Die Denk- und Handlungsweise in der Immobilienwirtschaft verändert sich. „Wir stellen das stark in unserem Umfeld fest“, berichtet Evgeni Gerginski: „Bei vielen in Wien entstandenen Bürohäusern von Anfang der 2000er-Jahre sieht man, dass sie noch aus einer Zeit stammen, in der sich die Architekten ein Denkmal setzen wollten.“ Die junge Generation denkt bereits anders: „Wie nutze ich das Gebäude am besten, und wie funktioniert es auf lange Zeit? Die Fassade macht dann nur den Abschluss.“ Es geht mittlerweile weg von dem Gedanken, „ein schräges Teil hinzusetzen, das nur einen einzigen Nutzen hat“. Die Studierenden setzen sich mit den Rohstoffen und den Nachhaltigkeitsthemen auseinander. „Das zeigt sich bereits bei den Bewerbungen“, so Andreas Hawlik: „Wir sehen Portfolios unser Bewerber, die gänzlich anders sind, als sie es früher waren – zum Beispiel auch mit begrünten Gebäuden oder dem Werkstoff Lehm.“
Die modulare Bauweise als Baustein des kreislauffähigen Bauens
Ein weiterer Schritt wird die modulare Bauweise sein, wobei Gerald Beck feststellt: „Ich diskutiere mit vielen Architekten über modulares Bauen und stoße noch auf strikte Ablehnung, da sie sich von dem alten Bild der modularen Bauweise – Betonplattenbau osteuropäischer Prägung – nicht lösen können. Dabei ist das eine interessante Aufgabe, weil man damit auch spannende Projekte schaffen kann. Dort müssen wir hin.“ Die Industrialisierung der Kreislaufwirtschaft ist eng mit der modularen Bauweise verknüpft. „Das passiert auch gerade, wir sehen, dass sich etwas verändert“, meint Bernadette Luger: „Für das kreislauffähige Bauen gibt es keine universelle Lösung, sondern ein Bündel an Planungsprinzipien. Dazu gehören intelligente Grundrisse, Vorfertigung, die Nutzung regenerativer Baustoffe und der Einsatz von Re-Use-Bauteilen, aber eben auch die modulare Bauweise. Diese Aspekte fragen wir bei Wettbewerben bereits verstärkt ab.“ Das Thema wird seitens der Stadt Wien stark forciert und spielt auch bei der Entwicklung am Nordwestbahnhof eine große Rolle.
Bauverfahren dauern zu lange
Die modulare Bauweise würde nicht nur der Kreislaufwirtschaft entgegenkommen, „sondern auch der Leistbarkeit“, so Evgeni Gerginski. Diese bleibt im Verlauf der Projekte oftmals auf der Strecke, wobei es aber nicht nur an den Baukosten liegt, sondern oftmals auch am Prozedere. Beispiele dafür gibt es einige. Jasmin Soravia: „Die Dauer eines Bauverfahrens ist für uns immer ein Thema, und wir sind sicherlich nicht die Einzigen.“ Bei einem Projekt in der Sechshauser Straße fand vor einem Jahr die Bauverhandlung statt, und „ich muss eineinhalb Jahre auf die Baugenehmigung warten“. Im 19. Bezirk gibt es bereits eine Baugenehmigung, allerdings fehlt hier wieder der Rodungsbescheid. „Diese Leerläufe kosten Geld, da wir mehr Zinsen zahlen, und die müssen wir auf die Wohnungspreise verteilen.“ Überarbeitete Pläne liegen oft wochenlang in den Amtsstuben, bis sie bearbeitet wieder zurückkommen. „Das zieht sich durch das Projekt.“
Die „Fast Lane“
Um kurzfristig eine Lösung zu finden und um Projekte schneller abwickeln zu können, „wäre in solchen Fällen eine ‚Fast Lane‘ eine denkbare Möglichkeit“, meint Gerald Beck. Speziell wenn die Projekte erhöhten Nachhaltigkeitskriterien oder der Kreislaufwirtschaft entsprechen, sei eine raschere Behandlung des Bauakts wünschenswert. In der Stadt Wien ist man bereits mit diesem Thema befasst, führt Bernadette Luger an: „Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Verwaltungsabläufe zu optimieren, und stehen dazu in engem Austausch mit verschiedenen Stakeholdern. Dabei ist es selbstverständlich entscheidend, dass die Schutzziele eingehalten und die Rechte der Anrainerinnen und Anrainer gewahrt werden.“ Das Prinzip der Gleichbehandlung müsse ebenfalls sichergestellt werden. Die Verwaltung steht somit vor der Herausforderung, zahlreiche Interessen und Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen. „Sie tut dies jedoch mit großem Engagement“, ergänzt Luger. Außerdem weist sie auf die Möglichkeit hin, dass ein schnellerer Weg zum Baubeginn auch über ein Bewilligungsverfahren nach Paragraf 70a Bauordnung für Wien besteht.
Energie und Versorgung
Ein weiteres großes Gebiet, das sich aktuell in Veränderung befindet, ist die Energieversorgung. „Wir müssen uns von den großen Energieversorgungsnetzen abkoppeln“, bringt es Gerald Beck auf den Punkt. Baufeldübergreifende Maßnahmen werden immer öfter realisiert, und bei der Nutzung der Energieressourcen werden von den Bauträgern verstärkt Kooperationen untereinander angestrebt. „PV-Anlagen oder Tiefenbohrungen sind Maßnahmen, die sich für ein Gebäude nicht rechnen, aber bei einem Quartier wird es interessant“, so Andreas Hawlik.
Vonseiten der ÖGNI würden hier bereits Lösungen geboten, sagt Peter Engert: „Wir haben ein Bestandszertifikat, mit dem sich die Prozesse über das gesamte Quartier hinweg bewerten lassen.“ Im Neubau werden die neuen Kooperationen schon gelebt, im Bestand ist dieser Ansatz noch ausbaufähig. Die Stadt Wien arbeitet intensiv in Richtung Versorgung der Stadt mit erneuerbarer Energie und umweltfreundlicher Wärme. Bernadette Luger: „Sehr gute Umsetzungsbeispiele für Lösungen in der Bestandsstadt zeigen die ‚100 Projekte Raus aus Gas‘. Von essenzieller Bedeutung für eine nachhaltige Versorgung sind zudem Wärmenetze – sowohl für Nah- als auch Fernwärme.“
Innovationen, Finanzierung und Belohnung
„Es kostet sehr viel Geld, wenn man sich als Pionier auf neue Gebiete wagt und versucht, neue Ideen umzusetzen“, erklärt Gerald Beck: „Außerdem schulen wir den gesamten Markt, denn aus diesen Innovationen entwickeln viele Marktteilnehmer wieder neue Ideen.“ Ähnlich wie die „Fast Lane“ bei nachhaltigen Projekten taucht auch die Überlegung einer „Belohnung“ für Pionierarbeiten auf. Es könnte eine Unterstützung in finanztechnischer oder wirtschaftlicher Hinsicht sein. Es zeigt sich, dass sich durch den stärker werdenden Druck an vielen Stellen rasch neue Konzepte entwickeln, und „es entsteht hier eine Community, die etwas erschafft und ihr Wissen weitergibt“, sagt Peter Engert. So funktioniert Zukunft.