„Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen“

.. ist eine der ältesten Börsenweisheiten, die dem Bankier Carl Mayer von Rothschild zugeschrieben wird. Leider donnern in Europa derzeit tatsächlich im Ukraine-Krieg die Kanonen, und im übertragenen Sinne steht die Finanz- und Immobilien-Welt durch die abrupt gestiegenen Zinsen unter Beschuss.
Bild  von 

Werbung

Wenn man dem Ratschlag eines der erfolgreichsten Bankiers aller Zeiten also folgen würde, dann müsste man gerade jetzt in den Immobilienmarkt einsteigen.

Tatsächlich liegen aber die Rückgänge bei den Transaktionen je nach Standort, Nutzungsart und Zählweise bei 25 bis 75 Prozent im Vergleich zu den – zugegebenermaßen rekordverdächtigen – Vorjahren. 

Also was jetzt?

„Never catch a falling knife“ heißt da eine andere, angelsächsische Börsenregel, greife nie in ein fallendes Messer, kaufe also keine Aktien/Immobilien, die noch weiter sinken werden.

Tja, auch Weisheiten können sich widersprechen. Machen wir also einen Realitätscheck aus der Praxis.

Nehmen wir an einem Standort in Deutschland einen 50-prozentigen Rückgang bei den Immobilien Verkäufen an.

Um jetzt gleich noch ein bekanntes Sprichwort heranzuziehen, man kann als Optimist das Glas halb voll, als Pessimist halb leer sehen.

Ein 50-prozentiger Rückgang heißt also auch, dass 50 Prozent der Transaktionen tatsächlich getätigt wurden.

Und wer sind die mutigen Käufer dieser 50 Prozent?

Dazu schlagen wir bei André Kostolany nach, dem Altmeister der Börsenspekulation. Er teilte die Investoren in zwei Gruppen ein: in die Hartgesottenen und die Zittrigen.

Was unterscheidet nach seiner Analyse diese beiden Gruppen? Der Hartgesottene, so erklärt Kostolany, verfügt über die vier G, die der preußische Generalfeldmarschall von Moltke auch für eine erfolgreiche Kriegsführung als unerlässlich gesehen hat: Geld, Gedanken, Geduld und natürlich Glück.

Im Lichte der Transaktionen, deren Abschluss wir in den letzten Wochen gesehen haben, steigen die Hartgesottenen langsam wieder in den Markt ein, sie haben sich jetzt schon ein Jahr in Geduld geübt. Und eines dieser vier G ist natürlich ein besonders wichtiges Asset in dieser Zeit: „Geld“, will heißen Eigenkapital.

Wir sehen einen großen Trend weg von den finanzierten Immobilienkäufen und hin zu den Eigenkapitaltransaktionen. Es ist also eine Zeit, in der es für Glücksritter immer schwieriger wird – große Vermögen können hingegen überproportional wachsen.

Und was wird gekauft?

Bleiben wir bei unserem Standort mit dem 50-prozentigen Rückgang bei den Verkäufen. Ein Großteil der Angebote, die wir jeden Tag dutzendweise erhalten, ist noch immer deutlich zu teuer, mit Preisschildern aus den Jahren 2021/2022.

Wenn wir Makler fragen, warum sie denn überhaupt noch Angebote zu Immobilien mit 2,75 Prozent Rendite ausschicken, wohl wissend, dass das klar am Markt vorbeizielt, dann erhalten wir immer dieselbe Antwort: „Die Eigentümer wollen das so.“ Und der Vermittler hofft natürlich insgeheim, dass der Auftraggeber doch irgendwann mal einknickt und er dann noch zu seiner Provision kommt.

Bei der einen Hälfte des Markts ist also das Sickerprozess noch nicht zu Ende – es muss noch zu vielen Verkäufern durchdringen, dass Preisabschläge notwendig sind, um reüssieren zu können. Ein mühevoller Weg für Makler und Eigentümer.

Ganz anders sieht es aber bei den Objekten aus, die schon kompetitiv eingepreist wurden, immer vorausgesetzt, dass Lage, Qualität und Energiekennzahlen der Immobilie stimmen.

Kompetitiv heißt, die bloße Rendite betrachtend, dass die Abschlusspreise in Berlin heute großteils zwischen vier und fünf Prozent liegen, in Städten wie Dresden und Leipzig bei 4,5 bis fünf Prozent und dann abgestuft in anderen Städten in den neuen Bundesländern mit über 100.000 Einwohnern bei fünf bis sechs Prozent, an kleineren Standorten deutlich über sechs Prozent.

Ein Haus mit vier Prozent Rendite in Berlin wäre wahrscheinlich vor zwei Jahren noch als  Dreiprozentig gehandelt worden. Wenn ich mir die heutigen Preise anschaue, dann reden wir bereits über Rückgänge von 25 bis 30 Prozent.

Da steigt dann das Interesse der Investoren, der Hartgesottenen, sprunghaft an.

