Um den Gebäudebestand in Österreich „Klimafit“ zu machen und andererseits den Neubau nicht zu vernachlässigen, braucht es eine Neuordnung bei der Wohnbaufinanzierung. Die Basis für diese Neuordnung wurde bereits auf europäischer Ebene durch mehrere milliardenschwere Finanzierungstöpfe geschaffen. Dazu zählen an erster Stelle der „Green Deal der Europäischen Union“ und Mittel der Europäischen Investitionsbank.
Damit ein spürbarer und zugleich nachhaltiger Schwerpunkt im Bereich der Sanierung und Modernisierung von Bestandsimmobilien gesetzt werden kann, muss in Österreich eine Neuordnung bei der Wohnbaufinanzierung in Angriff genommen werden. Die ARGE Eigenheim präsentierte heute im Rahmen eines Pressegesprächs in Salzburg ihre Überlegung. Konkret handelt es sich dabei um drei zweckgewidmete Finanzierungstöpfe:
Der Wohnbauförderungs-Topf, gefüllt mit den bisherigen Mitteln zur Finanzierung des Neubaus von geförderten Wohnungen (jeweils 0,5 Prozent der Lohnsumme von Arbeitnehmer und Arbeitgeber).
Der Klimaschutzförderungs-Topf, gefüllt mit Mitteln der Europäischen Union sowie mit Mitteln aus dem Bundesbudget (BMK Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie).
Der Soziale Wohnbauförderungs-Topf, gefüllt z.B. mit Mitteln des Wohnschirms, der Wohnbeihilfe und sonstiger sozialer Unterstützungen.
„Mit dieser Neuordnung der Finanzierung im Wohnbau ist die Voraussetzung geschaffen, dass sowohl neue geförderte Wohnbauten errichtet werden als auch die Bestandsbauten in einem Zeitraum von 5 bis 20 Jahren modernisiert und saniert werden können“, ist DI Christian Struber, Bundesobmann der ARGE Eigenheim und Vorsitzender des Aufsichtsrates des Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV), überzeugt, „dass diese Bestandsbauten nach erfolgter Sanierung zudem günstigere Betriebskosten haben, als vor der Sanierung. Die bis Herbst laufenden Finanzausgleichsverhandlungen sind ein guter Ort, um diese politische Neuregelung im Wohnbau auf Schiene zu bringen“, ergänzt Christian Struber.
Gemeinnützige meistern Herausforderungen
Die derzeit herrschenden Rahmenbedingungen wie steigende Baukosten, erhöhte Grundstückskosten, steigende Wohnkosten etc. sind hinlänglich bekannt. Die aktuellen Darlehenskonditionen mit 6-Monats-Euribor 3,739 % verunsichern nicht nur den Immobilienmarkt, sondern auch die Kunden. Daher sind aufgrund der schwer planbaren und hohen Finanzierungskosten die Wohnungsvergaben in Miete oder Eigentum nicht nur in Niederösterreich zurückhaltend und rückläufig.
Gewerbliche und gemeinnützige Bauträger haben Baubeginne verschoben und gestoppt und es ist zu erwarten, dass die Bauwirtschaft mit Herbst Probleme in der Auslastung spüren wird, da die Auftragslage massiv zurückgeht. Bei Einbruch der Neubautätigkeit wird es zu einer Verknappung des Wohnraumangebotes und in ländlichen Regionen in NÖ auch zu Abwanderung kommen.
„Wichtig ist für uns, dass wir den Kunden in den Bestandsgebäuden Sicherheit und Planbarkeit geben. So konnten wir im Konzern Alpenland bei ca. 60 % der Nutzer Nachzahlungen bei der Betriebskostenabrechnung durch vorausschauende Planung der Betriebskostenakonti vermeiden“, erklärt Mag.a Isabella Stickler CSE, Obfrau der Gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Alpenland St. Pölten. Aufgrund der steigenden Betriebskosten stehen allerdings weitere Anpassungen mit Jahresmitte an. „Im Vergleich zu gewerblichen Mieten zeigt sich jedoch klar, dass die kostendeckenden Mieten deutlich niedriger sind. Durch intensive Kommunikation mit unseren Kunden und Unterstützung wirken wir dem Wohnungsverlust entgegen“, ergänzt Isabella Stickler. „Auch das unterscheidet uns von gewerblichen Vermietern und wird in den nächsten Jahren für unsere Kunden in der Absicherung der Wohnraumversorgung entscheidend sein“.
