Wie schätzen Sie die Marktverhältnisse aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung ein?
Ernst Vejdovszky: Ich habe schon mehrfach schwierige Phasen am Immobilienmarkt erlebt. Die erste war Anfang der 90er-Jahre. Da gab es einen Einbruch im Zinshaussektor in Wien, aber das war sehr überschaubar. Ähnlich wie jetzt hat es eine Zeit gebraucht, bis die Preisvorstellungen bei Angebot und Nachfrage wieder übereingestimmt haben. Derzeit stimmen sie noch nicht überein.
Aus einer globaleren Sicht betrachtet ist es elf, zwölf Jahre nach oben gegangen, und daher ist eine Entwicklung wie jetzt völlig natürlich. Die Phase des Abschwungs ist typischerweise immer kürzer als die Aufstiegsphase, aber sie wird meiner Meinung auch in einem halben Jahr noch nicht vorbei sein.
Wie lange wird das noch dauern?
Ich fürchte, wir haben den Bottom bei Gewerbeimmobilien noch nicht erreicht, und wenn sich die Zinsen wieder nach unten bewegen, wird das nur in einer überschaubaren Dimension stattfinden. Es sind sich selbst die Verantwortlichen nicht sicher, ob man die Zinsen senken soll bzw. wie schnell – das liest man ja täglich in den Medien. Nach meiner Einschätzung werden die Preise für gewerbliche Immobilien im heurigen Jahr noch sinken um rund 20 bis 30 Prozent. Das wird das Maximum vom höchsten Wert sein. Das hängt natürlich auch von den einzelnen Objekten ab. Die Toplagen halten am besten. Eine ähnliche Situation hatten wir vor rund zwölf Jahren in Osteuropa.
Ich habe aber das Gefühl, dass langsam Bewegung reinkommt. Auf der Käuferseite gibt es erste Anzeichen, dass sich Investoren umsehen, die Eigenkapital haben oder nur wenig Fremdkapital benötigen. Sie gehen davon aus, dass vielleicht jetzt schon der richtige Zeitpunkt da ist, und können auf einem Preisniveau kaufen, das um zehn bis 15 Prozent niedriger ist als vor zwei Jahren. Auf der Verkäuferseite weiß man, die Preise von vor zwei Jahren gibt es nicht mehr.
Und bei den Wohnungen?
Bei Wohnungen glaube ich auch, dass es noch einen Rückgang geben wird, aber nicht so massiv. Bei Wohnungen kommt der Effekt dazu, dass das Angebot fehlen wird. Es gab wenig Baustarts, und in spätestens einem Jahr haben wir eine Angebotslücke. Außerdem darf man die gestiegenen Mieten nicht außer Acht lassen darf. Nehmen wir zum Beispiel ein Wohngebäude. Das hat in mittlerer bis guter Lage vor eineinhalb Jahren zweieinhalb bis dreieinhalb Prozent Rendite gebracht. Das gleiche Objekt hat heute eine Rendite von 4,5 Prozent oder leicht darüber. Alleine vom Renditeabstand her wäre das eine Preisreduktion von 25 Prozent, aber wir haben in den vergangenen zwei Jahren im Wohnbereich auch deutlich höhere Mieten. Wenn man das gegenrechnet, hat man nur einen kleinen Rückgang. Die Mietsteigerung kompensiert zum Großteil den Yield-Anstieg.
Die Inflation müsste die Investoren ja in die Immobilien treiben.
Inflation spricht natürlich auch für Immobilien, und wenn man Immobilien langfristig kauft, ist es nicht so entscheidend, ob man vielleicht um zehn oder 15 Prozent mehr oder weniger bezahlt. Hätte man zum Beispiel vor 30 Jahren die richtige Immobilie in sehr guter Lage um 15 Prozent teurer gekauft, wäre das heute trotzdem ein sehr guter Deal.
Wie schätzen Sie die Situation rund um die Banken ein?
Es gibt eine Anzahl von Banken, die mutig finanziert haben. Das waren großteils kleine Banken am Land, und eine Bankengruppe ist hier besonders stark vertreten. In dem wahnsinnigen Markt der letzten Jahre – speziell im Zinshausmarkt in Wien – haben viele nur gekauft und dann wieder verkauft. Wie es aber immer so ist: Den Letzten beißen die Hunde. Diejenigen, die zuletzt gekauft haben, haben jetzt ein Problem. Das gilt auch für viele Projektentwickler, die Grund und Boden sehr teuer gekauft haben und von den Banken großzügig finanziert wurden.
