Eigentlich ist es schon eine Weile her, aber so lange dann auch wieder nicht. Die Rede ist von „Transdanubien“, dem vernachlässigten Teil von Wien auf der anderen Seite der Donau. Noch Anfang der 80er-Jahre war zum Beispiel eine der wichtigsten öffentlichen Verkehrsanbindungen nach Stadlau die Straßenbahn 26, die vom Praterstern in die Tiefen des 22. Bezirks führte. Mit der geplatzten Expo geriet zunächst einmal die „Platte“ als Büro- und Wohnstandort in den Fokus der Stadtplanung. Immerhin gab es ja seit 1979 bereits die UNO-City an diesem Standort. 1990 ließ die Stadt Wien schließlich einen Masterplan erstellen, legte die Flächenwidmung fest und gründete die WED Wiener Entwicklungsgesellschaft AG zur Errichtung der damaligen „Donaucity“. Damit war die Chance für ein zweites Stadtzentrum geschaffen und ein weiterer Schritt Richtung 21. und 22. Bezirk getan.
Die Möglichkeiten der Bebauung
Die Möglichkeiten für eine großflächige Bebauung von Floridsdorf und Donaustadt wurden aber schon viel früher geschaffen, und zwar 1970. Vor allem die Donauregulierung im Stadtbereich Wien sollte dazu dienen, die beiden Bezirke Donaustadt und Floridsdorf stärker in die Stadt einzubinden. 1972 wurde mit den Aushubarbeiten parallel zum linken Donauufer begonnen und die 200 Meter breite „Neue Donau“ geschaffen. Mit dem Aushubmaterial wurde die Donauinsel als freie Insel zwischen Hauptstrom und Entlastungsgerinne aufgeschüttet. Im Jahr 1988 wurde die Donauinsel schließlich fertiggestellt. Damit war nicht nur eine weitere Bebauung möglich, sondern es wurde ein neuer Naherholungsraum mitten in der Stadt geschaffen, um den Wien von zahlreichen anderen Großstädten beneidet wird. Die Insel zieht sich ganze 21 Kilometer von Langenzersdorf bis zur Lobau durch die nördliche Stadtgebiet, mit einer Breite von bis zu 250 Metern. Das sind auch die Features, die den 21. und den 22. Bezirk so beliebt machen: die Naherholung und die Freizeitmöglichkeiten. Nach und nach wuchsen die Gebiete zusammen und mit der Erweiterung der U1, der U6 und schließlich dem erst im Oktober 2010 abgeschlossenen Ausbau der U2 war „Transdanubien“ in die Stadt integriert.
Wohnen über der Donau
Einer der Ersten, die das Wohnpotenzial schon frühzeitig erkannt hatten, war Erwin Hübl, Geschäftsführer von Hübl Partner, der bereits im Jahr 1999 davon überzeugt war, dass Floridsdorf und Donaustadt als Wohnbezirke im Kommen sind: „Früher war Floridsdorf nur Wohngebiet, mittlerweile haben sich rundherum auch zahlreiche Bürogebiete entwickelt, wie Lasallestraße, DonauCity oder der Gewerbepark im Norden. Das wiederum hat dazu geführt, dass sich vermehrt Leute in Floridsdorf ansiedeln, denn jeder will dort wohnen, wo er arbeitet.“ Aber auch neue Wohnideen werden hier in „Transdanubien“ verwirklicht. Es werden nicht einfach Klötze in die Gegend gestellt, sondern die zahlreichen gemeinnützigen und privaten Bauträger nützen die Chance, die diese Gegend bietet, und lassen immer wieder neue Ideen in ihre Planungen einfließen. Ob die Raiffeisen evolution mit dem Projekt Trondheimgasse oder das ÖSW mit den Projekten Mühlengrund, Citycom, Donaufelder Straße oder „Kagraner Mischung“. Zu den teuren Gegenden in Wien zählen mittlerweile die Grundstücke und Häuser entlang der alten Donau, die mitten in der Stadt liegen, aber Natur pur vermitteln. Auch das Angebot an Vorsorgewohnungen ist bereits über die Donau gewandert.
Viele Arbeitsplätze wurden geschaffen
Ausschlaggebend für die große Nachfrage nach Wohnraum ist natürlich auch das entsprechende Angebot an Arbeitsplätzen, das von der Stadt Wien durch Betriebsansiedelungen geschaffen wurde. Dazu zählt unter anderem die VIENNA DC. Die Gesamtfläche der Donaucity beträgt 18,5 Hektar und das Gesamtinvestitionsvolumen für diesen neuen Stadtteil beläuft sich auf rund zwei Milliarden Euro. Zahlreiche Büroprojekte wurden neben den Wohnbauten errichtet, und wer hätte je damit gerechnet, dass hier auch der höchste Büroturm Österreichs entstehen wird? Die Zeit hat neue Maßstäbe gesetzt und so wird derzeit der Vienna DC Tower errichtet. Er wird mit mehr als 220 Metern Höhe und 60 Geschoßen nicht nur das höchste Bürogebäude, sondern zweifellos auch das durch seine architektonische Ausprägung spektakulärste und für den prosperierenden Stadtteil ein weithin sichtbares Landmark sein.
Platz für Vorzeigeprojekte
Aber auch andere Vorzeigeprojekte sind jenseits der Donau entstanden. So zum Beispiel das ENERGYbase der Wirtschaftsagentur Wien. Das Bürohaus baut auf Ökologie, Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz, Passivhausstandard und hohen Nutzerkomfort. Heizen und Kühlen wird zu 100% aus erneuerbarer Energie– Erdwärme, Sonnenenergie– gedeckt, die monatliche Einsparung an Energiekosten gegenüber einem herkömmlichen Bürohaus in dieser Größe beträgt rund 80%. Oder die Siemens City– das Siemens-Österreich-Headquarter in Wien-Floridsdorf.
Aspern, die Seestadt Wiens
Mit „Aspern, die Seestadt Wiens“ soll eines der größten europäischen Stadtentwicklungsgebiete realisiert werden. Da es für den neuen Stadtteil keine bestehenden Strukturen gibt– denn die Stadt wird auf einem freien Feld errichtet, inklusive U-Bahn Anschluss–, sind viele Möglichkeiten für die Umsetzung von neuen Ideen gegeben. „Den Charme des Projekts ,Seestadt Aspern‘ macht die freie Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeit aus“, sieht Gerhard Hirczi, Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien, die Chancen dieses Stadtentwicklungsgebietes: „Wir haben kaum Strukturen auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Im Normalfall hat man Module, bei denen 80% vorgegeben sind, aber in Aspern ist das anders.“
Das erste Baufeld sieht mit dem Technologiezentrum Aspern IQ einen Gebäudetyp vor, der hinsichtlich Innovation, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit für die weiteren Bebauungen Vorbildcharakter besitzt– mit Augenmerk auf Energieeffizienz, Materialökologie und Wirtschaftlichkeit. Hirczi: „Damit geben wir auch ein Commitment zur ,Seestadt Aspern‘ ab, die wir als Standort gewählt haben. Die wichtigste Voraussetzung ist allerdings, dass man einen langen Atem hat. Wir haben ihn.“