Der aktuelle Hernstein Management Report des Hernstein Instituts für Management und Leadership zeigt deutlich: Neun von zehn Führungskräften stimmen der Aussage zu, dass die Hauptaufgabe von Führungskräften künftig vor allem darin besteht, Mitarbeitende beim Erschließen eigener Potenziale zu unterstützen. Dabei meinen mehr als 80 %, dass sie in ihrem eigenen Führungsbereich dieses Rollenverständnis als „Coach“ zumindest teilweise verwirklichen. Bei ihrer eigenen bzw. ihrem eigenen Vorgesetzten sehen dies lediglich zwei Drittel als zutreffend an. Den Hintergrund für diesen Rollenwandel bilden die vergangenen zwei, durch Krisen geprägten Jahre. 51 % der Befragten meinen, dass die Führung des eigenen Teams schwieriger geworden sei.
Ein weiterer Zusammenhang könnte mit dem Mangel an Fach- und Führungskräften bestehen: 70 % meinen, dass aufgrund dessen mehr Rücksicht auf die persönlichen Bedürfnisse von Mitarbeitenden genommen wird.
Neben der Transformation des Führungsverständnisses spielt auch die Außendarstellung von Führungskräften eine immer wichtigere Rolle. Knapp 40 % sehen die Präsenz in sozialen Medien als Kompetenzträger als sehr oder eher wichtig an. Besondere Priorität wird dabei LinkedIn attestiert, wobei bei der tatsächlichen Nutzung Facebook klar vorne liegt.
Mag. (FH) Michaela Kreitmayer, Leiterin des Hernstein Instituts für Management und Leadership der Wirtschaftskammer Wien, sieht das Führungsverständnis in einem weitreichenden Umbruch: „Durch die verstärkte und unaufhaltsame Verbreitung von Remote Work sind neue Konzepte gefragt. Eine Führung durch spontane Anweisungen ist praktisch kaum durchführbar. Daher müssen Mitarbeitende zu einem hohen Maß an Eigenständigkeit befähigt werden. Die Steuerung erfolgt einerseits über die Entwicklung einer gemeinsamen Kultur, andererseits anhand von definierten Meilensteinen. Das Bild eines ‚Coach‘ wird diesen Anforderungen gut gerecht und bringt es für alle Beteiligten auf den Punkt.“
Das Führungsleitbild „Coach“
37 % der österreichischen und deutschen Befragten stimmen der Aussage voll und ganz zu, dass die Rolle von Führungskräften vor allem darin bestehen wird, Potenziale von Mitarbeitenden zu heben, weitere 50 % eher. Über diese Entwicklung besteht somit nahezu Konsens. Besondere Affinität zu diesem Modell haben mit jeweils 92 % Führungskräfte der Branchen Energie, Finanz und Logistik. Umgekehrt ist es im öffentlichen Sektor (82 %) und in der IT (81 %).
Verwirklichung des Coach-Modells im eigenen Umfeld
30 % der Führungskräfte meinen, dass sie das Coach-Modell in ihrem eigenen Bereich voll umgesetzt haben, weitere 54 % eher. Hingegen sehen dies bei ihrer oder ihrem eigenen Vorgesetzten lediglich 19 % als völlig verwirklicht an, 46 % teilweise. Je höher die Führungsebene, desto eher sehen die Befragten das Coach-Konzept als realisiert an. Dies gilt sowohl für den eigenen Führungsstil, als auch für jenen des/der Vorgesetzten. Ein Beispiel: 32 % des oberen Managements meinen, dass sie in ihrer eigenen Führungsarbeit „als Coach“ agieren. 27 % meinen, dass ihre oder ihr Vorgesetzte/-r als solche/-r auftritt. Im mittleren Management liegen die Vergleichswerte mit 28 % bzw. 15 % (klar) darunter.
Ursachen für die Veränderung des Führungsverständnisses
Die Veränderung des Führungsverständnisses ist ein schon länger andauernder Prozess und hat sich durch die herausfordernde Lage der letzten zwei Jahre weiter verstärkt. 12 % meinen, dass es deutlich schwieriger geworden sei, das eigene Team zu führen, 39 % etwas schwieriger. Umgekehrt sehen nur 7 % eine gewisse und 3 % eine wesentliche Erleichterung. Der Rest sieht keine Veränderung.
Ein weiterer Zusammenhang könnte mit dem Fach- und Führungskräftemangel bestehen. 18 % stimmen der Aussage voll zu, dass aufgrund dieses Mangels verstärkt Rücksicht auf die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden genommen wird. Weitere 52 % stimmen dem eher zu. Es ist davon auszugehen, dass das Rollenverständnis als Coach dieser Anforderung mehr gerecht wird als traditionelle Führungskonzepte.
Präsenz von Führungskräften in sozialen Medien
Neben der Transformation des Führungsverständnisses hat auch die Außendarstellung von Führungskräften einen steigenden Stellenwert. Für 11 % der Führungskräfte ist die Darstellung in sozialen Medien als Kompetenzträger sehr wichtig, für weitere 27 % eher. Für die verbleibende Mehrheit ist die Präsenz nach eigenen Angaben eher (27 %) oder gar nicht wichtig (33 %). Unterschiede gibt es erwartungsgemäß nach Altersgruppen, wobei in Deutschland die Bedeutung von Social Media generell etwas höher ist als in Österreich. Beispiel: 54 % der unter 40-jährigen deutschen Führungskräfte halten die Präsenz für sehr oder eher wichtig, unter ihren älteren Kolleginnen und Kollegen sind es 32 %. In Österreich liegen die Vergleichswerte bei 42 % bzw. 29 %.
Besonders stark ist die Nutzung von Facebook mit 67 %, gefolgt von Instagram (53 %) und LinkedIn (45 %). Bei der Bedeutung für die Positionierung als Kompetenzträger liegt LinkedIn mit 65 % vorne, dicht gefolgt von Facebook mit 63 % und Instagram mit 61 %. Die zweite Business-Plattform, XING, spielt mit 43 % Nutzung und 57 % Priorität eine geringere Rolle.
Über die Studie
Der Hernstein Management Report erhebt seit mehr als 20 Jahren ein jährliches Stimmungsbild unter Führungskräften und Unternehmerinnen und Unternehmern in Österreich und Deutschland. Befragungszeitraum für die aktuelle Ausgabe: April 2022, befragte Personen: 1.500 Führungskräfte sowie Unternehmerinnen und Unternehmer, davon 609 in Österreich und 891 in Deutschland. Maximale Schwankungsbreite: +/-2,5 %. Befragungsart: Online-Befragung, durchgeführt von Triple M Matzka Markt- und Meinungsforschung KG.