Auf dem Vermietungsmarkt macht sich derzeit eine sehr unangenehme Entwicklung breit. Mietverträge werden von den Mieterinnen und Mietern nicht mehr eingehalten, von verbindlichen Mietanboten ganz zu schweigen. „In den letzten Monaten haben sich die Beschwerden unserer Mitgliedsunternehmen gehäuft, dass sich die Klienten nicht mehr an abgeschlossene Mietverträge halten“, so Arno Wimmer, Bundesberufsgruppensprecher der Immobilienmakler in der WKO. Sie werden zwar unterzeichnet, aber die Miete wird nicht angetreten. „Das ist nicht auf Wien beschränkt, wo wir diese Unsitte in zunehmendem Maße schon seit Längerem beobachten können, sondern dieses Verhalten zieht sich mittlerweile über das gesamte Bundesgebiet.“ In einem solchen Fall bestehen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten. Der Vermieter hätte die Möglichkeit, auf Zuhaltung des Vertrages zu klagen, oder er könnte einen allfälligen Schadenersatz geltend machen.
Verschärfung nach Bestellerprinzip
„Eigentlich hat sich diese Entwicklung durch das Bestellerprinzip verschärft“, so Arno Wimmer. „Bis zur Einführung des Bestellerprinzips bestand bei einem verbindlichen Mietanbot, das vom Vermieter angenommen wurde, die Möglichkeit, die Mieterprovision beim Mieter geltend zu machen. Mit Einführung des Bestellerprinzips kann beim Mieter, sofern mit diesem kein rechtswirksamer Suchauftrag abgeschlossen wurde, keine Provision mehr geltend gemacht werden. Der Makler hat auch keine Möglichkeit, gegenüber dem Mieter einen Anspruch auf Zahlung einer sonstigen Leistung geltend zu machen“, erklärt Wimmer.
Nicht nur ein gesellschaftliches Phänomen
Die Entwicklung hat sicher auch mit den aktuellen Marktverhältnissen zu tun und ist nicht nur als gesellschaftliches Phänomen zu sehen, sich an gewisse Vereinbarungen nicht halten zu wollen. Mit der Änderung der Marktverhältnisse seit Beginn des dritten Quartals 2022 hat die Nachfrage nach Wohnungsmieten markant zugenommen. Wohnungssuchende, die eigentlich Eigentum erwerben wollen, aber nunmehr aufgrund der gestiegenen Zinsen und wegen der Einführung der KIM-Verordnung per 1. August 2022 keine Immobilienfinanzierung mehr erhalten, treten jetzt zusätzlich als Mieter in Erscheinung.
Der Mietenmarkt ist derzeit überlaufen, die Konkurrenz ist groß, und um auf Nummer sicher zu gehen, „sichern“ sich die Interessenten mit der Unterschrift auf dem Mietanbot bzw. Mietvertrag ab. Findet man ein besseres Angebot, so wird dieses vorgezogen, und vom gegenständlichen Vertrag wird zurückgetreten.
Die Situation ist einerseits für die Maklerunternehmen sehr unangenehm, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur leere Kilometer machen, sondern auch anderen potenziellen Interessenten abgesagt wurde. Für die Vermieter beginnt damit die Wohnungssuche wieder von vorne.
Gibt es Möglichkeiten?
Wie kann man diesem Phänomen als Maklerbüro entgegentreten? Arno Wimmer: „Der Immobilienmakler kann gegenüber dem Mieter keinen Anspruch geltend machen. Es bleibt nur die Möglichkeit, dass der Vermieter die entsprechenden Rechtsschritte unternimmt. Bei einer Klage auf Zuhaltung des Vertrags würde sich dies zeitlich hinziehen, und bei Geltendmachung eines Schadenersatzes ist der Schaden konkret nachzuweisen.“
Daher ist es verständlich, dass Vermieter nur selten den Rechtsweg beschreiten. Dies führt allerdings auch dazu, dass bei derartigen Mietern ein solches Verhalten noch bestärkt wird, weil keine Rechtsfolgen zu erwarten sind. „Sofern allerdings Vermieter verstärkt Rechtsschritte unternehmen würden und die Rechtsfolgen den Mietern mehr zur Kenntnis gebracht würden, wäre zu erwarten, dass dieses Phänomen rasch geringer wird“, meint Arno Wimmer: „Es wäre daher zweckmäßig, wenn sowohl in Printmedien als auch auf den Immobilienportalen auf die Rechtsfolgen bei derartigen Handlungen deutlich hingewiesen würde.“