Die deutschen Innenstädte haben ihren neuen Stil noch nicht gefunden. Das zeigt der heute veröffentlichte Highstreet Report, in dem Columbia Threadneedle Investments, München gemeinsam mit bulwiengesa einen detaillierten Blick auf die Highstreets in 141 Städten und 145 innerstädtische Shoppingcenter wirft. Die Studie mit dem Titel „Next Chapter, Highstreet?“ erfasst die Gesamtzahl der Läden, den Anteil internationaler und nationaler Filialisten und der Warengruppen von Aschaffenburg über Magdeburg und München bis Zwickau. Im Ein- und Fünfjahresvergleich werden die Verschiebungen im Bestand der in fünf Gruppen geclusterten Städte deutlich sichtbar.
Vorteil Highstreet: Citylagen attraktiver als Shoppingcenter
Nicht überraschend: Seit 2020 ist die Gesamtzahl der Läden kontinuierlich zurückgegangen. Wurden im ersten Highstreet Report im Jahr 2020 noch insgesamt 20.194 Stores gezählt, waren es 2024 nur noch 19.071, ein Rückgang um 5,6 % im Vergleich zu 2020 und um 2 % oder 372 Geschäfte im Vergleich zum Vorjahr. Betroffen waren dabei vor allem Shoppingcenter, hier sank die Zahl der Läden im Fünfjahresvergleich um 14 %, während die Highstreets im Schnitt tatsächlich leicht um 1 % zulegen konnten. Zurückgezogen haben sich vor allem Filialisten. Auch hier waren Shoppingcenter mit einem Rückgang von 19,5 % bei internationalen und 16 % bei nationalen Händlern über fünf Jahre deutlich stärker betroffen als die Highstreets mit jeweils minus 11,7 % und minus 2,8 %. Stark ausgebaut haben dagegen regionale Händler, die Zahl ihrer Geschäfte entlang der innerstädtischen A-Lagen wuchs seit 2020 um 17,6 %.
Modischer Bedarf konsolidiert, Gastronomie erobert die Innenstädte
Nach Warengruppen sank im Fünfjahresvergleich vor allem der Bereich des modischen Bedarfs (-17,9 %). Dazu trugen nicht nur weitere Insolvenzen von Modeketten wie Esprit, Hallhuber oder der letzten Kaufhauskette Galeria bei. Auch Anbieter wie H&M oder Peek & Cloppenburg schlossen Filialen. Am wenigsten betroffen vom Rückzug der Mode sind aktuell die sieben Städte aus der Gruppe der Top Performer wie Berlin oder Köln, hier liegt der Anteil bei 32,2 %, ein leichter Rückgang von 1,3 % im Vergleich zum Vorjahr. Den höchsten Anteil an Modegeschäften haben die Rising Stars wie Braunschweig und Freiburg mit 34 %. Die Gruppe der sogenannten Unterschätzten um Brandenburg, Karlsruhe und Magdeburg und der Kleinen Schätze wie Bottrop, Hamm und Salzgitter kommt bei Mode jetzt nur noch auf einen Anteil von rund 27 %.
Deutlich zulegen konnte dagegen erneut das Segment Gastronomie, über fünf Jahre lag das Plus bei 11,6 %. Auch einzelhandelsnahe Dienstleistungen wie Reisebüros und Friseure wuchsen um 4,4 %. Positive Signale gibt es auch aus anderen Bereichen: So will Douglas nach der Schließung von 40 Standorten jetzt europaweit bis zu 200 neue Läden eröffnen. Und auch die Gruppe der discountierenden Multisortimenter erobert verstärkt die Highstreet. Allein der Anbieter Woolworth plant, die Anzahl seiner Standorte in den kommenden Jahren von 700 auf 1.500 mehr als zu verdoppeln.
Filialisierungsgrad weiter rückläufig, große Bandbreite bei einzelnen Städten
Die Gruppe der internationalen und nationalen Filialisten konsolidierten in den letzten fünf Jahren nicht nur die Anzahl und Fläche ihrer Läden. Sie ziehen sich auch verstärkt aus kleineren Städten zurück. Mit einem Anteil von nur noch 58,2 % liegt die Kategorie der Kleinen Schätze am Ende der Skala, sie hat auch den stärksten Rückgang im modischen Bedarf (-21,3 %). Den höchsten Filialisierungsgrad haben die Rising Stars mit durchschnittlich 70,6 %. Im individuellen Ranking liegen die einzelnen Städte dagegen weit auseinander. Den höchsten Filialisierungsgrad hatte 2024 Hannover (81,6 %) vor Koblenz (80,8 %) und Erfurt (79,9 %), drei Städte aus der Gruppe der Stabilen. Teil dieser Gruppe ist auch das Schlusslicht im Filialisten-Ranking: Marburg (18,9 %).
Mehr Events, mehr Kultur, mehr Leben: Konzepte zur Belebung der Highstreets
„Ein attraktives Zentrum bleibt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und die Visitenkarte für die Kommunen. Hier müssen Kommunen, Eigentümer, Mieter und Manager neue Ideen entwickeln und ins Handeln kommen, um die Highstreets weiter zu beleben“, sagt Iris Schöberl, Managing Director Germany bei Columbia Threadneedle Investments in München und Initiatorin des Highstreet Reports. Ein gutes Signal sei, dass die Städte jetzt verstärkt bei der Umnutzung leerstehender Kaufhäuser aktiv werden, 70 % der im ersten Halbjahr 2024 gehandelten Objekte wurden von Kommunen erworben. „Die Highstreet bleibt als attraktiver Einkaufs- und Begegnungsraum auch in Zukunft gefragt. Aber sie wird kürzer werden, mit neuen Nutzungsformen wie Kultur, Bildung und Wohnen an den Rändern“, so Schöberl. „Für Investoren wird die Lage und der Blick auf das wirtschaftliche Umfeld in Zukunft noch wichtiger werden und der Management-Aufwand im Objekt wird steigen.“