„Mit weniger mehr!“ – das Thema dahinter ist nicht nur hochaktuell, sondern für alle verständlich: Weniger Fläche, weniger Komplexität, weniger Material bei Immobilien – dafür mehr Zufriedenheit, Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl.
Zwischen Sparsamkeit und Strategie
Prof. Dr. Marion Peyinghaus (Geschäftsführerin Competence Center Process Management Real Estate GmbH, CCPMRE, und Professorin für Immobilien Management und Projektentwicklung an der hochschule 21, Buxtehude) und Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner (ebenfalls Geschäftsführerin des CCPMRE und Professorin für Facility Management an der HTW Berlin) führten mit den Ergebnissen des aktuellen PMRE Monitors 2025 in das Thema ein. Er stand diesmal unter dem Titel „Frugal Real Estate – Mit weniger mehr! Vereinfachung von Immobilien und die Komplexitätsreduktion von Unternehmen der Immobilienwirtschaft.“ Begleitet wurden sie von dem Moderatoren-Duo – neben Glatte der Branchenkenner Peter Prischl.
Der Monitor basiert auf einer breit angelegten Befragung: 357 Fach- und Führungskräfte aus der Immobilienwirtschaft der DACH-Region, 132 Vertreter der Generation Z – sowie 23 Immobilienprofis aus China. Ein internationaler Blick auf das „Weniger“, der im Laufe des Talks noch für einige Aha-Momente sorgen sollte.
Die Suche nach dem Wesentlichen
Zeitner eröffnete die Erkundung des Frugalen mit einem markanten Vergleich: dem höhenverstellbaren Bürotisch mit Handkurbel. Weniger Technik, weniger Fehlerquellen – und mehr körperliche Betätigung. Ein Symbol für das, was der Immobilienbranche bevorsteht, möchte sie vom sinnbildlichen High-End-Tisch wegkommen, der sich per Elektromotor heben lässt, aber dafür auch aufgrund von Kabeln, Schaltern und Anschlüssen hohe Anschaffungskosten hat und störanfälliger ist. Was also bringt das Weniger? Zwei große Fragen standen im Zentrum der Untersuchung:
- Wie erzeugt ein Weniger in Immobilien mehr Ertrag und Wertstabilität?
- Wie sorgt ein Weniger in Unternehmen für mehr Effizienz, Zufriedenheit und Erfolg?
Peyinghaus übernahm sogleich die Vorstellung der Studienergebnisse. Immer im Blick: „Wie können wir Ballast abwerfen, um Werte aufzubauen“. Hierzu wurden 13 Gebäudemerkmale definiert, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden: Reduktion und Maximierung. Die wesentlichen Aspekte sind:
- Fläche – weniger Wohn- oder Bürofläche pro Person
- Material – reduzierte Materialmengen, etwa durch modulare Bauweise
- Energie – geringer Energieverbrauch durch passive oder effiziente Technik
- Kosten – niedrigere Bau-, Betriebs- und Nutzungskosten
- Aufwand – minimaler Pflege- und Instandhaltungsbedarf
- Komplexität – einfache Systeme und reduzierte technische Ausstattung
Diese Merkmale stehen stellvertretend für das Prinzip „Weniger ist mehr“. Ziel ist, Raum, Ressourcen und Prozesse auf das Wesentliche zu reduzieren – ohne Verzicht auf Qualität oder Komfort.
