Was haben Sie vom Wiener Real Estate Salon am 20. Juni mitgenommen?
Georg Formanek: Zwei Themen waren sehr interessant für mich. Zum einen das Thema ESG, das auf uns zurollt und immer wichtiger wird. Es hat eine ungeheure Dimension und wird den Markt verändern beziehungsweise tut das schon. ESG ist derzeit dort wichtig, wo man direkt mit dem Kapitalmarkt zu tun hat, sei es bei Finanzierungen oder zum Beispiel als Developer, der letztlich Produkte für institutionelle Investoren entwickelt. Für Family-Offices ist ESG derzeit noch Nebenschauplatz. Das heißt nicht, dass darauf nicht geachtet wird, aber es besteht nicht diese Wichtigkeit wie bei anderen Investoren. In vielen Fällen ist genügend Eigenkapital vorhanden, und man ist weniger auf die Kapitalmärkte angewiesen. Das kann sich aber ändern, sollte einmal jemand auf die Idee kommen, Vermietungsverbote für Objekte auszusprechen, die nicht gewisse Kriterien erfüllen.
Der zweite Bereich?
Leistbares Wohnen. Das Thema ist im Augenblick sehr schwierig. Wir haben zu hohe Preise. Was mich aber beunruhigt, ist nicht nur das immobilienspezifische Thema. Wenn wir eine Wohnungsnot bekommen, wie in England oder den USA, weil zu wenig gebaut wird, gibt es eine große Anzahl an unzufriedenen Menschen, und der Ruf nach dem Staat wird lauter. Der hat aber auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, endlos in den Markt einzugreifen.
Das ist insgesamt gefährlich für die Gesellschaft und gefährdet letztlich auch die Demokratie, denn dann besteht die Gefahr, dass man nicht mehr nach dem starken Staat ruft, sondern nach einem starken „Mann“. In Frankreich sieht man ja die Entwicklung bei den Wahlen und bei uns sind die Vorzeichen ähnlich. Das, finde ich, ist ein politisch sehr unerfreuliches Umfeld. Man sollte von politischer Seite her nachdenken, wie adäquate Lösungen aussehen, aber die Rahmenbedingungen machen es derzeit sehr schwierig, sie auch umzusetzen. In schwierigen Zeiten sehnen sich die Menschen eben nach einfachen Antworten.
Wie schätzen Sie die Preisentwicklung ein?
In Österreich hat die Preisanpassung noch nicht stattgefunden. Die Preise sind noch nicht dort, wo sie sich im Ausland befinden. Die Banken tauchen noch durch und stellen die Kredite nicht fällig, sondern zinsfrei. Wenn die Preise nachgeben, können private Investoren zwar kaufen, aber die Masse der Bevölkerung leidet darunter.
Das Problem ist aber: Wenn die Preise im Ausland sinken und in Österreich nicht, kommt es kaum zu großen Transaktionen. Wenn einem Investor eine Büroimmobilie in Toplage neben dem Central Park in New York um neun Prozent angeboten wird, warum soll er dann hier kaufen? Kapital ist flexibel. Wenn wir glauben, dass wir in Österreich um fünf Prozent verkaufen können, während man etwa in Deutschland um sieben Prozent kaufen kann, dann wird das nicht funktionieren. (Das zeigt sich bereits bei den Marktberichten: In Österreich gingen alle Investments des zweiten Quartals 2024 auf das Konto österreichischer Investoren – Anm. d. Red.)
Die 0,25 Prozent Zinsrückgang bewirken noch gar nichts. Betrachtet man allerdings die Zinskurve der EZB, zeigt sich: Wenn die Zinsen einmal zu sinken begonnen haben, dann hat es bisher mindestens drei Jahre gedauert, ehe sie wieder gestiegen sind. Daher können wir einmal davon ausgehen, dass sie zumindest nicht mehr steigen werden. Das ist ja schon etwas.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
Die Summe der faulen Immobilienkredite im Gewerbe- und im Zinshausbereich wird drastisch steigen, und die Banken werden in den kommenden zwei bis drei Jahren Wertberichtigungen vornehmen müssen. Die Probleme betreffen viele Banken. Die Frage ist, wie lange man die Dinge unter der Decke halten kann.
Ich kenne Portfolios, bei denen ich mich frage, ob sich jemand die Immobilien angesehen hat, die finanziert wurden. Es wollten natürlich alle am Boom partizipieren, aber es hat vor allem kleinen Instituten oft das Wissen gefehlt. Man kann nicht etwas finanzieren, wenn man wenig Ahnung von einem Markt hat, der nicht der Heimmarkt ist. Der Immobilienmarkt ist fremdkapitalgetrieben. Auf jeden Fall haben die Banken mitgespielt, und für kleinere Institute auf dem Land sind zwei, drei Millionen Euro viel Geld.
Diese Entwicklung ist aber auch ein zweischneidiges Schwert: Fallende Preise kommen zwar den Investoren entgegen, aber die Masse der Bevölkerung leidet darunter – damit sind wir wieder beim Thema Gesellschaft.
Wann sollte man wieder Immobilien kaufen?
Jetzt ist die Zeit der Privatinvestoren, die Geld haben und relativ günstig einkaufen können. Sie nützen die Chance, denn irgendwann werden auch die großen Investoren bei sinkenden Zinsen wieder Kapitalabflüsse verzeichnen, dann werden sie sich geistig Richtung Startblöcke bewegen, und irgendwann werden sie alle gleichzeitig zu laufen beginnen. Mit weiteren Zinsschritten rechne ich nicht vor Ende des Jahres, daher ist jetzt ein guter Zeitpunkt zu investieren.
Welche Assetklassen wären jetzt interessant?
Wohnen ist sicher interessant, wenn man bedenkt, dass wir eine Wohnungsknappheit bekommen werden. Bei Büros bin ich nicht sicher, wie sich der Markt entwickeln wird. Hier gibt es vor allem konjunkturelle Faktoren, die schwer zu einzuschätzen sind. Eher überzeugt bin ich von Logistik und Light Industrial.
International – vor allem im angloamerikanischen Raum, zunehmend aber auch in Deutschland – gibt es eine sehr interessante Entwicklung: Viele Unternehmen bunkern ihr Geld nicht in Immobilien, sondern verkaufen sie, bleiben im Objekt und zahlen Miete. Das lukrierte Geld stecken sie in Forschung und Entwicklung. Das ist bei uns aber noch die absolute Ausnahme.
Rechnet sich diese Vorgangsweise für Unternehmen?
In jedem Fall. Wenn man ein Objekt um einen gewissen Prozentsatz verkauft, um das Geld in Forschung und Entwicklung zu stecken, dann muss auf lange Sicht mehr herauskommen. In den USA ist das gang und gäbe, die haben einen viel mehr von Investmentbanken beeinflussten Ansatz. In Österreich ist das oft nicht der Fall. Wir haben noch ein gewisses Sicherheitsdenken in Bezug auf den Immobilienbesitz. In Deutschland gab es bereits Untersuchungen dazu, und es zeigt sich, dass es sich um einen Milliardenmarkt handelt, der noch weitgehend brachliegt.