Hybrides Arbeiten und dessen Einfluss auf den Flächenbedarf
Die Ausgangsposition ist eindeutig: Mit einer durchschnittlichen Präsenz von nur 52% der Mitarbeitenden in Büros steht die Immobilienbranche vor grundlegenden Herausforderungen. Andreas Gnesda sieht darin jedoch keine Bedrohung, sondern vielmehr eine Chance für eine nachhaltigere und bedarfsgerechtere Nutzung von Büroflächen.
Seine Kernaussage lautet: „Wir werden weniger Fläche brauchen und das ist auch gut." Hierbei betont er besonders den Suffizienzgedanken: „Ich glaube, das einfachste und beste Sparen von Ressourcen liegt darin, dass wir nur die Ressourcen haben, die wir wirklich brauchen. Also in der Suffizienz liegt, glaube ich, der größte Hebel."
Gleichzeitig wird deutlich, dass es sich nicht um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Der Office Report 2025 belegt, dass die Nutzungsmuster sich in den letzten Jahren stabilisiert haben und hybrides Arbeiten zur neuen Normalität geworden ist.
Qualitative Transformation: Von Quantität zu Qualität
Trotz des reduzierten Flächenbedarfs prognostiziert Gnesda eine anhaltende Nachfrage nach neuen Büroflächen – allerdings mit veränderten Anforderungen: „Ich glaube aber, es wird neue Büroflächen geben, und das wird sie deshalb geben, weil diese Büroflächen andere Anforderungen erfüllen müssen."
Die zentrale Verschiebung liegt in der Funktion des Büros:
„Wir brauchen heute viel mehr Fläche für Interaktion, für das Gespräch." Das Büro wandelt sich vom reinen Arbeitsort zum sozialen Ankerpunkt: „Sie müssen magnetische Anziehungskraft haben, damit Mitarbeitende gerne und oft kommen."
Diese Anziehungskraft definiert Gnesda durch:
- Interaktionsflächen, die Gespräche ermöglichen
- Räume, die Ideenentwicklung fördern
- Umgebungen, die zu Innovationen inspirieren
- Bereiche für informellen Austausch
Gnesda konstatiert: „Kein Mensch will fünf Tage die Woche im Remote-Modus arbeiten." Die Menschen kommen gerne ins Büro, wenn es einen Mehrwert bietet: „Sie sind gerne kommen, sie sind freiwillig kommen. Sie sind begeistert, kommen und da muss man einfach was bieten."
Marktdifferenzierung und Preisentwicklung
Eine der wichtigsten Prognosen betrifft die zunehmende Differenzierung des Marktes. Gnesda sagt eine klare Spaltung voraus:
- Qualitativ hochwertige Flächen mit starker Nachfrage und hohen Preisen
- Standardflächen ohne besonderen Mehrwert, die zunehmend weniger nachgefragt werden
„Das wird sicherlich eine Konsequenz darauf haben, dass die Flächen, die vielleicht nicht so viel bieten können, weniger nachgefragt werden. Die werden auch ungenutzt werden, glaube ich. Also es wird sicherlich eine nicht unbeträchtliche Umnutzung von Büroflächen in andere Flächen geben."
Zur aktuellen Preisentwicklung stellt Gnesda fest: „Die Mietpreise sind hoch. Sie sind gestiegen." Er führt dies auf zwei Hauptfaktoren zurück:
- Die allgemeine Inflation
- Das geringe Angebot bei anhaltender Nachfrage
Besonders interessant ist seine Beobachtung zur Entstehung eines Sekundärmarktes: „Interessant ist, dass wir so eine Art Sekundärmarkt haben. Das ist diese Untervermietung. Es manifestiert also der Flächenüberhang bei größeren Organisationen und auch bei kleineren Organisationen, die nach einer temporären Kompensation des Aufwandes für die nicht genutzten Flächen suchen."
