Der neue Rekord löst keine Begeisterung aus: In punkto Eigentum ist Österreich nach Groß- britannien bereits das zweitteuerste Land Europas. Der Stockerl-Platz im Preisranking hat gleich mehrere Gründe: Das billige Geld der letzte Jahre sorgte für einen Anstieg aller in Geld veranlagten Assets. Wohnimmobilien zählen dazu – und erklimmen im Monatstakt neue Rekorde. Salzburg und Wien sind für Zuzügler besonders attraktive Regionen – was weiteren Immobilien- Bedarf erzeugt. Und laut Mercer-Studie ist Österreichs Hauptstadt in punkto Lebensqualität noch immer die lebenswerteste Stadt Europas. Hohe Eigentumspreise sind die Folge.
Platzt die Immobilien-Base?
Die Nationalbank warnt bereits vor dem Platzen der Immobilienblase: Heimische Wohnimmobilien seien überbewertet – österreichweit um 23 Prozent und in Wien sogar um 31 Prozent. Dennoch flüchten sich viele Investoren in Betongold.
Markus Kitz-Augenhammer, Vorstand der IMMOBILIENRENDITE AG, kennt den Grund: „Anlage- Profis wollen ihr Geld vor der bald zweistelligen Inflation retten. In Zeiten einer Geldentwertung sind Immobilien noch immer sichere Häfen.“ Zumindest für jene, die über das nötige Kleingeld verfügen.
„Ein Investment rentiert sich nur für Menschen mit großem Bar-Vermögen. Wer kreditfinanziert ist, sollte beim Immobilienkauf das Abebben der Krise abwarten – bis die Zinsen wieder fallen.“ Die Preisspirale drehe sich aber stetig weiter. „Bei fixen Kreditzinsen kann das zwar das Problem zu teuer gekaufter Wohnungen lösen. Nur: Können sich Mieter teure Wohnungen – sie steigen mit der Inflation im Preis – überhaupt noch leisten?“ Derzeit sind jedenfalls viele exklusive Neubaumiet- wohnungen leer und auf dem Markt.
Spekulationsgewinne bei Zinshäusern? Vorbei!
Zinshäuser in Innenstadtlagen erfreuen sich bei Investoren unangefochtener Beliebtheit. Der rasche Spekulationsgewinn sei hier aber vorbei: „Bis vor der Krise war es möglich, am Anfang eines Jahres ein Haus zu kaufen und abzuwarten, damit man es nach sechs Monaten mit einem 20- prozentigen Aufschlag wieder verkaufen konnte. Durch die Zinserhöhung der EZB ist das vorbei“, lautet die Bilanz des Makler-Profis.
Derzeit würden Mieten langsamer steigen als die Kaufpreise: „Als Folge sinkt die Rendite.“ Die Gründe: Eingriffe auf dem Markt haben einen dämpfenden Effekt, beispielsweise in Wien: Hier sind zwei Drittel aller Wohnungen gefördert. Nur eines unterliegt der freien Preisbildung. Das drückt die Preise im Altbau.
Fast 3 Jahre Pandemie: stationärer Handel & XL-Offices kränkeln
Die Pandemie hat am Immobilienmarkt Spuren hinterlassen: Infolge von Lockdowns verlagerte sich der Handel ins Internet – der Bedarf an Auslieferungshubs rund die Städte wächst. Mathias Mühlhofer, Vorstand der IMMOBILIENRENDITE AG: „Gewerbeimmobilien erleben einen Boom, zum Beispiel große Lagerhallen. Durch den Rückgang des stationären Handels sinkt aber gleichzeitig der Bedarf an Geschäftslokalen leicht.“
Eine Stagnation würden große, teure Büros erleben. Viele Menschen sind ins Homeoffice übersiedelt und arbeiten zumindest ein, zwei Tage daheim. Der Fachmann für Sanierungen: „Der vielfach herbeigeredete Tod der Büros ist aber nicht eingetreten. Es muss nur neu gedacht werden: als Ort der Begegnung und Kreativität.“ Großer Beliebtheit würden sich kleine leistbare Einzel-Büros erfreuen. Sie schließen die Marktlücke zwischen dem Office am Küchentisch und dem Taubenschlag-
Feeling von Großraumbüros: „Unsere Standorte in Wien und Niederösterreich sind nahezu vollständig ausgebucht.“
In lichte Höhen kletternde Energiepreise und die Unsicherheit in punkto Energieversorgung im Winter stellen Unternehmer vor neue Herausforderungen. Laut Mühlhofer könnte das „langfristig zu Verwerfungen führen“: „Einer unserer Mieter konnte für seinen Produktionsbetrieb keinen Stromanbieter finden – niemand wollte ihm ein Angebot machen.“
In der Not setzen viele Unternehmer auf Eigeninitiative – und montieren Photovoltaik- (= PV) Paneele auf die Dächer gewerblicher Objekte. „Auch wir installieren Photovoltaik auf geeignete Immobilien. Außerdem dämmen wir die Wände von Fertigungshallen und tauschen alte Heizungen aus. Ein wesentlicher Beitrag zum Energiesparen und zur Energiewende.“ Der Energieausweis sei von einer reinen gesetzlichen Pflichtübung zu einer tatsächlich nachgefragten Entscheidungsgrundlage gewachsen. Ein Signal leichter Entspannung ist der Blick über den nationalen Tellerrand: PV-Paneele, Wechsel-richter & Co. waren durch die Lockdowns in China lange Zeit Mangelware – infolge einer Unter-brechung internationaler Lieferketten. Nun läuft das Geschäft wieder an. Doch die enorme Nachfrage kann im Moment noch nicht vollständig bedient werden.
