Mehr Raum auf gleicher Fläche
Um die trotz allem hohen Preise auszugleichen, suchen Interessierte vermehrt kleinere Wohnungen mit guter Raumaufteilung, und diese Tendenz wird aufgrund der mittlerweile relativ hohen Quadratmeterpreise und gesellschaftlicher Entwicklungen weiter anhalten. SEG-Chefin Silvia Wustinger-Renezeder: „Die Wohnungen werden kleiner, um leistbar zu bleiben. Wir stehen vor neuen Herausforderungen. Wir sind mittlerweile gezwungen, mit 60 bis 70 Quadratmetern das gleiche Wohngefühl zu liefern, wie wir es früher in größeren Wohnungen hatten. Wir müssen mit denselben Raumanforderungen bei kleineren Räumen eine durchdachte Mischung aus einem großen Freiraumangebot und optischen Möglichkeiten bieten. Wir sind daher gezwungen, größere und bessere Öffnungen zu machen und mit innen und außen mehr zu spielen.“ So wird der Wohnraum der Zukunft zwar im Verhältnis zu früher ständig kleiner, aber von der Raumgestaltung her immer besser. „Der Bewohner will auf einer kleinen Fläche möglichst viel Raum haben“, erklärt CP-CEO Markus Ritter: „Wir sehen etwa, dass die typische Ein-Zimmer-Wohnung fast ausgestorben ist und der Käufer oder Mieter auch auf 35 Quadratmetern zwei Zimmer haben möchte. Das bedeutet mehr Zimmer auf kleinerer Fläche bzw. mehr nutzbarer Raum auf derselben Fläche.“
Kleine Einheiten gefragt
Allerdings wurde speziell dieser Bereich in den vergangenen Jahren von den Bauträgern zu wenig berücksichtigt– was aber nicht nur für die letzten zehn Jahre gilt, sondern prinzipiell für den Wohnbau der letzten 30 Jahre, denn tendenziell wurden die Einheiten größer. Günstige kleinere Einheiten sind jetzt knapp, aber gefragt: Die Zuwanderung und die sinkenden Haushaltsgrößen sind dafür verantwortlich. Dieser Trend wird bereits bei der Weiterentwicklung des VIERTEL ZWEI berücksichtigt. 100 „Studios“– ein neues Wohnprodukt der IC Projektentwicklung– sollen entstehen, die dem Trend „Small is smart“ Rechnung tragen.
Hausgemachte Probleme
Die Wohnungsnachfrage könnte weitaus schneller befriedigt werden, doch gibt es für die Bauträger bei der Umsetzung hausgemachte Probleme. Zahlreiche Bauträger bemängeln, dass die Baugenehmigungsverfahren zu lange dauern. Als Fachgruppenobmann der Wiener Immobilien- und Vermögenstreuhänder vertritt Michael Pisecky auch die Bauträger und weiß: „Ich traue mir zu sagen, dass es tausende Wohnungen gibt, die in der Pipeline sind. Wenn die Baugenehmigungen schneller bearbeitet würden oder die Koordination zwischen den einzelnen Magistratsabteilungen besser funktionieren würde, dann könnten viele dieser Projekte schneller errichtet werden. Man sollte in dieser Sache den Blick fürs Ganze bewahren.“ Ein Wohnprojekt ist ohnehin schon eine Herausforderung für sich, wie Klaus Duda und Erik Testor von DTA– Duda, Testor. Architektur in Wien meinen: „Es findet bei Projekten oft eine Gratwanderung zwischen den Wünschen des Auftraggebers und den Vorgaben der Architektur statt.“ Und der Anliegen der Anrainer soll man sich auch noch annehmen. Duda: „Normalerweise nimmt die Entwicklung sechs Monate, die Planung ein Jahr und die Errichtung wieder ein Jahr in Anspruch. Oft benötigt man sehr viel mediatorisches Feingefühl.“
Bestand und Neubau
Vor allem bei Bestandsobjekten sind die Herausforderungen groß, und daher stand die GEBE-Fabrik in der Linzer Straße jahrelang leer. Jetzt wird sie unter dem Motto „Wohnen in der ehemaligen Fabrik“ von der wvg Bauträger Ges.m.b.H. und der Familienwohnbau GmbH revitalisiert. Es entstehen Wohnungen in einem ganz besonderen Ambiente: Da ein Teil der ehemaligen Herdfabrik denkmalgeschützt ist, werden das alte Kesselhaus mit Schornstein und die Fassade des Gebäudes erhalten bleiben. „Das Spannende bei diesem Projekt ist der Dialog zwischen Industriearchitektur mit Patina und zeitgemäßer Wohnbaukultur“, so wvg-Geschäftsführer Jörg Wippel. Ebenfalls in alten Gemäuern werden auf dem Areal des ehemaligen Gaswerks Leopoldau von der WSE Wiener Standortentwicklung GmbH ab 2016 Wohnungen, Gewerbeflächen und viel Grünraum errichtet. Darüber hinaus entstehen in mehreren der denkmalgeschützten Bestandsgebäude Ateliers und Werkstätten für Künstler und Kreative.