Nachfrage nach Eigentumswohnungen um 80 Prozent eingebrochen
Die Krisen-bedingte Explosion der Baukosten für den Wohnhaus- und Siedlungsbau hat in der Zwischenzeit eine Seitwärtsbewegung eingeschlagen. Markant hat sich jedoch die Nachfrage bei Eigentumswohnungen entwickelt. „Insgesamt haben die multiplen Krisen dazu geführt, dass die Nachfrage nach Eigentum innerhalb von 8 Monaten um 80 Prozent eingebrochen ist. Und eine Verbesserung ist nicht in Sicht“, analysiert DI Herwig Pernsteiner, Bundesobmann-Stv. Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen. Denn das Finanzierungsvolumen ist von rund € 2,4 Milliarden pro Monat auf unter € 1,0 Milliarden pro Monat gefallen. „Das bringt Probleme für Immobilien-Entwickler, Banken, Neubauprojekte und somit auch für die gesamte Volkswirtschaft zumal das Bauwesen einen 7,5 prozentigen Anteil an der heimischen Bruttowertschöpfung (BIP) hat“, zeigt sich Herwig Pernsteiner besorgt.Die Nachfrage nach Mietobjekten hält sich bei den Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften hingegen stabil auf Niveau der Vorjahre.
„Junges Wohnen“ braucht Perspektive
Der Wunsch nach Wohneigentum ist bei den jüngeren Generationen ungebrochen. Eine eigene Wohnung bedeutet Unabhängigkeit und ist gleichzeitig eine wichtige Vorsorge gegen Altersarmut. Aktuell stehen jedoch drei wesentliche Gründe einer Eigentumsbildung entgegen: die Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank EZB haben die Finanzierung von Wohnraum schlagartig verteuert. Die rasant wachsenden Baukosten der vergangenen 18 Monate haben so manchem Traum von Eigenheim einen Strich durch die Kalkulation gemacht. Last but not least hat die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungmaßnahmen-Verordnung (KIM-V) für viele Junge die Schaffung von eigenem Wohnraum nahezu unmöglich gemacht.
3. Weg zum Jungen Eigentum
Um dennoch jungen Menschen eine realistische Perspektive zur Eigentumsbildung zu ermöglichen, braucht es einen neuen, sozusagen „3. Weg zum Eigentum“. Neben dem „klassischen Soforteigentum“ und der Möglichkeit des „Miet-Kaufs“ soll nun das „Junge Eigentum“ wie folgt ermöglicht werden. Junge Menschen kaufen sich sofort eine Wohnung und werden damit auch grundbücherliche Eigentümer. Voraussetzung sind dabei Eigenmittel in Höhe von 20 % des Kaufpreises, die angezahlt werden müssen. Der Rest-Kaufpreis wird vom Bauträger gestundet. Bedingung dafür ist jedoch eine fixe, monatliche Zahlung zur Reduktion der Stundung. Bei einer 65 m² Wohnung entspricht dies einer monatlichen Belastung von rund € 1.000,--. Der Bauträger bleibt im Grundbuch bis zur finalen Bezahlung des gestundeten Kaufpreises. „Mit dieser Regelung wird es wieder möglich, trotz der gestiegenen Zinsen und Baukosten ‚Junges Eigentum‘ zu erwerben“, so Christian Struber.
Verbandstag der Gemeinnützigen 14. und 15. Juni 2023 in Salzburg
Der Verbandstag der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft findet heuer am 14. und 15. Juni in Salzburg statt. Neben den statutarisch notwendigen Abstimmungen stehen neben Themen wie „Verteuerung der Finanzierung durch die Leitzinserhöhung auf 3,75 Prozent“, die „gewaltigen Sanierungsanforderungen am Weg zur Klimaneutralität“ und u.a. auch die „Arbeitgebermarke Gemeinnützige“ auf der Tagesordnung.