- Die Krise trifft den österreichischen Immobilienmarkt weniger als andere
- Wohnen erweist sich in der Krise als resilient, Logistik ist Gewinner der Krise
- Retail hart getroffen, Hotels härter
„Bereits vor der Krise war einiges im Umbruch am österreichischen Immobilienmarkt. Wir sind schon am Anfang des Jahres davon ausgegangen, dass der Rekordwert bei Immobilieninvestitionen des Jahres 2019 in diesem Jahr nicht erreicht werden würde. Was nun passiert ist, konnte aber niemand vorhersehen“, so Andreas Ridder, Managing Director CBRE Österreich und CEE, der auch feststellt, dass „Österreich mit einem blauen Auge davonkommen wird, da die Rückgänge wesentlich geringer sind als in anderen Immobilienmärkten. Hier macht sich die Stabilität des Marktes wieder einmal bezahlt“.
Im ersten Halbjahr 2020 waren alle Assetklassen und Bereiche von der Corona Krise mehr oder weniger betroffen. Immobilieninvestments haben sich aufgrund des Lockdowns verzögert oder verschoben, im Mai wurde die Tätigkeit – getrieben durch die Nachfrage nach sicheren Anlageoptionen in den Sektoren Wohnen, Büro und Logistik – wieder aufgenommen, sodass das zweite Halbjahr voraussichtlich wieder stärker ausfallen wird. Zwei Drittel der rund EUR 1,6 Milliarden, die im ersten Halbjahr in Österreichs Immobilien investiert wurden, entfielen auf Wien, der Rückgang gegenüber 2019 belief sich auf ca. 30%. Wohnimmobilien waren mit 34% am Transaktionsvolumen die beliebteste Assetklasse und werden es voraussichtlich auch bleiben. Bis zum Jahresende sollten rund EUR 3,5 Milliarden in österreichische institutionelle Gewerbeimmobilien aller Sektoren investiert werden.
„Österreich gilt nach wie vor als sicherer Hafen für Immobilieninvestments. Das zeigt der hohe Anteil – 71% – an ausländischen Investoren bisher und auch der vergleichsweise geringe Rückgang beim Investmentvolumen von ca. 16% im zweiten Quartal gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019. Auch die Befürchtungen, die Krise könnte sich massiv auf das Preisgefüge bzw. die Renditen auswirken, haben sich nur teilweise bewahrheitet“, so Ridder.
Tatsächlich weisen die Sektoren Büro, Wohnen und Logistik bis zum Ende des Jahres weiter leicht sinkende Renditen auf, während in den stark getroffenen Sektoren Retail und Hotel die Spitzenrenditen bis zum Jahresende voraussichtlich um bis zu 35 Basispunkte steigen werden.
Neben den Auswirkungen der Corona Krise wurde der Büromarkt Wien vor allem durch die geringe Verfügbarkeit moderner Büroflächen beeinträchtigt. Im ersten Halbjahr betrug die
Vermietungsleistung rund 57.000 m² und fiel somit um ca. 50% geringer aus als im Vorjahr. Dieser Wert sollte sich bis Jahresende noch verdreifachen auf insgesamt rund 180.000 m² vermietete Büroflächen. Der hohe Vorverwertungsgrad der neu entstehenden Flächen (2020: rund 155.000 m², 2021: ca. 148.000 m²) lässt darüber hinaus die Leerstandsrate bis zum Jahresende weiter sinken.
Die Mieten sind weiterhin stabil, die Spitzenmiete in Wien liegt nach wie vor bei EUR 25,00/m²/Monat. „Aufgrund der geringen Verfügbarkeit und des weiter sinkenden Leerstandes erwarten wir zurzeit keine Mietanpassungen, allerdings ist davon auszugehen, dass auf lange Sicht die Preisschere zwischen modernen Büroflächen in guten Lagen und nicht sanierten Flächen in periphereren Lagen weiter auseinander gehen wird“, analysiert Ridder.
