Ruhig ist es geworden am Zinshausmarkt. Fast zu ruhig. Wen wundert’s?, meint Thomas Rohr, IMMOROHR Immobilien: „Wird die Wirtschaft lahmgelegt, um die Inflation zu senken, führt das zwangsläufig in ganz Europa zu schweren Verwerfungen. Auch der Wiener Zinshausmarkt hat tief Luft geholt.“ Im Vorjahr stemmte sich der Markt für Wiener Gründerzeit-Zinshäuser zwar noch gegen die schwierigeren Rahmenbedingungen, aber „nun hat die Realität auch diese Assetklasse eingeholt“, sagt Eugen Otto, OTTO Immobilien. Konkret fanden laut Marktbericht seines Unternehmens in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres in Wien 124 Transaktionen statt. Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2022 bedeutet das ein deutliches Minus von 59 Prozent. Den stärksten Rückgang verzeichneten dabei der 18. und 19. Bezirk mit minus 90 bzw. minus 88 Prozent. Damit schrumpfte auch das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr auf 372 Millionen Euro, „was einem Minus von 64 Prozent entspricht“, so Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus bei OTTO Immobilien. Dennoch muss man realistisch blieben, „denn das Volumen entspricht in etwa dem Jahr 2016“. Die jährliche zehnprozentige Steigerung in der Vergangenheit war eben nicht gesund.
Der Markt hat sich geteilt
Diejenigen, die zu teuer eingekauft haben, harren aus und warten auf bessere Zeiten. Diejenigen, die kapitalstark sind, sehen jetzt wieder ihre Chance. Philipp Maisel über die erste Gruppe: „Wir sehen keine Firesales. Die Banken sind sehr unterstützend mit Stundungen und Verlängerungen von Laufzeiten.“ Die zweite Gruppe kehrt auf den Markt zurück und nützt die Lage, um zu kaufen. In den letzten Jahren war sie aufgrund der Dynamik und der zahlreichen Akteure vom Markt verdrängt. Für eigenkapitalstarke Investoren sieht es also derzeit sehr gut aus. Der Zinshausmarkt erlebt im aktuell herausfordernden Marktumfeld eine Gratwanderung zwischen kurzfristigem Nachfragerückgang und langfristig orientiertem Investment. Herwig M. Peham, Bereichsleiter bei EHL Investment Consulting: „Der Ankauf von Zinshäusern erfordert mehr denn je ausreichend Eigenkapital, doch eröffnet dies einer bonitätsstarken Kundenschicht besonders interessante Investmentmöglichkeiten.“ Genau die ist auch auf dem Markt unterwegs, wie Mathias Miller-Aichholz, Standortleitung Wien von Hudej Zinshäusern bestätigt: „Die wichtigsten Käufer sind jetzt jene mit Eigenkapital, unter anderem Institutionen, Privatstiftungen und Erben.“ Neben den „zehn Zinsanpassungen“ sieht Thomas Rohr noch einen anderen Aspekt, warum sich eigentlich nur „All-equity-Investoren“ Prime-Objekte zu sichern: „die laufende Diskussion über die Indexierung der Mieten“.
Cash ist King
Wer jetzt Geld hat, dem gehört der Markt, könnte man sagen. „Wir empfehlen Kaufwilligen, zu First Movers zu werden und sich die besten Objekte zu sichern. Wer längerfristig denkt, sollte das aktuelle Zeitfenster nutzen, um ein knappes und begehrtes Gut zu attraktiven Konditionen zu erwerben“, so ÖRAG-Vorstand Johannes Endl.
„Der Markt funktioniert weiterhin, man glaubt an das Zinshaus und die Wohnimmobilie als krisensichere und zukunftssichere Investitionsmöglichkeiten“, beschreibt Michael Schmidt, Geschäftsführer bei 3SI Immogroup, die Ausgangslage für kapitalstarke Investoren: „Ich sehe Analogien zum Aktienmarkt: Genau wie bei Aktien ist es gut, dann zu kaufen, wenn andere nicht kaufen.“ Wobei noch nicht alle bereit sind, denn keiner weiß, ob die Angebote noch günstiger werden. Ein Teil der Investoren, die Eigenkapital haben, „hält sich in Erwartung weiter fallender Preise noch zurück“, sagt Mathias Miller-Aichholz: „Keiner will zu früh kaufen.“ Allerdings geht es derzeit bei den meisten Zinshauskäufern nicht primär um Rendite. „Vielmehr zählt die Gelegenheit, nach selbstdefinierten Kriterien attraktive Immobilieninvestments langfristig tätigen zu können“, so Herwig M. Peham.
Wann geht es wieder los?
„Back to the roots“ – das wird laut Thomas Gruber, PLENUS Immobilien, das Motto der kommenden Monate sein. Er ist überzeugt: „Wenn sich die Zinshausentwicklung mit Parifizieren und Abverkaufen in einem Projekt rechnet, gibt es auch wieder gute Entwickler, die das umsetzen.“ Sobald die Zinsen nicht mehr steigen und – zumindest – stabil bleiben, können Investoren auch wieder besser kalkulieren, da die Verunsicherung wegfällt. „Das würde dem Zinshausmarkt zugutekommen“, meint Michael Schmidt. Der 3SI-Geschäftsführer rechnet mit einer entsprechenden EZB-Zinspolitik spätestens im Winter 2023/2024. Eugen Otto: „Wenn die Signale klar sind, dass die Zinsen so bleiben, dann wird die Maschinerie wieder laufen.“
Dann wird sich der Markt wieder beleben und denjenigen, die in der aktuellen Phase gekauft haben, interessante Renditen bescheren. Herwig M. Peham: „Das historische Zinshaus wird auch in Zukunft ein unwiederbringlicher, einzigartiger Bestandteil in urbanen Immobilienlagen bleiben!“