Größere Wohnbauvorhaben benötigen große Flächen. Diese finden sich regelmäßig am Stadtrand, mitunter in Lebensräumen von Tieren und Pflanzen. Das Wiener Naturschutzgesetz soll Handlungen verhindern, die dazu führen, dass (streng) geschützte Tier- bzw. Pflanzenarten – etwa durch größere Bauvorhaben – gestört werden.
Auf Antrag können naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligungen u.a. für Bauvorhaben, die im überwiegenden öffentlichen Interesse stehen, wie etwa für geförderten Wohnbau, erteilt werden. „Die Voraussetzung dafür ist, dass es keine andere zufriedenstellende Alternative gibt und der Erhaltungszustand der betroffenen geschützten Art trotz Durchführung der bewilligten Maßnahme gesichert bleibt.“, erklärt Immobilienrechtsexperte Mag. Markus Busta, Partner bei HSP.law.
In einem kürzlich beendeten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien legten die Antragsteller, für ein großes Wohnbauvorhaben für leistbares Wohnen, im Rahmen der gebotenen Alternativenprüfung dar, welche alternativen Flächen im räumlichen Nahebereich für die Realisierung sonst noch genutzt werden könnten. Diese Prüfung ergab, dass der geplante Standort aufgrund der erwirkten Widmungsgrundlagen mehr oder weniger alternativlos ist.
Das Verwaltungsgericht Wien erkannte demgegenüber, dass sich die Prüfung von Alternativstandorten nicht auf den jeweiligen Bezirk beschränken dürfe, da der Bedarf an leistbarem Wohnraum schließlich für das gesamte Stadtgebiet bestehe. Die wesentlichen Mehrkosten für alternative Standorte und massive Zeitverzögerungen beim Wohnbau hielt das Verwaltungsgericht für nicht relevant.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass künftig naturschutzrechtliche Bewilligungen nicht mehr erteilt werden (können), wenn es irgendwo im Stadtgebiet eine andere Liegenschaft mit geringerer Eingriffsintensität gibt. Überspitzt formuliert, müssten für Projekte, die dem sozialen Wohnbau dienen, aus naturschutzrechtlicher Sicht sogar Alternativstandorte in wesentlich hochpreisigeren Lagen geprüft werden. Dass in derartigen Lagen geförderter Wohnbau wohl kaum möglich ist, war für das Verwaltungsgericht Wien kein Entscheidungsparameter. Ob diese Beurteilung dem verfassungsmäßig vorgegebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, darf bezweifelt werden.
Vor allem die Ansicht des Gerichts, dass Mehrkosten für den Erwerb alternativer Projektstandorte von über 10 % unmaßgeblich sein sollen, könnte dazu führen, dass ein wesentliches Ziel der Wiener Stadtpolitik, nämlich die Schaffung leistbaren Wohnraums in Wien, noch schwieriger erreicht werden kann.
„Es bleibt nun abzuwarten, ob gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien Revision erhoben wird, sodass der Verwaltungsgerichtshof darüber entscheidet, wie weit die gebotene Alternativenprüfung gehen muss. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wäre dann wahrlich richtungsweisend.“, so Experte Busta abschließend.