Anlagewohnungen waren durch Zinsanstieg und KIM-Verordnung im heurigen Jahr bis dato wenig gefragt. Jetzt scheinen sie ein Comeback zu feiern. „Sie haben in den letzten Jahren ihren Sinn verloren, weil niemand langfristig geplant hat“, meint Nino Lutz, Leitung Immobilien Region Wien bei der s REAL. Viele haben gekauft, um die Preissteigerungen mitzumachen, und dann wieder verkauft. „Das Produkt wurde nicht so gelebt, wie die Idee dahinter war: nämlich eine langfristige Anlage zu haben, die sichere Renditen abwirft.“ Mittlerweile setzt sich dieser Investment-Gedanke wieder durch.
Preissenkung? Kaum!
Die Nachfrage von privaten Investoren steigt langsam an. „Wir beobachten, dass gerade jetzt eigenkapitalstarke Anleger den Mehrwert erkennen, in qualitativ hochwertigen Wohnraum zu investieren“, sagt Michael Neubauer, Geschäftsführer von NOE Immobilien Development – NID. Wo Eigenkapital vorhanden ist, wird selektiv in Vorsorgewohnungen investiert, allerdings zeigen sich einige private Investoren noch zögerlich. Sie warten noch ab im Glauben, dass es billiger wird. „Im Neubau ist das kaum möglich, da die Gestehungskosten hoch sind“, erklärt Martin Steiner, Geschäftsführer J&P Immobilienmakler. Im Neubau wird es keine Reduktion geben, ist auch Marion Weinberger-Fritz, Geschäftsführerin Raiffeisen Vorsorge Wohnung, überzeugt. Wahrscheinlich tritt das Gegenteil ein: „Mittel- bis langfristig werden wir eher wieder große Wertsteigerungen sehen.“ Zahlreiche Wohnprojekte können derzeit nicht mehr umgesetzt werden, und die Baugenehmigungen sind auf einem historischen Tiefstand. Gunther Hingsammer, Vorstand IFA AG: „Heuer dürften nur noch Baugenehmigungen für rund 15.000 Wohneinheiten im mehrgeschoßigen Segment erteilt werden.“ 2020 waren es noch fast 45.000. Bei der Anzahl fertiggestellter Wohnungen wird ein Rückgang von rund 70.000 im Jahr 2021 auf rund 43.000 Wohnungen im Jahr 2024 prognostiziert. Marion Weinberger-Fritz: „Das bedeutet, dass wir ab 2025/2026 wieder mehr Nachfrage als Angebot haben werden.“
Gebrauchten Wohnungen fehlt oftmals die Nachhaltigkeit
Der Second-hand-Wohnungsmarkt verfügt hier über mehr Preisflexibilität. Gebrauchte Wohnungen sind günstiger, haben aber den Nachteil, dass ihnen oftmals die gefragten Nachhaltigkeitskriterien fehlen. Gesucht werden nämlich „insbesondere Projekte mit alternativen Energieträgern“, sagt Marion Weinberger-Fritz. Die Nachdenkpause bei den Anlagewohnungen hat die Perspektive der Käuferinnen und Käufer verändert. Nachhaltigkeit und alternative Energieträger werden bevorzugt, die Betriebskosten genau unter die Lupe genommen. Einen weiteren – neuen/alten – Aspekt stellt Nicole Rabl, verantwortlich für den Vertrieb der NID-Projekte, fest: „Während früher ausschließlich auf die Rendite geachtet wurde, spielen nun zahlreiche weitere Faktoren, die die Attraktivität des Investments steigern, eine Rolle: Sicheres Veranlagen in qualitätsvolle, nachhaltige Projekte steht im Vordergrund – und damit der Werterhalt.“
Es mag sein, dass sich die meisten Wohnungen jetzt durch den Druck, der sich im Mietenmarkt aufbaut, leicht vermieten lassen, aber ebenso „zeigt sich immer wieder, dass eine gute Lage wertbeständig ist und auch bei starker Konkurrenz kaum einen Leerstand aufweist“, so Martin Steiner.
Nicht nur Stadt, sondern auch Land
Die Pandemie hat allerdings die Lagekriterien auch bei privaten Investoren nachhaltig beeinflusst, meint Michael Neubauer. So ist zum einen zwar immer noch „urban mit attraktiver Anbindung an Infrastruktur“ eine beliebte Kategorie beim Kauf von Wohnungen. Zum anderen jedoch lassen sich auch größere Wohnungen in grünen, ruhigen Lagen sehr gut und langfristig vermieten, etwa großzügige (Familien-)Wohnungen am Stadtrand oder in nachgefragten Städten in Niederösterreich. „Unsere Projekte in Tullnerfeld, Bad Vöslau oder im Zentrum Wiener Neustadt belegen dies“, so der NID-Geschäftsführer. Gute Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto nach Wien sind allerdings Voraussetzung.
Das Bauherrenmodell
Als Investment-Alternative zu einer einzelnen Wohnung bieten sich auch Bauherrenmodelle an, „deren Beliebtheit seit Jahren steigt“, so IFA-Vorstand Hingsammer: „Die gemeinsame Vermietung über den Mietenpool minimiert das sogenannte Leerstandrisiko.“ Öffentliche Förderungen und steuerliche Begünstigungen ermöglichen eine persönliche Renditeoptimierung – etwa durch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug, die Sofortabschreibung der Werbungskosten sowie eine beschleunigte Abschreibung der Bau- und Nebenkosten.
Gute Zeit zu kaufen
„Wenn man jetzt eine Anlagewohnung besitzt, die solide finanziert ist und nicht auf Spekulation aufgebaut wurde, dann hat man in den letzten Jahren vieles richtig gemacht“, sagt Martina Hirsch, Geschäftsführerin der s REAL. Für diejenigen, die es sich leisten könnten, „wäre jetzt wieder eine gute Chance, um eine Wohnung zu kaufen“.