Ein Bummel über die Wiener Mariahilfer Straße endet oft in Tristesse, vor leeren Auslagen und verbarrikadierten Türen. Viele Geschäfte mussten schließen. An den verwaisten Immobilien nagt der Zahn der Zeit, kein schöner Anblick. Die Entwicklung bestätigt der EHL Retail Properties Market Report 2024/25. Hier wird der Leerstand auf der Einkaufsmeile mit 6,2 bis 7,7 Prozent angeben. Die Geschäftsflächen werden kleiner und der Anteil von Gastronomie steigt. Auch laut der Wirtschafts-kammer Wien standen in der Bundeshauptstadt im April 2025 über 300 Geschäftslokale leer. Im ersten Pandemiejahr 2019 waren es mit 470 freilich noch mehr.
Den Trend zum Geschäftsschluss, wo früher Shopping-Leben herrschte, bestätigt auch eine Erhebung der IMMOBILIENRENDITE AG (Schwankungsbreite maximal 1 Prozent). Vorstand Markus Kitz-Augenhammer: „Seit 2022 sehen wir in Wien eine Verdopplung der Geschäftslokale, die zum Kauf angeboten werden. Und eine Steigerung von 400 auf 600 bei freien Objekten zur Miete.“ Speziell B-Lagen wie die Schönbrunner Straße verzeichnen den stärksten Leerstand. „Mancherorts hat er sich seit 2019 sogar verdoppelt.“ Im internationalen Vergleich liegt die Leerstandsquote in Wiener Einkaufsstraßen dennoch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.
Shopping am Kreisverkehr statt in der City
Während am Stadtrand in der Nähe von Wohngebieten neue Einkaufs- und Fachmarktzentren (EKZ bzw. FMZ) wie Schwammerl aus dem Boden sprießen oder ihre Flächen erweitern, sterben gleichzeitig immer mehr Innenstädte aus. Im oberösterreichischen Enns machte ein FMZ zuerst dem Stadtzentrum zu schaffen. Nun stehen hier viele Geschäftslokale leer. Dann bekam es wiederum von einem neuen FMZ schräg gegenüber Konkurrenz.
IMMOBILIENRENDITE AG-Vorstand Mathias Mühlhofer weiß um den ortsbild- wie klimaschädlichen Trend: „Sobald etwas nicht mehr neu und glänzend ist, zieht die Karawane weiter und hinterlässt Leerstand.“ Das alte FMZ wurde vom Upcycling-Spezialisten gekauft, renoviert, in Ennscenter am Römerfeld umbenannt und mit einem Mix aus Geschäften und Gastronomie erfolgreich wiederbelebt. „Aufgrund der Wirtschaftskrise und der gesunkenen Kaufkraft boomen Diskonter. Sie sind in Österreich auf Expansionskurs.“ Zur Belebung der Innenstadt braucht es jedoch andere Rezepte.
City-Parndorf aus dem Mittelalter
Dafür lohnt ein Blick über die Landesgrenze in das deutsche Bad Münstereifel. Früher standen in der malerischen Altstadt viele der historischen Fachwerk- und Steinhäuser leer. Doch statt ein neues Einkaufszentrum in die Peripherie zu betonieren, verwandelte sich das Zentrum zur Gänze in ein City-Outlet. Die Stadt erfand sich neu, sozusagen als Innenstadt-Parndorf aus dem Mittelalter.
Auch im oberösterreichischen Asten wurde ein FMZ in das Zentrum integriert, allerdings im klassischen Sinne, mit großen Ankermietern wie Lebensmittelhändlern, Drogerien und Restaurants. Nun wächst die Stadt rundherum. Wie das Donauzentrum oder die Shopping City Süd beweisen, funktionieren auch Kinos als Besuchermagneten, die es sonst oft nur in der Innenstadt gibt.
Nicht ohne mein Auto
Im niederösterreichischen St. Pölten floriert seit der Übernahme durch die IMMOBILIENRENDITE AG ebenfalls ein EKZ in der City. Die Promenade bietet einen Mix aus Lebensmittel- und Bekleidungsgeschäften bekannter Marken sowie Restaurants. Doch essenziell für die Neubelebung ist die Tief- und Hochgarage, denn Parkplätze sind hier Mangelware. Vorstand Michael Rajtora: „Wie unsere repräsentative Integral-Umfrage unter 1.000 Österreicherinnen und Österreichern aus dem Mai 2024 zeigt, kaufen 30 Prozent am liebsten in einer Kette in einem EKZ oder FMZ ein, mit einem Parkplatz vor der Tür.“ 8 von 10 Befragten reisen mehrheitlich mit dem Auto zum Shopping. „Zwischen über 80 und knapp 90 Prozent in allen Bundesländern außer Wien.“ Letzteres glänzt jedoch mit guten Öffi-Verbindungen.
Lage, Lage, Lage
Wer über keine Parkflächen verfügt, muss mit einer A-Lage punkten. So wie die Linzer Landstraße, die trotz der Konkurrenz durch die Plus City in der Peripherie eine der geringsten Leerstandsquoten Österreichs aufweist. Laut Standort + Markt sind es hier heuer nur drei Prozent, in der Salzburger Innenstadt ebenfalls nur 3,1 Prozent. Kitz-Augenhammers Fazit: „Es gibt kein Patentrezept gegen Leerstand. Je nach Ort und lokalem Angebot, funktioniert jeweils ein anderer Mix.“