Stehen alle Bankengruppen vor den gleichen Problemen?
Nein. Allgemein sind die Banken in Österreich heute viel besser aufgestellt als früher. Auch wenn es in manchen Fällen Probleme gibt, sind diese Probleme zwar schmerzlich, aber nicht existenzbedrohend. Und viele Banken haben auch in der Boomphase sehr risikobewusst gehandelt und waren vernünftig besichert – zu einer von ihnen hatte ich in meinen Berufsjahren ein starkes Nahverhältnis. Schauen Sie, selbst wenn man zum Beispiel 75 Prozent einer Immobilie finanziert hat und der Wert um 30 Prozent zurückgeht, ist der aktuelle Schaden überschaubar. In so einem Fall können die Banken abwarten, was passiert.
Derzeit beobachte ich, dass sich die Banken auch in schwierigen Fällen sehr scheuen, Kredite fällig zu stellen. Das ist grundsätzlich vernünftig, aber es wird die Stunde der Wahrheit mit Sicherheit kommen, und darauf muss man sich vorbereiten. Das ist ein Bereich, in dem mein Unternehmen Banken unterstützt, auch beim Verkaufbar-Machen einer Immobilie, zum Beispiel durch das Fertigstellen von halbfertigen Projekten. Das Problem ist: Wenn man eine Immobilie verkaufen will, macht es einen Unterschied, ob man wenige Monate Zeit hat oder ein Jahr. Ein normaler Verkauf hat immer mindestens ein Dreivierteljahr gedauert – von dem Moment an, wenn man sich für den Verkauf entscheidet, bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Geld am Konto ist. Ein Firesale ist immer schlecht.
Können Sie ein Beispiel einer mutigen Finanzierung nennen?
Ich kenne Projekte, die acht Millionen Euro wert waren und in der Boomphase um zehn gekauft wurden – mit neun Millionen Kredit und einer Million Mezzaninkapital. Heute ist die Immobilie sechs Millionen wert, und es sind noch einige Millionen in die Entwicklung zu investieren.
Umstrukturierung wird daher ein großes Thema sein.
Natürlich. In diesem Bereich wird es in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren viel Arbeit geben. Bei halbfertigen Projekten, die zum Teil verkauft sind, muss auch die Fertigstellung finanziert werden. Eine Bank, die schon drinhängt, tut sich schwer. Mezzaninkapital gibt es auch nicht wirklich. Also schon, aber die Mezzaninkapitalgeber suchen sich ihre Fälle aus und verlangen sehr, sehr hohe Zinsen.
Wie sehen Sie die Situation rund um die SIGNA?
Ich habe die Dimension dessen, was jetzt passiert, bis Oktober letzten Jahres nicht für möglich gehalten. Es war von außen nicht erkennbar, wie groß die Verschuldung wirklich ist, denn aus meiner Sicht waren in der SIGNA immer sehr gute Leute tätig – auch im Finanzbereich. Dass die Immobilien sehr hoch bewertet wurden, das vermutete man. Da treffen ein Zinsanstieg und eine Marktkorrektur natürlich besonders hart. Jetzt geht es eher darum, die Projekte zu retten. Der Krampf bei einer Unternehmensgruppe dieser Art sind immer die vielen konzerninternen Leistungsbeziehungen und die Geldflüsse, die passiert sind.
Das „Lamarr“ sollte fertiggebaut werden, weil es sich nach meiner Einschätzung wirtschaftlich ausgehen wird. Wahrscheinlich ist die Anfangsrendite nicht so hoch. Es wird sich für alle die Frage stellen, welche Kosten habe ich noch to complete, aber wenn es fertig ist, hat es einen Wert. Man muss jemand finden, der es übernimmt, und der wird auch nur einen Preis zahlen, der sich rechnet. Aber das ist ein typischer Fall, wo es für alle finanzierenden Banken nach meiner Einschätzung sinnvoll ist, das Projekt fertigzubauen und es erst dann in Ruhe zu verwerten.
Haben Sie einen Tipp für junge Menschen in der Immobilienwirtschaft?
Meine Arbeit hat mir immer Spaß gemacht. Es hat mir nie Schmerzen bereitet, arbeiten zu gehen, denn Arbeit macht einen wichtigen Teil des Lebens aus, und daher ist es wichtig, dass man Freude daran hat. Was ich jungen Menschen raten kann: Egal, welchen Job ihr habt, versucht, die Dinge gut zu machen. Wenn man sie gut macht, hat man Erfolg und bekommt Anerkennung und letztendlich auch mehr Geld.