arbeitgeber werden „nicht anfangen, Kleinswohnungen zu mieten“, um diese für Home-Office-Zwecke zur Verfügung zu stellen. Große Unternehmen hätten sowieso bereits „shared desk“-Konzepte, ergänzt Anton Bondi. Der soziale Kontakt, das zwischenmenschliche Gespräch, sei unerlässlich in der Immo-Branche, und könne nicht durch Videokonferenzen vollständig ersetzt werden.
Eine weitere Frage an die Runde: Ist zu erwarten, dass Investoren verstärkt verkaufen müssen, weil Einnahmen ausbleiben und Kreditraten bedient werden müssen? Nein, sagt Anton Bondi, und wird unterstützt von Markus Arnold: „Das Geld war in den letzten Jahren viel zu billig.“ Bei den Renditen, welche Gewerbeimmobilien erzielen, werde man wohl „zwei, drei Jahre der Krise“ durchtauchen können. „Wenn das kommt, dann von Eigentümern, bei denen Immobilien nicht das Kerngeschäft sind“, sagt Franz Pöltl von EHL – denn „die Eigenschaft der Immobilie ist ja, dass sie mir in der Krise hilft.“ Die großen „Preissprünge nach unten“ seien nicht zu beobachten, mein Markus Arnold, „auch weil der Druck derzeit nicht da ist“. Außerdem gehen „die allermeisten Investoren konstruktiv in die Krise“, um nach Lösungen mit den Mietern zu suchen, erzählt Michael Baert von IFA. Da werde eher auf eine Mieten-Rate verzichtet, als das „ganze Rad zu durchbrechen“.
Welche Asset-Klassen tun sich den momentan besonders schwer? Es sei heute „viel zu früh zu sagen, alles ist gut“, sagt Markus Arnold – dennoch müsse „Vernunft, Ruhe und Vertrauen in den Markt“ das Credo bleiben. Wohnimmobilien seien ohnehin die beliebteste Anlageform, und durch angekündigte Bank-Moratorien gebe es keinen Einnahme-Verlust, sagt Michael Baert.
Wird sich der Anlage-Zeitpunkt von Investoren – insbesondere bei Gewerbeimmobilien – weiter nach vorne verlagern? Anton Bondi antwortet: „Investoren steigen schon jetzt extrem früh ein.“ Schon jetzt gebe es Einstiege bei Developments, um den Verfall der Renditen abzufedern. Gleichzeitig werde das zu Lasten des Einstiegspreises gehen.
Und wie sieht es bei Wohnimmobilien aus? Wie entwickeln sich Preise bei Projekten in guter U-Bahn-Lage? Welche Renditen sind da im Forward erzielbar? Franz Pöltl von EHL sieht eine ungebrochene Nachfrage in dem Segment. Die Renditen seien über Corona hinweg gleich geblieben. „Besonders aggressive Player“ würden sich gerade jetzt gute Projekte sichern wollen. Die Auswirkungen der Covid-Krise auf die Baukosten müssten jedenfalls noch abgewartet werden, sagt Michael Baert; ebensowenig sei ein Sinken der Grundstückspreise zu beobachten. Es gebe derzeit keinen Grund zuzuwarten in der Hoffnung, dass in einem halben Jahr die Preise gefallen sind.
Online-Umfrage: Anlage-Formen in Immobilien nach der Krise
Welche Anlage-Formen in Immobilien werden auch nach der Krise attraktiv sein, kündigt Walter Senk die Community-Umfrage im ImmoLive Talk an. „Sieger“ dieser Ad-Hoc-Umfrage sind demnach Vorsorge-Wohnungen und Zinshäuser. „Ganz schlecht“ sähen hingegen Unternehmensanleihen aus.
Zinshäuser erleben seit zehn Jahren durchgehend steigende Preise, meint Markus Arnold: „Es ist die mit Sicherheit charmanteste Anlageform in dieser Branche.“ Anders als im Gewerbebereich werde hier viel mehr privat- als fremdfinanziert: 70 bis 80 Prozent Eigenkapital im Zinshausbereich stünden 30 Prozent Eigenkapital bei der Gewerbeimmobilie gegenüber.
Wie stehen – angesichts der Corona-Krise – die Chancen für den dezentralen, ländlichen Raum? Können Kleinstädte profitieren? Franz Pöltl von EHL sieht bei den Investoren „das Zentrum gefragt“. Das sei eine Rückkehr zur Frage „A-Lage oder B-Lage“, wobei für langfristiges Investieren diesbezüglich nur die A-Lage in Frage kommen könne. Urbanisierung sei ein globaler, unumkehrbarer Trend – „dort ist auch die meiste Liquidität“.
Hat die Krise eine Auswirkung auf laufende Umwidmungsverfahren, kommt eine weitere Frage aus der Community. „Kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Anton Bondi. Es seien – gerade im Wohnbereich – eine Menge Projekte in der Pipeline. Maxim Zhiganov sieht einen „Aufholbedarf“ bei den Beamten und vermutet, dass es bei Verfahren „jetzt sogar schneller gehen wird“ – auch aufgrund des neu gegründeten „Verbands der Österreichischen Projektentwickler“, der dahingehend Druck gemacht hätte. Bewilligungs- und Behördenverfahren seien generell zu lange, unabhängig von der Corona-Krise, fordert Michael Baert von IFA, und verlangt generell schnellere Verfahren.
Wie werden sich Baukosten bis zum Frühjahr 2021 entwickeln? „Das ist eine Glaskugel-Frage“, mein Anton Bondi. Massive Änderungen und günstigere Baupreise werde es aber wohl nicht geben. Maxim Zhiganov von WK Development sieht eine Tendenz nach unten: Viele Baufirmen würden beginnen, „realistischer und langfristiger zu denken“. In den vergangenen Jahren seien Baukosten dermaßen in die Höhe geschossen, dass gewisse Projekte kaum umsetzbar waren.
Kommt die durchmischte Form der Immobilie als Trend nach der Krise? Genau das versuche die Stadt Wien mit dem Konzept der „produktiven Stadt“, erzählt Franz Pöltl von EHL. Bloß, dass die Investoren das „nicht sehr schätzen“ würden, weil sie „sortenreine“ Produkte wollen – es sei also ein Produkt, das sich derzeit noch schwer tut. Eine „Bewusstseinsbildung“, nicht nur bei den Investoren, sondern „auch bei den Nutzern“ sei da wichtig, meint Anton Bondi – „wenn ich dort wohne und um vier Uhr früh fährt der LKW vor und beliefert den Supermarkt“.
Und ganz zum Schluss: Alle Teilnehmer blicken optimistisch in die kommenden Monate und freuen sich auf die Expo Real in München!