Inflation, Zinsbewegungen und schwaches Wirtschaftswachstum laut Branchenexperten die größten Herausforderungen für den europäischen Immobiliensektor
Ein mittelfristiger Rückgang der Immobilienwerte gilt als unvermeidlich
Immobilien-Fachleute erwarten erheblichen Rückgang bei Finanzierungsquellen
PwC ImmoTalk: Studienpräsentation und Podiumsdiskussion im Wiener DC Tower
London, Paris und Berlin attraktivste Standorte für Immobilieninvestoren in Europa, Wien auf Platz 12
Mit 91 Prozent ist die meistgenannte Herausforderung des Immobiliensektors die Inflation, dicht gefolgt von den Zinsbewegungen (89 Prozent) und dem schwachen Wirtschaftswachstum in Europa (88 Prozent). Die politische Unsicherheit auf globaler und regionaler Ebene bereitet ebenfalls große Sorge. Bei den Faktoren, die konkret die Immobilienwirtschaft betreffen, stehen die stark gestiegenen Baukosten (92 Prozent) sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen (84 Prozent) ganz oben auf der Liste. Diese beiden Aspekte werden von den Immobilienmanager:innen als längerfristige Herausforderung gesehen: Rund drei Viertel der Befragten stellen sich auf entsprechende Kosten- bzw. Ressourcenprobleme über die nächsten drei bis fünf Jahre ein.
„Ein Sommer der Unsicherheiten ist in einen Herbst mit negativeren Prognosen übergegangen. Die Antworten der Befragten deuten darauf hin, dass für 2023 steigende Renditen und damit sinkende Immobilienwerte zu erwarten sind. Es herrscht allerdings Konsens, dass die Marktanspannungen nicht annähernd die Ausmaße wie bei der globalen Finanzkrise 2007 erreichen dürften. Der Zinsanstieg wird aber dennoch für gravierende Auswirkungen am Markt sorgen“, ordnet Marius Richter, Partner und Real Estate Leader bei PwC Österreich, die Studienergebnisse ein. In puncto Immobilienentwicklung gaben die Befragten an, dass für das nächste Jahr vorgesehene Projekte vorerst auf 2024 geschoben oder ganz aufgegeben werden könnten. Die dadurch sinkende Neubauleistung wird von einigen Branchenexpert:innen jedoch als positiv für Bestandsobjekte und deren Bestandshalter gewertet.
Zeitverzögerung am heimischen Immo-Markt
„Der österreichische Immobilienmarkt reagiert tendenziell sehr zeitverzögert auf die globalen Real Estate Trends. Heimische Immobilien-Fachleute haben jedoch die Herausforderungen der Marktsituation erkannt. Gepaart mit den Erfahrungen vergangener Krisen bereiten sie sich energisch auf die kommenden Monate und Jahre vor. Darüber hinaus haben viele Branchenführer erkannt, dass die wichtigen Zukunftstrends ESG, Digitalisierung und Deglobalisierung auch Chancen bieten“, ergänzt Peter Fischer, Real Estate Leader bei PwC Österreich.
Branche erwartet Rückgang von zur Verfügung stehenden Finanzquellen
Nach Jahren der Niedrigzinspolitik ist die Branche nun mit steigenden Zinssätzen konfrontiert. Das Vertrauen in die Verfügbarkeit von Eigen- und Fremdkapital ist auf dem niedrigsten Stand seit der Finanzkrise. So dürften denn auch nach Ansicht der Befragten die internationalen Kapitalströme nach Europa eher ab- als zunehmen. Am negativsten werden die Aussichten für Fremd- und Eigenkapital zur Projektfinanzierung (70 Prozent bzw. 63 Prozent erwarten hier einen Rückgang) sowie für Fremdkapital zur Refinanzierung oder Realisierung von Neuinvestitionen (64 Prozent rechnen mit einem Rückgang) beurteilt. „Seit der Durchführung der Befragungen im Sommer ist die Besorgnis der Branche noch größer geworden. Es gibt jedoch weiterhin viel Kapital, das darauf wartet, investiert zu werden. In Zeiten der Unsicherheit sind neben der richtigen Bestandsauswahl ein starker Fokus auf ESG-Kriterien, operative Fähigkeiten und Kundenorientierung ausschlaggebend“, so Jasmin Soravia, Chair von ULI Austria.
London als attraktivster Standort für Immobilieninvestoren
Die Studie beinhaltet wie in den Vorjahren ein Ranking, das auf der Einschätzung der befragten Immobilienmanager:innen zu den attraktivsten europäischen Investitionsstandorten basiert. Berücksichtigt werden unter anderem die Zukunftsaussichten der Städte in puncto Rendite und Entwicklung. London steht das zweite Jahr in Folge an der Spitze, gefolgt von Paris und Berlin, die die Plätze vom vergangenen Jahr getauscht haben. Wien belegt den 12. Platz und behält damit dieselbe Position wie im Vorjahr.
Studienpräsentation im Wiener DC Tower
Das Who is Who der österreichischen Immobilienbranche versammelte sich am gestrigen Dienstag zur Präsentation der Studienergebnisse sowie zur anschließenden Diskussionsrunde im PwC-Headquarter im Wiener DC Tower. Auch die Podiumsdiskussion stand im Zeichen des Wandels. So diskutierten die Expert:innen Peter Fischer, Real Estate Leader bei PwC Österreich, Susanne Steinböck, Group Head of Corporate Communications and Sustainability der CA Immo, Martina Maly-Gärtner, COO von UBM Development und Jenni Wenkel, CIO, Union Investment Austria über die Bedenken und Chancen, denen die Branche 2023 begegnen wird.
Die vollständigen Ergebnisse der Studie im englischen Original finden Sie hier.
Über die StudieDie Studie Emerging Trends in Real Estate - Europe 2023 spiegelt die Ansichten von 1.038 Immobilienfachleuten wider. Die Befragungen fanden mittels Umfrage, Interviews und Round Table Gesprächen in ganz Europa statt. Die Befragungen wurden im Sommer 2022 durchgeführt.
Über das Urban Land Institute (ULI)Das Urban Land Institute (ULI) ist eine weltweite, mitgliedergeführte Forschungs- und Bildungsorganisation mit über 45.000 Mitgliedern, die sich dem Austausch von Fragen zur nachhaltigen Entwicklung und Nutzung von Städten und allen Themen der Immobilienwirtschaft widmet. 1936 in Washington D.C. gegründet ist das ULI heute in über 80 Ländern vertreten und bietet ein multidisziplinäres Forum für Experten der Immobilienwirtschaft und der Stadtentwicklung. Über 4.000 Mitglieder hat das ULI in Europa, die in 15 nationalen Netzwerken organisiert sind. Ziel ist es, gemeinsam mit der Öffentlichen Hand durch Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch die Verbesserung der Lebensqualität in den Städten und Kommunen stetig weiter voranzutreiben. Damit prägt es nicht nur die Immobilienwirtschaft, sondern übernimmt gesellschaftliche Verantwortung. Weitere Informationen unter germany.uli.org und europe.uli.org.