Das spiegelt sich auch in unseren Marktbeobachtungen und den tatsächlichen Abläufen der letzten Wochen wider. Dazu eine schlechte Nachricht für den gelernten Österreicher, der gern handelt: Bei überteuerten Objekten kann man natürlich feilschen ohne Ende, aber bei marktgerecht ausgeschriebenen Häusern hält sich der Spielraum in Grenzen. Wir haben in den letzten Wochen auch Verkäufe gesehen, wo zum Exposé-Preis abgeschlossen wurde. Viele der Objekte, bei denen wir für Mandanten geboten hatten, haben wir gar nicht bekommen, weil der Mitbewerb entweder schneller war oder bereit, mehr zu zahlen. 

Die Zittrigen mögen zwar meinen, dass es noch viel weiter nach unten geht, aber dazu ist meiner Ansicht nach viel zu viel Eigenkapital in den Startlöchern. Und der Spread bei den Quadratmeterpreisen von Investment-Immobilien würde dann im Vergleich zu Eigentumswohnungen einfach zu stark auseinandergehen.

Dazu kommen die üblichen Argumente, die meine These noch unterstützen: hohe Nachfrage nach Wohnraum und steigende Mietpreise, geringere Bautätigkeit etc. 

Allein in Deutschland müsste man, um mit dem Bevölkerungswachstum mithalten zu können, rund 700.000 Neubauwohnungen pro Jahr auf den Markt bringen, im laufenden Jahr werden es aber wahrscheinlich nur um die 250.000 sein. Und da es aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus in der nächsten Zukunft weniger Neubau geben wird (mal ganz abgesehen von den Bau- und Materialpreisen, dem Fachkräftemangel etc.), wird der Preisdruck auf Bestandsimmobilien weiter steigen.

Ich habe mit Rothschild begonnen, enden möchte ich nun mit einer anderen Finanzlegende, Warren Buffett, der da sagte: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind. Sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“

Fazit: Jeder möge für sich selbst entscheiden, zu welcher Gruppe der Investoren er gehört.

Meistgelesen in den letzten 7 Tagen:

Artikel

02.12.2023 06:00

Walter Senk

SIGNA … wie konnte das passieren?

Eine persönliche Betrachtung der Geschichte rund um die SIGNA und René Benko. Von seinen Anfängen im Jahr 2000 bis hin zu den Nachrichten der vergangenen Tage. Wobei ich mit den vergangenen Tagen beginnen möchte, denn hier wird eines übersehen …

JETZT LESEN
Views: 3086
Lesezeit: 6 min
0

Artikel

30.11.2023 05:35

Gerhard Popp

Büroplanung im Zeitalter des Neuen Arbeitens: Erfahrungsbericht von ThyssenKrupp

ThyssenKrupp, ein international agierendes Unternehmen mit 800 Standorten weltweit, hat sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Stefan Wolter, Head of Global Real Estate Management for thyssenkrupp Group sprach in seinem Vortrag beim 16. Internationale Facility Management Kongress an der TU Wien über seine Erfahrungen im Bereich der Büroplanung bei ThyssenKrupp und wie sich das Bürokonzept über 34 Jahre immer wieder verändert hat.

JETZT LESEN
Views: 2772
Videodauer:
0

Artikel

04.12.2023 06:00

Walter Senk

ThanX-Mas der S IMMO AG im HEUER am Karlsplatz

Weihnachten wirft bereits sein Licht voraus. Wie schon die letzten Jahre war es die S IMMO AG, die zur ihrer traditionellen Weihnachtsfeier – dem ThanX-Mas – einlud. Die Location war wie immer das Heuer am Karlsplatz.

JETZT LESEN
Views: 2314
Lesezeit: 2 min
0

Newsletter Abonnieren

Abonieren Sie unseren täglichen Newsletter und verpassen Sie keine unserer redaktionellen Inhalte, Pressemeldungen, Livestreams und Videos mehr.

Vielen Dank! Ihre Daten wurden gespeichert. Damit Ihre Anmeldung gültig wird klicken Sie bitte den Link in dem Bestätigungsmail das wir Ihnen gesendet haben.

Bitte geben Sie Ihren Vor- und Nachnamen ein, es sind exakt 2 Worte beginnend mit Großbuchstaben erlaubt.

  • 15.09.2023
  • 4883
  • 4 min
  • Likes von:

  • 0
Geschrieben von:

Alexander Neuhuber

  • 203
  • Likes von:

Mag. Alexander Neuhuber, FRICS CRE ist Gründer und Geschäftsführer der Magan Holding GmbH. Seit über 30 Jahren ist Mag. Neuhuber in der österreichischen Immobilienwirtschaft unternehmerisch aktiv und seit 15 Jahren in Deutschland, mittlerweile mit Büros auch in Berlin und Leipzig. Schwerpunkt der Tätigkeit liegt in der Beratung und Unterstützung der Klienten bei Auswahl, Strukturierung, Prüfung und Abschluss von Immobilien-Transaktionen in Wien, Berlin, Leipzig und Dresden.

Werbung