Wohnen am Wasser
Seltsam eigentlich, dass man in Wien die Nähe zum Wasser noch immer nicht richtig erkannt bzw. sich noch nicht dazu bekannt hat. Während in anderen europäischen Großstädten wie London, Berlin, Paris oder Amsterdam direkt am Wasser Projekte entwickelt werden, ist man in der Stadt an der Donau weiterhin zurückhaltend. Der Donaukanal hat seine Renaissance, unterstützt von Stadterneuerungsmaßnahmen der Stadt Wien und der Erschließung durch die Gastronomie, erst in den letzten Jahren erlebt. Die Donau lässt noch auf sich warten– allerdings nicht ganz. Unter anderem sind zwei interessante Projekte am zweitgrößten Strom Europas geplant: Insgesamt rund 70 hochwertige, frei finanzierte Eigentumswohnungen werden bis Herbst 2016 im 19. Wiener Gemeindebezirk im Umfeld des Kuchelauer Hafens entstehen. „Wohnen am Wasser ist ein Thema, das in Wien vor allem im internationalen Vergleich bisher kaum realisiert werden konnte“, freut sich Michael Pech, Geschäftsführer des ÖSW, das gemeinsam mit der GSG am 9.600 Quadratmeter großen Areal der ehemaligen Tegetthoff-Kaserne ein Wohnprojekt errichtet. Das Projekt gliedert sich in zwei Teile: in die „Waterfront“- und in die „Hillside“-Wohnungen.
Neue Wohnkonzepte
Die Zukunft wird von neuen Wohnkonzepten geprägt sein, wobei zahlreiche Bauträger bereits neue Themen in den Wohnbau einbringen: das ÖSW mit der Ausrichtung auf Freizeitmöglichkeiten beim Projekt „Time Out“, die Raiffeisen evolution mit ihren Konzepten „WOHN-BASE“, „ECO-BASE“ und „HUMAN_BASE“ oder DELTA mit dem „Haus im Leben“. In der Seestadt Wien-Aspern hat DELTA gemeinsam mit dem Architekturbüro AWG (AllesWirdGut) den Bauträger-Wettbewerb für das Baufeld D9 gewonnen. Die Bauträger dieses Projekts sind die WBG (Wohnen und Bauen GmbH) und die Wohnungsgenossenschaft Gartenheim. In einem der fünf Bauteile wird das gemeinsam mit der Firma Dasta und dem Care Living Circle entwickelte Mehrgenerationen-Wohnmodell unter dem Titel „Haus im Leben“ realisiert. Bei diesem Konzept handelt es sich um eine gemeinschaftliche Wohnform, bei der Generationen bewusst gemischt und von einem Wohnbetreuer gecoacht werden. Dass das Projekt stimmig ist, zeigt die Tatsache, dass es von der Jury einstimmig zum Siegerprojekt gekürt wurde, was bei Wohnbau-Wettbewerben in Wien eher eine Seltenheit ist.
„Wir sind die Alten von morgen. Daher ist es kein Luxus, wenn wir uns über die Zukunft von Leben und Wohnen im Alter Gedanken machen“, erklärt Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer und Unternehmenssprecher bei DELTA. „Das Konzept ist eine Weiterentwicklung der Wohnform der früheren Großfamilie und auf die heutigen Bedürfnisse zugeschnitten.“ Die verschiedenen Generationen können sich gegenseitig unterstützen, und gleichzeitig hat jeder seinen Rückzugsbereich. Außerdem sind in diesem Konzept zwei grundlegende Voraussetzungen für zukunftsträchtige Lösungen gegeben: die Finanzierbarkeit der Betreuung und ein Niedrigenergie-Standard. In Basis-Wohnkonzepten wie dem „Haus im Leben“, die auf verschiedene Bauprojekte umsetzbar sind, sieht Kradischnig einen großen Zukunftsmarkt.