Mit einem Marktanteil von 40 Prozent am Mietwohnungssektor und 17 Prozent am Häuser- und Wohnungsbestand haben gemeinnützige Bauvereinigungen (GBVs) einen bedeutenden Einfluss auf den gesamten Wohnungsmarkt. Eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) gemeinsam mit dem wohnwirtschaftlichen Referat des Verbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen im Auftrag der MA 50 der Stadt Wien belegt erstmals wissenschaftlich die preisdämpfende Wirkung des gemeinnützigen Wohnbaus. „Wie groß diese Wirkung ist, hängt stark vom Marktanteil im jeweiligen regionalen Mietwohnungsmarkt ab. Im Durchschnitt zeigt sich, dass eine Steigerung des GBV-Marktanteils um zehn Prozent zu einem Rückgang der unregulierten Mieten um 30 bis 40 Cent pro Quadratmeter führt. Bei einer 70 Quadratmeter großen Wohnung entspricht dies einer Ersparnis zwischen 250 und 340 Euro pro Jahr“, erklärt Studienleiter Michael Klien vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. „Wien zählt zu Recht zu den lebenswertesten Metropolen der Welt. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die gelebte Tradition des sozialen Wohnbaus. Durch diese Studie wird der preisdämpfende Effekt des gemeinnützigen Wohnbaus auf den kompletten Wohnungsmarkt nun klar und empirisch belegt. Leistbarer Wohnraum bei möglichster hoher Lebensqualität ist das Credo von Wien. Wir werden uns davon nicht abbringen lassen und diesen Weg gemeinsam mit den Gemeinnützigen Bauvereinigungen weiter beschreiten.“ so die Wiener Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál. Wie in einer vorherigen Studie bereits belegt wurde, lassen sich die direkten Effekte von GBV-Mieten mit einer Ersparnis von 1,2 Mrd. Euro für GBV-Mieterinnen und Mieter beziffern. Die aktuelle Studie zeigt, dass neben diesen direkten Effekten auch indirekte Effekte, die durch die wettbewerbliche Interaktion zwischen for-profit und non-profit Unternehmen Preisvorteile entstehen, preisdämpfend wirken. „Die unregulierten Mieten sind aufgrund des Wettbewerbs mit unseren GBVs um durchschnittlich rund 5 Prozent günstiger, als dies ohne GBVs der Fall wäre“, zeigt sich Verbandsobmann Klaus Baringer erfreut.
GBV-Mieten stabilisieren
In angespannten Wohnungsmärkten, wie dies etwa in den vergangenen Jahren der Fall war, ist der preisdämpfende Effekt zwar etwas schwächer ausgeprägt, die GBV-Mieten wirken aber stabilisierend. „Während die unregulierten Mieten sowohl regional als auch historisch ein hohes Maß an Volatilität aufweisen, zeichnen sich die kostenbasierten Mieten im gemeinnützigen Sektor durch ein hohes Maß an Stabilität und Kontinuität aus“, betont Verbandsobmannstellvertreter Herwig Pernsteiner die Rolle der GBVs.
