Seit über einem Jahr stellen die eigenen vier Wände den Mittelpunkt unseres Alltags dar und lassen den Wohnraum gleichzeitig zu Büro, Schule und Freizeitort werden – dies betrifft natürlich auch die Nachbarn. Dass dieses unfreiwillige, enge Zusammenleben für Spannungen sorgen kann, ist verständlich. Was die häufigsten Streitthemen sind und was dagegen unternommen werden kann, erklärt die Wiener Immobilienplattform FindMyHome.at gemeinsam mit den Rechtsexperten der HSP Rechtsanwälte GmbH.
Nutzung von Gemeinschaftsflächen: Welche COVID-Maßnahmen sind einzuhalten?
Grundsätzlich ist die Hausverwaltung dazu verpflichtet, die geltende Maßnahmenverordnung einzuhalten. So weist etwa „Wiener Wohnen“ explizit darauf hin, dass im Gemeindebau in engen, öffentlich zugänglichen Räumen, wie beispielsweise den Eingangsbereichen und Aufzügen, ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen ist und Abstand gehalten werden muss. Anders sieht die Lage im Bereich des Wohnungseigentums und bei Mehrparteienhäusern aus, weiß FindMyHome.at Geschäftsführer Benedikt Gabriel: „Hier wird meist an die Eigenverantwortung der Bewohner appelliert, die Gemeinschaftsräume maßnahmenkonform zu nutzen. Die Hausverwaltung spricht gegebenen falls Empfehlungen aus. Theoretisch wäre im Rahmen einer Hausordnung etwa eine verpflichtende Mund-Nasen-Schutz-Regelung denkbar. Praktisch wird allerdings aufgrund des Eingriffs in die höchstpersönlichen Rechte der Anwohner davon abgesehen.“
Wann sind meine Nachbarn zu laut?
In Zeiten von Homeoffice und Homeschooling, benötigen die meisten Menschen eine ruhige Umgebung. Vor allem in Mehrparteihäusern, wo mehrere Bewohner auf engstem Raum zusammenleben, entsteht zwangsmäßig eine nicht vermeidbare Lärmkulisse, die sich auf Dauer allerdings zur Belastung entwickeln kann. Doch wann ist der Nachbar tatsächlich zu laut? „Lärm ist insoweit untersagt, wenn er sowohl das nach örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreitet als auch die ortsübliche Nutzung beeinträchtigt“, erklärt Rechtsanwalt Wilhelm Huck und fügt hinzu: „Ob eine unzumutbare Belästigung vorliegt, hängt von den jeweiligen Umständen ab. So wird beispielsweise Lärm von spielenden Kindern oder Baulärm im städtischen Raum in der Regel als ortsüblich eingestuft. Stundenlange Bandproben hingegen können als Beeinträchtigung eingeordnet werden.“ Wer wiederholtem und unzumutbarem Lärm ausgesetzt ist, sollte dies sorgfältig dokumentieren und eine Anzeige in Erwägung ziehen, wenn ein persönliches Gespräch nicht weiterhilft.
Ganztägiger Zigarettengeruch: Muss ich das dulden?
Auch Geruch kann sich zur Belästigung entwickeln. Vor allem Rauchpausen, die im Homeoffice meist am Balkon verbracht werden, können für Ärgernis bei den umliegenden Wohnparteien sorgen. „Zigarettenrauch wird grundsätzlich als ortsüblich eingestuft. Allerdings kann sich eine Belästigung aus der Dauer des Rauchens, der Intensität und insbesondere der Lage der Wohnungen zueinander ergeben. Ab fünfeinhalb Stunden wahrnehmbaren Zigarettengeruch liegt auch rechtlich gesehen eine wesentliche Beeinträchtigung vor, bei der man tätig werden sollte“, so der Rechtsexperte Wilhelm Huck.
Verstärkte Rücksichtnahme in Zeiten von Corona
„Aufgrund des herausfordernden Pandemie-Jahres bestehen auch rechtlich gesehen erhöhte Anforderungen an Zumutbarkeit von Störungen innerhalb der Nachbarschaft. Gleichzeitig kann von allen Bewohnern ein erhöhtes, respektvolles Verhalten erwartet werden“, so Wilhelm Huck. Benedikt Gabriel schließt: „Generell ist eines festzuhalten: Dass man in Zeiten von Homeoffice, Lockdowns und Co. mehr von seinen Nachbarn mitbekommt, als man sich wünscht, ist wohl unvermeidbar. Umso wichtiger ist es, sich als Bewohner um ein rücksichtsvolles Miteinander zu bemühen und somit einen Nachbarschaftsstreit im Vorfeld zu vermeiden.“