Nur Logistikimmobilien in 1a-Lagen könnten laut Immobilienbranche noch teurer werden, Preise für Wohnimmobilien bleiben voraussichtlich vorerst gleich
Österreich als Immobilienstandort trotz der Unsicherheiten auch 2023 attraktiv – vor allem Wohnimmobilien im Investment-Fokus
Immobilienbranche erwartet heuer weiter steigende Zinsen und strengere Vorschriften beim Eigenkapital
2022 blieb mit Gesamttransaktionsvolumen von rund vier Milliarden Euro deutlich unter den Prognosen von Jahresanfang
Die Energiekrise und die damit einhergehende hohe Inflation wirken sich auch deutlich auf den österreichischen Immobilienmarkt aus, wie eine aktuelle Studie von EY Österreich zeigt. Speziell im zweiten Halbjahr 2022 wurde ein Rückgang des Transaktionsvolumens beobachtet. Im gesamten Jahr lag das Transaktionsvolumen bei etwa vier Milliarden Euro, ein Rückgang um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr und deutlich unter den ursprünglichen Prognosen zu Jahresbeginn.
Nach Einschätzung von Marktteilnehmenden am österreichischen Immobilienmarkt dürfte es nach Jahren des stetigen Preisanstiegs nun eine deutliche Eintrübung der Preisentwicklungen bei Immobilien geben. Über alle Immobilienklassen hinweg gehen sie von stagnierenden bzw. sinkenden Preisentwicklungen aus – einzig bei Logistikimmobilien in Bestlage werden noch tendenziell steigende Preise erwartet. Sogar in der bewährten Anlageklasse Wohnen sind die Erwartungen verhaltener als in den Vorjahren: In 1a- und 1b-Lagen sollen die Preise gleichbleiben, in der Peripherie könnten sie sogar sinken.
Stephan Größ, Leiter des Immobiliensektors bei EY Österreich, dazu: „Der Zinswandel, die hohe Inflation und die Angst vor einer drohenden Rezession führen am Immobilienmarkt zu einer Trendwende. Wer aktuell kaufen will, sollte einen detaillierten Blick auf die Immobilie werfen. Angesichts der bestehenden Zurückhaltung vieler Investoren können sich aber auch interessante Opportunitäten ergeben.“
Das sind die Ergebnisse des diesjährigen EY Trendbarometer Immobilien-Investmentmarkt 2023, für das über 50 Marktteilnehmende der Immobilienbranche in Österreich befragt wurden. Dazu zählen unter anderem Banken, Immobilienfonds, Projektentwickler:innen und institutionelle Investor:innen.
Österreichischer Immobilienmarkt trotz Unsicherheiten auch 2023 attraktiv
Trotz aller Unsicherheiten: Der Immobilienmarkt in Österreich wird auch für 2023 als attraktiv eingeschätzt – wenn es auch deutliche Einbußen in den Detailbewertungen gibt: Waren 2022 noch mehr als die Hälfte (52 %) der Befragten der Meinung, dass der Immobilienstandort Österreich „sehr attraktiv“ ist, so glaubt das für das Jahr 2023 nur mehr jeder Fünfte (20 %). 70 Prozent schätzen den heimischen Immobilienmarkt heuer aber trotzdem als attraktiv ein (Vorjahr 41 %), nur jede:r zehnte Befragte befindet den Markt für weniger attraktiv (Vorjahr: 7 %).
„Die Einschätzungen hinsichtlich der Attraktivität des Immobilienstandorts Österreichs sind vorsichtiger als in den Vorjahren. Noch prekärer ist die Lage in Deutschland: Dort schätzt mehr als ein Drittel der Befragten den Markt für weniger attraktiv ein, nur etwa die Hälfte hält den Markt für attraktiv“, erläutert Größ.
Preisentwicklungen in einzelnen Immobiliensegmenten
Im Bereich Wohnimmobilien hängt 2023 alles von der Lage ab: Während in 1a- (53 %) und 1b-Lagen (45 %) jeweils etwa die Hälfte der Befragten gleichbleibende Preise erwartet, gehen sie in peripheren Lagen mehrheitlich (55 %) von sinkenden Preisen aus. Im Vorjahr rechneten die befragten Marktteilnehmenden noch in allen Lagen mit steigenden Preisen – und zwar deutlich (Vorjahreswerte: 1a: 93 %; 1b: 81 %; Peripherie: 59 %).
Im Bürosegment erwartete die Immobilienbranche unter anderem aufgrund des Trends zum Homeoffice schon im Vorjahr teilweise sinkende Preise – 2023 wird sich diese Tendenz noch verschärfen. Nur in 1a-Lagen soll sich das Niveau konstant entwickeln (62 %), überall sonst gehen die Investor:innen von rückläufigen Preisen aus (1b: 55 %; Peripherie: 80%).