Regionale Unterschiede
Die Studie zeigt auch, dass der preisdämpfende Effekt in Abhängigkeit vom Marktanteil und der jeweiligen regionalen Wohnungsmarktsituation stark schwanken kann. Regionen mit einem höheren GBV-Anteil am Mietwohnungsmarkt haben niedrigere Preisdifferenziale zu unregulierten Mieten. „Die unregulierten privaten Mieten liegen also näher an der Kostenmiete der GBVs und sind daher günstiger“, so Wirtschaftsforscher Klien. „In Regionen, die einen stärkeren Zuwachs an GBV-Wohnungen erlebten, war die Entwicklung der unregulierten privaten Mieten merkbar vom gemeinnützigen Sektor gedämpft“, so Studienleiter Klien weiter. In Regionen mit einem hohen GBV-Mietmarktanteil, im locker besiedelten Raum und im Osten Österreichs, punkten GBVs tendenziell besonders stark durch ihren Qualitätsvorsprung dank eines relativ jungen Mietwohnungsbestands. Der private Mietwohnungsbestand ist meist zwar nur wenig teurer, jedoch tendenziell älter und von geringerer Ausstattungsqualität. Je urbaner, je geringer der GBV-Marktanteil und je westlicher eine Region gelegen ist, desto stärker tritt der Preisvorteil der GBVs in den Vordergrund: GBVs stellen dort eine preisgünstige Alternative zum wesentlich teureren, wenn auch eher jüngeren privaten Mietwohnungsmarkt dar. Es handelt sich überwiegend um angespannte Märkte mit hoher Nachfrage und tendenziell rückläufigem GBV-Marktanteil. Die private Miete liegt deutlich über dem (kleinen) GBV-Bestand, weshalb die direkte Konkurrenz zwischen den Sektoren und die preisdämpfende Wirkung der GBVs dort als eingeschränkt anzunehmen ist.Die Bundeshauptstadt Wien nimmt sowohl hinsichtlich der Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur als auch nach wohnungswirtschaftlichen Kriterien eine Sonderstellung ein: Der Mietmarkt dominiert und dieser ist trotz zuletzt sehr starker Dynamik des gewinnorientierten Neubaus geprägt durch die hohe Bedeutung der kommunalen Miete und der privaten Altbaumiete. GBVs hatten hier über mehrere Jahrzehnte vorrangig die Aufgabe, die Wohn- und Ausstattungsqualität am Mietsektor zu leistbaren Konditionen zu erhöhen – sie hoben sich von der privaten Miete vor allem durch bessere Qualität ab. Erst in den jüngsten ein bis zwei Jahrzehnten ist der Preisvorteil das noch wesentlichere Unterscheidungsmerkmal geworden.
GBVs sorgten für Qualitätsverbesserung
Eine weitere Erkenntnis der Studie: GBVs sorgten ab den 1960ern für einen deutlichen Anstieg der Wohnqualität. Es entstand ein Qualitätswettbewerb zwischen dem gewinnorientierten und dem gemeinnützigen Sektor, wobei die GBVs klare Qualitätstreiber waren und noch immer sind. „Um nur ein Beispiel zu nennen: In Wien waren im Jahr 1971 noch zirka ein Drittel aller privaten Mietwohnungen sogenannte „Bassenawohnungen“. Es gab also weder WC noch Wasser in der Wohnung. Dieser Substandard war im gemeinnützigen Sektor zu jener Zeit so gut wie nicht mehr anzutreffen“, erklärt Verbandsobmann Baringer. Dieser Trend ist bis heute zu erkennen. Im Österreich-Durchschnitt hatte der GBV-Sektor 2011 einen um acht Prozentpunkte höheren Anteil an gut ausgestatteten Wohnungen (Kategorie A) als der private Mietsektor. In Wien ist der Anteil sogar um 19 Prozentpunkte höher als jener im privaten Mietsektor.
Über die Studie
Die Studie „Die preisdämpfende Wirkung des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich“ des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) gemeinsam mit dem wohnwirtschaftlichen Referat des Verbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen im Auftrag der MA 50 der Stadt Wien untersuchte in historischer und regionaler Perspektive den Einfluss des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich auf das gewinnorientierte Wohnungssegment. Der Schwerpunkt lag dabei auf Mietwohnungen. Mittels Analyse von Mikrozensus- und Registerdaten der letzten 50 Jahre. AutorInnen sind Michael Klien (Studienleiter), Peter Huber, Peter Reschenhofer (alle WIFO), Gerlinde Gutheil-Knopp-Kirchwald sowie Gerald Kössl (Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen).Grafiken, Visualisierung und die gesamte Studie finden Sie unter non-profit-housing.wifo.ac.at