Wohnflächenreduktion löst Wohnungsnot
Während die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Deutschland bei 47,4 Quadratmeter liegt, halten Fachleute aus der Immobilienwirtschaft bereits 41,8 Quadratmeter für ausreichend – die GenZ kommt auf 43,2 Quadratmeter. Das entspricht einem Einsparpotenzial von mindestens 9 Prozent. Noch deutlicher fällt die freiwillige Reduktionsbereitschaft aus: 14 Prozent bei den Experten, 10 Prozent bei der jungen Generation. Würde dieses Potenzial ausgeschöpft, könnten rein rechnerisch mehr als 3,9 Millionen Wohnungen entstehen – ohne einen einzigen Neubau. Es ist ein Perspektivwechsel, den Peyinghaus mit einem Satz auf den Punkt bringt: „Wir haben kein Wohnungsproblem, sondern ein Wohnflächenverteilungsproblem.“
Ein Weg bei der Reduzierung von Flächen führe über das Teilen – aus verständlichen Gründen nicht jedoch bei Bad, Küche und Esszimmer. „Doch Garten, Gästezimmer oder Arbeitsfläche? Hier wird es interessant – gerade für neue Quartierskonzepte“, sagte Peyinghaus. Für intelligent gestalteten Wohnraum mit geringerem Aufwand, weniger Fläche und mehr Qualität sind die Menschen sogar bereit, bis zu 3,25 Prozent mehr Miete zu zahlen. Ein starkes Signal an Planer, Entwickler und Politik – und ein stilles Versprechen an die Städte: Es gibt Lösungen. Man muss sie nur nutzen und vor allem für Kommunikation und Transparenz sorgen.
Die stille Revolution im Büro
Ähnliche Effekte ließen sich bei Büroimmobilien erzielen. 41 Millionen Quadratmeter Bürofläche könne man einsparen – doppelt so viel wie der gesamte Berliner Markt –, wenn man den realen Bedarf zugrunde legt. Die Mittel und Wege? Flexible Arbeitsmodelle, Homeoffice, KI. Der Trend sei unumkehrbar, die Auswirkungen massiv, so Peyinghaus. Für die Investoren bedeute das: Wer Büro neu denkt, hat Chancen. Gemeinschaftlich genutzte Räume, Services für alle Nutzer, hybride Konzepte – Frugalität schaffe nicht Verzicht, sondern neue Möglichkeiten, so die Kernbotschaft. Die Nutzer wünschen sich keine isolierten Lösungen mehr, stattdessen smarte Angebote, die sich übergreifend organisieren lassen – über Plattformen, Netzwerke und Systemlösungen. Das Büro wird so nicht kleiner, sondern vielfältiger nutzbar – und damit effizienter, nachhaltiger und attraktiver zugleich. Besonders überraschend: Die Zufriedenheit durch „frugale Arbeitsumgebungen“ steigt um 23 Prozent.
Frugalität hat so auch Auswirkungen auf den Investmentansatz. Die Studie zeigte, dass Nutzer bereit sind, 1,2 Prozent Renditeverzicht hinzunehmen, wenn das Gemeinwohl profitiert. Zudem betrage das Wertsteigerungspotenzial durchschnittlich 8,5 Prozent, bei ressourceneffizienten Gebäuden sind es sogar 12 Prozent.
Hausgemachte Probleme
Später richtete sich der Blick auf den Arbeitsalltag der Immobilienunternehmen selbst – und auf ihre Blindstellen. Die Analyse zeigte: 14,7 Prozent der Arbeitszeit gehen durch Komplexität verloren. Das entspricht 5,6 Stunden pro Woche.
Die größten Bremsklötze? Nicht externe Regularien, wie oft vermutet – sondern Verhinderungskultur, endlose Meetings und unklare Prozesse. Das Fazit: Das Problem ist hausgemacht. Das Gute daran: „Wir können es selbst lösen“, machte Peyinghaus Mut – etwa indem die Unternehmen frugale Managementprinzipien anwenden. Firmen, die diese umsetzen – Co-Innovation, modulare Abläufe, klare Entscheidungswege –, performen um 19 Prozent besser. Doch: Nur 1,4 Prozent tun dies bislang.
Von China lernen
Ein spannender Exkurs führte nach China. „Jede Provinzstadt dort hat mehr Bürofläche als Frankfurt. Shanghai verfügt über mehr Wolkenkratzer als ganz Europa. Während der BER entstand, hat China 100 Flughäfen hochgezogen“, illustrierte Peyinghaus den Bauboom, benannte aber auch die Schattenseiten: dramatischer Leerstand, Wertentwicklung im Fall, drastischer Rückgang bei den Mieten.