Bei Handelsimmobilien sind die Prognosen gemischt: Während für Einkaufszentren über alle Lagen hinweg von der überwiegenden Mehrheit sinkende Preise erwartet werden (1a: 55 %, 1b: 73 %, Peripherie: 86 %), gehen die Befragten bei Einzelhandelsimmobilien vor allem in 1a-Lagen (66 %) und 1b-Lagen (51 %) mehrheitlich von stabilen Preisen aus.
Auch im Bereich der Hotelimmobilien könnten die Preise 2023 fallen – vor allem bei Objekten in 1b-Lagen und der Peripherie. Das gilt sowohl für Business-Hotels als auch für Ferienimmobilien. In Bestlage werden hingegen stabile Preise für 2023 erwartet.
Einzig Logistikimmobilien entwickeln sich gänzlich entgegen dem allgemeinen Trend: Bei Logistikimmobilien in 1a-Lagen werden von fast der Hälfte (48 %) der Befragten steigende Preise erwartet. In den übrigen Lagen gehen Investor:innen eher von gleichbleibenden Preisen aus.
„In Erwartung sinkender Preise warten potenzielle Käufer:innen lieber ab, während Verkäufer:innen auf dem gewohnten Preisniveau bestehen. Dieses Phänomen lähmt den Transaktionsmarkt in Krisenzeiten seit jeher – ist jedoch erfahrungsgemäß vorübergehend“, sagt Größ. So erwarten nicht ganz zwei Drittel (61 %) der Befragten, dass sich Käufer:innen und Verkäufer:innen noch im laufenden Jahr wieder auf eine gemeinsame Preisbasis verständigen werden.
Trotz eingetrübter Preisprognosen: Wohn-Investments bei Investor:innen weiterhin nachgefragt
Obwohl die Prognosen hinsichtlich der Preisentwicklungen über alle Asset-Klassen hinweg verhalten sind, wird sich im Jahr 2023 wenig in Bezug auf den Investmentfokus ändern. Wie bereits in den letzten drei Jahren ist das Wohnsegment bei 88 Prozent der Befragten ungebrochen die beliebteste Immobilienklasse. Auch bei Büroliegenschaften ist das Investmentinteresse gestiegen – 60 Prozent der Studienteilnehmenden stehen einem Investment positiv gegenüber (Vorjahr 49 %). Der Gesundheitsbereich hat im Vergleich zum Vorjahr etwas an Investment-Attraktivität verloren: 2023 erwägt nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten (58 %) ein Investment in diesem Bereich (Vorjahr 67 %).
Schwierige Rahmenbedingungen in puncto Finanzierung
Fast alle Marktteilnehmenden sind der Meinung, dass 2023 Anschlussfinanzierungen Kreditnehmer:innen vermehrt unter Druck setzen werden (98 %). Sie gehen außerdem davon aus, dass sowohl die Zinsen als auch die Eigenkapitalanforderungen weiter steigen werden. Laut mehr als drei Viertel (78 %) der Befragten könnten auch Kreditausfälle im laufenden Jahr spürbar zunehmen.
Zinsentwicklungen könnten Immobilienmarkt längerfristig beschäftigen
Neun von zehn Befragten (92 %) gehen davon aus, dass die Zinsentwicklungen den österreichischen Immobilienmarkt in den nächsten fünf bis zehn Jahren am meisten beeinflussen werden. Genauso viele beurteilen den demografischen Wandel und den Klimawandel als die prägendsten Einflussfaktoren auf den Immobilienmarkt. Dicht dahinter mit 84 Prozent Zustimmung folgt der Dauerbrenner Digitalisierung.
„Klar, die Zinswende beeinflusst das Geschehen am Markt zurzeit am intensivsten. Wichtig ist aber, dass auch die langfristigen Themen wie die Erfüllung von ESG-Kriterien bei Gebäuden oder auch der demografische Wandel nicht aus den Augen verloren gehen“, so Größ.
Bundeshauptstadt Wien erneut attraktivster Immobilienstandort Österreichs
Auch 2023 liegt die Bundeshauptstadt im Hauptinteresse der Investor:innen. Bei Wiener Büroimmobilien ist das Investment-Interesse etwas gesunken (2023: 38 %; 2022: 39 %), bei Wohnimmobilien (2023: 28 %; 2022: 23 %) ist die Nachfrage hingegen höher. Die beliebtesten Standorte nach Wien unabhängig von der Immobilienklasse sind die Landeshauptstädte Graz, Linz und Salzburg.