Bis Ende 2024 entsteht auf den Siemensgründen in Wien Floridsdorf ein neuer Bücherspeicher, der die Innenstadtflächen von mehreren Wiener Universitäten entlasten wird. Jetzt wurde der Architekturwettbewerb entschieden.
Auf rund 12.000 m² werden 130.000 Laufmeter Bücher untergebracht. Auf über 100.000 Laufmetern davon wird die Universität Wien den Buchbestand der Hauptbibliothek und damit über 2 Mio. Bände lagern. Die übrige Fläche steht den Bibliotheken der Technischen Universität Wien, der Universität für angewandte Kunst Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien sowie der Geologischen Bundesanstalt zur Verfügung. Mit der Errichtung des Bücherdepots am Stadtrand werden im Hauptgebäude der Universität Wien über 5.000 m² hochwertige Flächen für die universitäre Nutzung frei. Die Investitionskosten inklusive Einrichtung und Übersiedelung betragen 37,8 Mio. Euro.
Wissenschaftsminister Martin Polaschek: "Mit dem neuen 'Lager des Wissens' schaffen wir für rund 2 Millionen Bücher einen neuen Bibliotheksstandort in Wien. Besonders hervorzuheben sind dabei die Klimafreundlichkeit und die nachhaltige Bauweise des Bücherdepots. Durch den Holzhybridbau kann eine langfristige energie- und kostensparsame Nutzung der Bibliothek sichergestellt werden. Damit setzen wir gerade in Zeiten der Energieknappheit auch ein klares Zeichen im Universitätsbereich für mehr Nachhaltigkeit, Effizienz und Klimaschutz."
Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) errichtet den Bücherspeicher als Bauherr und Liegenschaftseigentümer. CEO Hans-Peter Weiss: "Der Entwurf für das Bücherdepot sieht einen klimafreundlichen Funktionsbau mit architektonischem Anspruch vor. Wo es möglich ist, kommt Holz zum Einsatz, bei der Energiegewinnung wird auf lokal vorhandene, erneuerbare Ressourcen wie Erdwärme und Bauteilaktivierung gesetzt, möglichst wenig Fläche wird versiegelt, die Fassade wird begrünt, das Dach flächendeckend mit PV-Paneelen ausgestattet. Rund um den Holzhybridbau wird eine Allee mit Bäumen gepflanzt. Mit dem Bau des Bücherspeichers am Stadtrand werden im Zentrum hochwertige Flächen für den universitären Betrieb frei."
"Der neue Standort für die Bücher ermöglicht uns, in Folge den zweiten Schritt des Projektes anzugehen, nämlich die frei werdenden Flächen im Hauptgebäude für Studierende und Bibliotheksnutzer*innen zu gestalten. Die Uni Wien ist stolz darauf, dass hier 'die Bibliothek der Zukunft' mitten im Hauptgebäude entsteht", so Regina Hitzenberger, Vizerektorin für Infrastruktur an der Universität Wien.
Entscheidung für Architekturbüro Pittino & Ortner
Beim EU-weiten Architekturwettbewerb langten insgesamt 60 Einreichungen ein. Als Sieger ging das steirische Büro Pittino & Ortner hervor, das ein "Lager des Wissens" entworfen hat.
Der Entwurf hat eine schlichte und klare Formensprache. Passend für ein Gebäude, das zum größten Teil als fensterloses Lager genutzt wird, stehen Funktion und Energieeffizienz im Vordergrund. Der Entwurf von Pittino & Ortner nutzt die Fläche optimal und sieht kurze Erschließungswege vor. Pittino & Ortner: "Der kubische Baukörper steht als Solitär zentral am Bauplatz und ist in seiner klaren Form identitätsstiftend und Landmark zugleich."
"Der Bücherspeicher ist ein beispielhaftes Projekt für gut abgestimmte universitäre Zusammenarbeit. Es zeigt, wie in einer heterogenen Universitätslandschaft unterschiedliche Partnerinstitutionen ideale Bedingungen für ein gemeinsames Ziel schaffen: Raum für Bildung, den langfristigen Erhalt von Wissen und den einfachen, zentral organisierten Zugang dazu für kommende Generationen", so Werner Skvara, Vizerektor für Infrastruktur und Nachhaltigkeit an der Akademie der bildenden Künste Wien.
"Durch das neue Platzangebot können wir vermehrt Vor- und Nachlässe aus dem Bereich der Geologie und der Meteorologie übernehmen, die oft einzigartige Bestände enthalten. Als Forschungseinrichtung im Bereich Klima hat ein Bau, der in nachhaltiger Bauweise errichtet wird, große Bedeutung und Signalwirkung", so Thomas Hofmann, Leiter der Bibliothek und des Archivs der Geologischen Bundesanstalt, die ab 1. Jänner 2023 mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zur GeoSphere Austria fusioniert.
Architektonisch überzeugt der Siegerentwurf mit einer feinteilig gegliederten Fassade aus Lochblech, die an ein Bücherregal erinnert und ein bewegtes, charakteristisches Erscheinungsbild erzeugt. Die Jury würdigte die Idee, sämtliche Öffnungen und fast alle transparenten Bauteile (also Türen und Fenster) im Eingangsbereich zu verdichten und zu einem formalen Element zu verbinden. Damit sei es möglich, dem durch die funktionalen Anforderungen geforderten geschlossenen Baukörper einen offenen Kontrapunkt als "große Geste" gegenüberzustellen. An der Nordfassade kann der Baukörper mit Kletterpflanzen an einer Rankhilfe begrünt werden. Die Allee inszeniert das Objekt als Zentralbau.
Bücherdepot wird klimafreundlicher, energiesparender Holzhybridbau
Wegen der hohen Traglasten, dem komplexen Brandschutz und der Sicherstellung der konstanten klimatischen Bedingungen hat das Bücherdepot ein Stahlbetonskelett. Wo es möglich ist, kommt Holz zum Einsatz, so werden etwa die nichttragenden Wände aus Holz gefertigt. Die meisten Bauteile können vorgefertigt werden, wodurch die kurze Bauzeit sichergestellt werden kann.
Die gewählte, sehr kompakte Bauweise des fünfstöckigen Gebäudes reduziert den Primärenergiebedarf und verringert den CO2-Ausstoss. Es kommen keine fossilen Brennstoffe zum Einsatz. Zur Energiegewinnung werden lokal vorhandene, erneuerbare Ressourcen wie Erdwärme mit Bauteilaktivierung genutzt. Eine durchdachte Lüftungsstrategie wirkt gegen Überhitzung im Sommer. Die großflächige PV-Anlage auf dem Dach liefert eine Leistung von über 300 kWp, was dem ungefähren durchschnittlichen Stromverbrauch von 65 Vier-Personen-Haushalten entspricht. Das Bücherdepot kann bei Bedarf bei laufendem Betrieb erweitert werden, was für eine lange Lebensdauer sorgt.
Das Architekturbüro Pittino & Ortner wurde 1997 gegründet und hat seinen Sitz in Graz. Für die Bundesimmobiliengesellschaft hat es unter anderem die Sanierung des Bezirksgerichts in Bruck an der Mur geplant, die mit Erdwärme, einer speziellen Solarwabenfassade und Photovoltaik schon vor 15 Jahren neue Standards in Sachen Energieeffizienz gesetzt hat.