Die großen kulturellen Unterschiede drücken sich auch im geringeren Büroflächenbedarf aus, der bei nur 8,4 Quadratmeter pro Person liegt – fast die Hälfte des deutschen Niveaus. Und während China mit Recyclingkompetenz und kürzeren Lebenszyklen aufwartet – Bürogebäude haben dort nur einen Horizont von durchschnittlich 27 Jahren, Wohngebäude werden mit 44 Jahren geplant – setzt der Westen stärker auf Langlebigkeit und technische Systemarchitektur; etwas, auf das China mit Interesse schaut. „Wir können voneinander lernen; auch von Chinas größerer Bereitschaft, Flächen zu teilen“, fasste Peyinghaus zusammen.
Generation Z – Generation Zukunft
Nächster Exkurs: „Faul, anspruchsvoll, ungebildet“ – so lauten gängige Klischees über die Generation Z. Der PMRE Monitor 2025 zeigt ein differenzierteres Bild: Die GenZ ist risikosensibel, von Überbehütung geprägt und zeigt ein hohes Sicherheitsbedürfnis – aber sie ist zugleich engagiert, werteorientiert und bereit, Verantwortung neu zu denken. Ihre Vorstellungen von Raum unterscheiden sich dabei deutlich von früheren Generationen:
- 43,2 Quadratmeter Wohnfläche gelten ihr als ideal – das sind drei Prozent mehr als bei der älteren Wirtschaftsgeneration.
- Im Büro beansprucht sie sogar 18,1 Quadratmeter, ein Plus von 23 Prozent – allerdings mit dem Wunsch, diese Flächen gemeinsam und flexibel zu nutzen und den Einspareffekt auf die Gehälter der Mitarbeiter umzulegen.
Zugleich ist sie bereit, Verantwortung abzugeben und in neue Geschäftsmodelle einzusteigen, die ihr Sinn, Stabilität und Mitgestaltung bieten. Renditeverzicht zum Wohle des Gemeinwohls? Kein Problem: Die GenZ akzeptiert 1,7 Prozent Renditeabschlag bei einschlägigen Investments – das sind 39 Prozent mehr, als die Wirtschaftsgeneration bereit ist zu geben. Und sie setzt klare Prioritäten bei Investitionen: Low-Cost-Immobilien, die ökonomisch, sozial und ökologisch sinnvoll sind, stehen bei ihr höher im Kurs als glamouröse Hochglanzprojekte. Die Botschaft: Diese Generation will mehr – aber von den richtigen Dingen.
Feuerwerk der Ideen – und ein Begriff, der hängen bleibt
Co-Moderator Prischl zeigte sich begeistert und lobte die Begrifflichkeit: „Mir gefällt ‚frugal‘, auch wenn es nicht Liebe auf den ersten Blick war. Doch gerade für Gen Z ist dies ein guter Aufhänger.“ Seine erste Frage griff den geringen Implementierungsgrad frugaler Managementprinzipien mit 1,4 Prozent auf: „Das ist beschämend, eine Verfünffachung auf gerade einmal 7 Prozent würde sicher enorme Effekte zeitigen?“ Hierzu Peyinghaus: „Ja, das stimmt definitiv.“ Hier gebe es ein hohes Aufholpotenzial beim „Schieberegler“. Eine Erhöhung sei sinnvoll, aber 100 Prozent werde man nie erreichen.
Daneben trieb Prischl die Frage um, ob die beiden Exkursthemen Gen Z und China bewusst gekoppelt wurden? Hier verneinte Zeitner einen Zusammenhang, unterstrich jedoch erneut, wie viel man bei praktischen Dingen von China lernen könne. Beim Thema China hielt es Glatte nicht länger auf dem Stuhl: „Da kribbelt es bei mir, aufgrund meiner langen beruflichen Zeit in Asien“, sagte er und schilderte die enorme Baudichte in der Volksrepublik, die geringe Lebensdauer und Qualität. „Dort schaut man nach Deutschland.“ Prischl warnte hier allerdings vor Übertreibungen und berichtete von einem deutschen Projekt für 200 Jahre. Seiner Meinung nach sollten Lösungen vielmehr sein: 40 statt 60 Jahre, aber zu zwei Dritteln der Kosten. Und: „Künstliche Intelligenz bringt Chancen für ‚Frugal‘“, was beide Forscherinnen bejahten.