Die Krise hat in der Arbeitswelt zu einem Paradigmenwechsel geführt, Unternehmen denken über neue Strategien für die Nutzung von Büros nach. Flexibilität ist eines der Kernthemen von New Work. „Wir gehen davon aus, dass die neue Arbeitswelt zwar einen geringeren Büroflächenbedarf haben wird, dieser aber besser und qualitativ hochwertiger ausgestattet sein wird“, so Ridder. „Unsere Workplace Experten arbeiten bereits an neuen, flexiblen Büronutzungskonzepten, die großzügigere Kollaborationsbereiche berücksichtigen, durch welche die durch die örtliche Trennung der Mitarbeiter entstehenden Nachteile kompensiert werden“.
Keine Assetklasse ist so krisenresilient wie Wohnimmobilien. Am Rekordfertigstellungsvolumen bei Wohnimmobilien in Österreich konnte auch die Krise – trotz kurzzeitiger Baustopps – nichts ändern. Allerdings kam es durch den Lockdown zu einem Rückstau bei Baubewilligungen, wodurch das bereits erwartete geringere Fertigstellungsvolumen im Jahr 2022 umso wahrscheinlicher wird. Weder der befürchtete Nachfrageeinbruch noch ausbleibende Mietfortzahlungen sind eingetreten. Das Preisniveau bei Eigentumswohnungen ist nach wie vor hoch und liegt 4% über dem des Vorjahres. Mieten und Renditen sind stabil, durch die Krise sind Wohnungen, die bisher touristisch genutzt wurden (e.g. Airbnb), zumindest vorerst wieder in den klassischen Wohnungsmarkt rückgeführt worden, wodurch sich das Angebot kleiner Mietwohnungen beinahe verdoppelt hat (Quelle: ImmoScout24). „Der Blick auf den Wohnmarkt zeigt, dass dieser von der Krise so gut wie nicht getroffen wurde“, so Ridder. „Allerdings sind die Ansprüche an das Wohnen nun andere: größere Flächen, Platz für Home Office, Balkone, Terrassen, Gärten, Fitness Studio im Haus sind Ausstattungsmerkmale, die seit der Krise verstärkt nachgefragt werden“.
Der Retail Sektor wurde von der Krise hart getroffen, allerdings kann von einer Erholung – unter neuen Vorzeichen – ausgegangen werden. „In der Retrospektive können wir sagen, dass die Wiedereröffnung des Retailsektors – zumindest überall dort, wo dieser nicht vom Tourismus abhängt – gut funktioniert hat, sodass in der ersten Juliwoche die Frequenzzahlen in Österreichs Einkaufszentren lediglich um 4% unter jenen des Vergleichszeitraumes 2019 lagen“, so Ridder. Einzelne Fachmarktzentren und Diskonter konnten ihre Frequenz- und Umsatzzahlen des Vorjahres sogar übertreffen. Verändern wird sich in Zukunft der Flächenbedarf einzelner Branchen. Getrieben wird dies durch ein verändertes Kaufverhalten und die in der Krise gewachsene Akzeptanz des Online Handels, wovon vor allem die Bekleidungs- sowie Elektronikbranche betroffen sind. Der Lebensmittelhandel setzt auch stationär seinen Erfolgskurs fort, der von der Krise profitierte und im Lockdown ein Umsatzplus verzeichnete.
In den Kategorien Bekleidung, Schuhe und Elektronik ist bis Jahresende mit massiven Umsatzverlusten von bis zu 25% zu rechnen. Dies führt auch zu einem Kostendruck und daraus resultierend zu Nachverhandlungen bei den Mieten, die nun zwischen Retailern und Vermietern geführt werden. „Die durch die Krise und den Lockdown beschleunigte Digitalisierung bringt den stationären Handel massiv unter Druck. Die Lösung könnten intelligente Multi-Channel Lösungen sein“, so Ridder.
