- Global Retail Attractiveness Index erholt sich rasch nach deutlichem Einbruch im zweiten Quartal 2020
- Deutschland trotz Verlusten Spitzenreiter im GRAI vor Tschechien und Irland
- Dänemark legt mit hohem Konsumentenvertrauen als einziger Markt zu
- Kanada ist Schlusslicht unter allen 20 betrachteten Ländern
Ein tieferer Absturz scheint jedoch gestoppt. Zu diesem Ergebnis kommen GfK und Union Investment, die den GRAI seit 2017 für 20 Länder weltweit erheben. Auch wenn die Händler- und Konsumentenstimmung weiterhin im Corona-Tief steckt: Die rasche Rückkehr des GRAI (EU-15 Index) auf 100 Punkte im vierten Quartal 2020 lässt sich als Indikator für ein Ende der überaus steilen Talfahrt werten.
Einstweilen aufgefangen wurde der Negativtrend durch den Arbeitsmarkt, der sich im vierten Quartal in vielen Teilen Europas stabil entwickelte und mit 123 Punkten die stärkste Säule unter den vier Teilindikatoren des GRAI bildete. Hier konnten vor allem Frankreich, Italien, die Niederlande und Belgien gute Werte vorweisen. Als zweite Stütze wirkte die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze (105 Punkte). In zehn der 15 betrachteten Länder zeigte die Umsatzentwicklung nach oben. Insgesamt bleibt der GRAI aber in Europa um zehn Punkte unter dem Vorjahresniveau zurück. „Das Sentiment im Handel und auch der Verbraucherseite lässt derzeit keine Höhenflüge des Retail Index zu“, sagt Henrike Waldburg, Leiterin Investment Management Retail bei Union Investment. Mit deutlichen Verlusten im Jahresverlauf von minus 26 bzw. minus 16 Punkten erreichten die beiden Stimmungsgrößen des GRAI ein deutlich unterdurchschnittliches Niveau von 89 bzw. 85 Zählern. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Arbeitsmarkt ein nachlaufender Indikator ist. „Eine anhaltende Rezession mit stärker zunehmenden Arbeitslosenzahlen dürfte sich im Index künftig bemerkbar machen“, so Henrike Waldburg.
Resilienz in der Krise
In überraschend guter Verfassung, gleich einer Sonderkonjunktur, präsentiert sich im vierten Quartal der deutsche Einzelhandelsmarkt. Mit 115 Punkten (minus acht Punkte gegenüber Q4 2019) liegt Deutschland in einem schwächelnden Umfeld weiterhin klar an der Spitze. Das Führungstrio im vierten Quartal 2020 bilden nun Deutschland, Tschechien (107 Punkte) und Irland (104 Punkte). Ebenfalls noch überdurchschnittlich zum europäischen Retail Index tragen Dänemark (103 Punkte) sowie Belgien und Polen mit jeweils 101 Punkten bei. Letzteres trotz signifikanter Einbußen gegenüber dem Vorjahr. Im Jahresverlauf mussten Österreich und Portugal mit einem Minus von jeweils 21 Zählern, gefolgt von Spanien (minus 19 Zähler) die deutlichsten Verluste beim Retail-Index hinnehmen. Österreich mit nur 84 Punkten bildet im vierten Quartal das Schlusslicht, die Plätze davor belegen Spanien und Schweden mit jeweils 86 Punkten. Mit einem starken Verbraucheroptimismus und einer positiven Entwicklung der Einzelhandelsumsätze im Rücken, präsentiert sich Dänemark als das einzige europäische Land im EU-15-Index, das sich im Vergleich zum vierten Quartal 2019 mit einem Plus von drei Punkten leicht verbessern konnte.
„Auch wenn zweiter und dritter Lockdown und die steigende Sorge um Arbeitsplätze bei den Verbrauchern bzw. die wirtschaftliche Existenz bei den Händlern in fast allen europäischen Ländern im Jahresverlauf zu Einbußen im Retail Index geführt haben – von gering: siehe Deutschland, Irland oder UK bis stark: siehe zum Beispiel Österreich – weisen viele europäischen Einzelhandelsmärkte in der Krise eine gewisse Resilienz auf. Insbesondere im Vergleich zu internationalen Märkten wie Japan oder Kanada, wo derzeit deutlich stärkere Schwankungen zu beobachten sind“, sagt Olaf Janßen, Leiter Immobilienresearch bei Union Investment.
Chancen bei Cross-Over-Konzepten
„Die Transformation ist in vollem Gange“, sagt Henrike Waldburg „Die Corona-Krise als Verstärker von nachhaltigen Trends wird die Spreu vom Weizen trennen und komplett neudefinieren, welche Handelsimmobilie mit welchem Handelskonzept und welcher Mieterstruktur künftig das Prädikat „Core“ verdient“. In den starken europäischen Märkten, die den Crash-Test bestehen, ergeben sich für Investoren jedoch auch zukünftig Chancen. Hierzu zählen u.a. neue Cross-Over-Konzepte, die Handel mit spannenden anderen Nutzungen kombinieren.“
Europa vor Nordamerika vor Asien-Pazifik
Insgesamt hält der europäische Retail Index (100 Punkte) die internationalen Indizes, sowohl in Nordamerika (92 Punkte) als auch in Asien/Pazifik (84 Punkte), wo die globale Rezession als Folge der Pandemie deutlich stärker zu spüren ist, weiterhin auf Abstand. Im Vergleich zu Europa (minus zehn Punkte) fallen die Verluste für den Index in Nordamerika etwas geringer aus (minus sieben Punkte). Gestützt durch einen starken Anstieg bei der Händlerstimmung, erleidet der Index in den USA nur moderate Verluste, geht gleichwohl aber mit schwachen Werten (94 Punkte) ins Ziel. Den negativen Impact auf den Nordamerika-Index durch Kanada, das gegenüber dem Vorjahr immerhin 18 Punkte verliert, können die USA jedoch nicht kompensieren. Kanada trägt auch im vierten Quartal 2020 mit nur 77 Punkten die rote Laterne unter allen 20 im GRAI betrachteten Ländern.
Im asiatisch-pazifischen Raum zeigt der GRAI im Jahresverlauf etwas stärkere Verluste als Europa und Nordamerika – die Einbußen liegen bei insgesamt 15 Zählern. Ausschlaggebend ist hier insbesondere Japan, das in allen vier Teilindikatoren und hier insbesondere bei den Arbeitsmarkdaten und der damit verknüpften Verbraucherstimmung schlechtere Werte als bei der letzten Erhebung ausweist.
Zur Methodik
Der Global Retail Attractiveness Index (GRAI) von Union Investment bildet die Attraktivität der Einzelhandelsmärkte von insgesamt 20 Ländern in Europa, Amerika und Asien-Pazifik ab. Dabei bedeuten 100 Indexpunkte eine durchschnittliche Bewertung. In den EU-15-Index gehen die Indizes der EU-Länder Schweden, Finnland, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien, Österreich, Niederlande, Belgien, Irland, Portugal, Polen und Tschechien ein, gewichtet mit ihrer jeweiligen Bevölkerungszahl. In den Nordamerika-Index gehen die Indizes der USA und Kanadas ein; der Asien-Pazifik-Index berücksichtigt Japan, Südkorea und Australien.