Sinkende Preise in Zeiten einer Inflation?!
Auch wenn es paradox klingt: Parallel zur Preissteigerung für Butter, Nudeln und Brot sinken die Preise an anderer Stelle: für Bauholz, Rohstahl und Bauarbeiten. Die Gründe sind vielfältig. Michael Rajtora, Vorstand der IMMOBILIENRENDITE AG: „Bei Bauholz war die Weiterverarbeitung infolge der Pandemie unterbrochen. Am Markt befanden sich Massen an Schadholz. Aber die Holzindustrie hatte zu wenig Personal, um es zu verarbeiten.“ Parallel dazu restaurierten Eigentumsbesitzer mit Bauholz ihre vier Wände – ein beliebter Zeitvertreib während der Lockdowns. Durch den Mangel an Holz sind die Preise in lichte Höhen gestiegen. Nun habe sich das Blatt gewendet: „Die Inflation entwertet die Einkommen. Parallel dazu steigen die Zinsen. Zwei Gründe, warum weniger Wohnungen gekauft werden. Ein Rückgang bei Neubau- und Renovierungsleistungen ist die Folge – und ein sinkender Holzpreis.“
Rohstahl hingegen sei ein Opfer von Corona wie des Ukraine-Kriegs, weiß Rajtora: „Den gibt es in großer Menge. Doch durch Lockdowns und Krankenstände während der Pandemie fehlen zuerst die Arbeitskräfte für die Verarbeitung. Dann bombardierte Russland das Asow-Stahlwerk in der Ukraine – eines der größten in Europa. Die Rohware kann wieder nicht zu Stahlprodukten weiterverarbeitet werden. Die Folge ist ein Rohstahl-Überschuss, den keiner verarbeiten kann. Der Preis fällt.“ Für die Mangelware Baustahl – Kleinteile und Weiterverarbeitungsprodukte – steige er jedoch.
Die Baubranche befand sich bis vor kurzem im Höhenflug – die Auftragsbücher waren übervoll. Unternehmer konnten jeden Preis verlangen. Der Investment-Experte: „Wegen überhöhter Kosten wurden viele Projekte verschoben oder storniert, vor allem im Neubaubereich. In der Baubranche gab es eine Vollbremsung. Nun sind Baufirmen wieder am Boden der Realität angekommen. Weil die Aufträge stagnieren, wird jetzt um ein Drittel billiger angeboten als vor der Krise.“
Ein Blick in die Zukunft – in punkto Inflation & Immobilien
Was das alles für die Zukunft bedeutet? Die Experten der IMMOBILIENRENDITE AG hoffen auf eine Normalisierung der Lage – die Gas- und Strompreise sind bereits leicht gesunken. „Auf dem Niveau von 2019 sind sie noch nicht angekommen – und werden das auch vielleicht nie mehr. Wenn ein Preis einmal gestiegen ist, sinkt der nicht so leicht wieder“, weiß Mühlhofer. Der Treiber günstiger Produkte sie die Globalisierung gewesen. „Und die wird gerade rückgängig gemacht. Ob die Inflation abebbt, hängt zu einem guten Teil von der Herbstlohnrunde ab“.
Die vielen Unwägbarkeiten seien grundsätzlich eine Unterstützung der Assetklasse Immobilien. Der Wert von Immobilien steige durch die Inflation und die Verteuerung am Bau. „Werden neue Immobilien immer teurer, werden alte attraktiver.“ Investments wie die Erfüllung neuer Auflagen zur CO2-Minderung und die ESG- (Environment, Social & Governance) Kriterien führen ebenso zu einer Verteuerung und Wertsteigerung neuer Immobilien. Resümee des Immobilien-Experten: „Immobilien zum Wohnen und Arbeiten, Einkaufen und Lagern werden immer notwendig sind. Sie sind und bleiben die beliebteste Assetklasse für Investoren.“