Der krisenbedingte Boom des Online- und Lebensmittelhandels führte zu einem gesteigerten kurz- bis mittelfristigen Bedarf an Logistikflächen. „Für den Wiener Logistikmarkt gehen wir zurzeit von einem Rekordjahr 2020 aus, in dem ein Flächenumsatz von rund 300.000 m² erreicht werden könnte“, so Ridder. In und um Wien, Linz und Graz – den drei Hauptlogistikmärkten – werden bis zum Jahresende 300.000 m² Logistikflächen fertiggestellt. Der Großteil, ca. 250.000 m², wird im zweiten Halbjahr finalisiert, rund zwei Drittel sind jedoch für Eigennutzung vorgesehen. Von jenen Flächen, die für Fremdnutzer errichtet werden, sind allerdings auch bereits 70% vorverwertet. „Den Entwicklern ist der hohe Bedarf bewusst, sodass weitere Projekte zügig vorangetrieben und in den nächsten beiden Jahren rund 170.000 m² spekulativ errichtete Logistikflächen auf den Markt gebracht werden“, erwartet Ridder.
Auch die Investoren setzen auf Logistikimmobilien, sodass bis zum Jahresende rund EUR 400 Millionen in Logistikflächen investiert werden sollten. „Logistikimmobilien wird aufgrund des zunehmenden Onlinehandels ein geringes Risiko beigemessen und auch Investoren, die sich bislang wenig mit Logistikimmobilien beschäftigt haben, schätzen die Möglichkeit zur Diversifikation des Portfolios“, analysiert Ridder, der auch darauf verweist, dass das Angebot an investmentfähigen Produkten nach wie vor limitiert ist.
Einschneidend und zumindest mittelfristig sind die Folgen der Krise für den Hotelsektor, wo laut Wifo bis zum Jahresende mit einem Nächtigungsrückgang von ca. 39% in Österreich zu rechnen ist. Den Sektor muss man allerdings seit der Wiedereröffnung aufgrund der regionalen Unterschiede differenziert sehen, da die Situation in den Städten anders ist als in der Ferienhotellerie (vor allem in Kärnten und in Salzburg), die aufgrund des Binnentourismus einen Boom erlebt und teilweise über Vorjahresniveau liegt.
„Geschäftsreisen und Kongresse finden bis auf weiteres sehr limitiert statt. Allerdings ist davon auszugehen, dass mit der Erholung der Wirtschaft auch mit einem Anstieg von Geschäftsreisen zu rechnen ist“, zitiert Ridder seine Kollegen aus dem Hotel Sektor.
Von dieser Entwicklung ist auch der Investmentmarkt direkt betroffen, der nach Rekord Investitionen im Jahr 2019 im ersten Halbjahr 2020 eingebrochen ist. „Im ersten Halbjahr 2019 wurden noch 15 Transaktionen im Hotel Segment im Wert von EUR 650 Millionen verzeichnet, im selben Zeitraum 2020 waren es gerade einmal drei Transaktionen im Wert von EUR 50 Millionen. Nachdem der Hotelinvestmentmarkt traditionell eine hohe Fluktuation aufweist, beunruhigt uns das noch nicht. Wir sehen auch, dass sich opportunistische Investoren bereits nach Notverkäufen umsehen, was in nächster Zeit durchaus zu – unerwarteten – Transaktionen führen kann“, erwartet Ridder.
Investoren, Betreiber und Entwickler sehen sich nach wie vor, trotz erster Zeichen einer Markterholung, mit neuen Rahmenbedingungen konfrontiert: es wird noch einige Zeit dauern, bis Hotels das vertraglich vereinbarte Pachtniveau erwirtschaften können, für ausstehende Pachtzahlungen werden kurz- bis mittelfristige Lösungen erarbeitet, die sowohl den Werterhalt der Immobilie als auch den laufenden Betrieb der Hotels ermöglichen. Langfristig ist davon auszugehen, dass neue Verträge auf Basis von hybriden Lösungen – anstatt einer Festpacht – verhandelt werden, um auch auf etwaige ähnliche Krisensituationen reagieren zu können.