Marktdynamik: Angebot und Nachfrage in Disbalance
Eine zentrale Beobachtung von Gnesda betrifft die historisch einmalige Situation bei der Neubautätigkeit: „Wir haben es noch nie gehabt, dass so wenig neue Fläche produziert wurde." Dies führt zu einer paradoxen Situation:
- Aktuell geringe Nachfrage nach neuen Flächen
- Gleichzeitig aufgestauter Bedarf
- Kaum Neuproduktion von Flächen
- Entstehendes Ungleichgewicht für die Zukunft
Gnesda prognostiziert eine dramatische Entwicklung: „Es wird irgendwann einmal die Staumauer des Rückstaus brechen. Es wird unglaublich viel Aktivität im Markt passieren. Es wird die Nachfrage massiv ansteigen. Wir glauben, das Angebot wird einfach nicht da sein."
Er untermauert diese Prognose mit konkreten Zahlen: „Wir haben in Wien im letzten Jahr Flächentransaktionen von 168.000 Quadratmetern gehabt. Das ist extrem wenig. In den besten Jahren waren es 400 und 450.000 Quadratmeter."
Barrieren für Neuentwicklungen
Gnesda identifiziert mehrere Faktoren, die aktuell die Neuentwicklung von Büroflächen hemmen:
- Hohe Zinsen, die die Finanzierung erschweren
- Verändertes Investitionsverhalten der Investoren
- Unsicherheit bezüglich zukünftiger Flächenbedarfe
Er prognostiziert: „Das wird sich nicht so rasch ändern. Da werden wir noch ein paar Jahre in den Modus fahren." Dennoch ermutigt er zur Entwicklung neuer Flächen: „Jedem, der eine neue Bürofläche entwickeln will, kann ich nur darin bestärken. Die Nachfrage ist da."
Als alternative Strategie für Entwickler schlägt er vor: „Wenn ihr das extrem gut macht und die dann irgendeinem Investor verkaufen wollt, ist es wahrscheinlich ein bisschen schwieriger heute. Aber es vielleicht im Portfolio zu halten, ist ja auch eine ganz gute Überlegung."
Nachhaltigkeit und Umbau als Lösungsstrategie
Angesichts des geringen Neubauvolumens sieht Gnesda einen starken Trend zu Umbauprojekten: „Es wird sehr, sehr viel Umbauaktivität stattfinden." Dies bewertet er aus Nachhaltigkeitsperspektive positiv: „Selbstverständlich ist es total positiv, weil ich damit sozusagen auch wirkliche ökologische Maßnahmen setzen kann."
Die Umnutzung und Modernisierung bestehender Flächen bietet mehrere Vorteile:
- Ressourcenschonung durch Vermeidung von Neubauten
- Anpassung an veränderte Nutzungsbedürfnisse
- Verbesserung der energetischen Eigenschaften
- Attraktivitätssteigerung bestehender Flächen
Fazit und Ausblick
Andreas Gnesda zeichnet das Bild eines Marktes im Umbruch, der sich gleichzeitig einer Phase der Zurückhaltung und einem aufgestauten Bedarf gegenübersieht. Seine Prognosen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Flächenreduktion bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung: Weniger, aber bessere Flächen mit „magnetischer Anziehungskraft".
- Marktdifferenzierung: Zunehmende Kluft zwischen hochwertigen, attraktiven Flächen und weniger nachgefragten Standardflächen.
- Kurzfristig gedämpfte, mittelfristig explosive Marktentwicklung: Der aktuelle Rückstau wird sich in den kommenden Jahren in einer verstärkten Marktaktivität entladen.
- Umnutzung statt Neubau: Aufgrund der geringen Neubautätigkeit werden Umbauprojekte dominieren.
- Nachhaltigkeitsorientierung: Die Transformation bietet Chancen für eine ökologisch sinnvollere Nutzung von Büroflächen.
Die zentrale Botschaft von Gnesda lautet: Der Büromarkt steht nicht vor dem Ende, sondern vor einem grundlegenden Wandel. Erfolgreiche Akteure werden jene sein, die die veränderten Anforderungen erkennen und Büroflächen entwickeln, die einen echten Mehrwert für die hybride Arbeitswelt bieten – Orte, die Menschen nicht aus Pflicht, sondern