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VRUG – die Zeit danach

Da die österreichische Regierung die Umsetzung eines EU-Gesetzes faktisch verschlafen hat, ist die Immobilienbranche gefordert. Welche weitreichenden Folgen diese Nachlässigkeit haben kann, wird sich erst in den nächsten Monaten und Jahren herausstellen.Zum Gespräch über die aktuelle und die zukünftige Situation trafen sich die seit 30 Jahren als Maklerin tätige Brigitte U. Stanzel, der Rechtsanwalt Erich René Karauscheck und der Fachgruppengeschäftsführer der Fachgruppe Wien der Immobilien- und Vermögenstreuhänder Rudolf North.

Am 13. Juni trat das Fernabsatz- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie in Kraft. Die Zeit zur Umsetzung war faktisch nicht vorhanden. Warum?

North: Festzuhalten ist, dass die Regierung die RL nicht zeitgerecht in nationales Recht umgesetzt hat – laut RL bis 13. Dezember 2013. Wir haben das Gesetz erst im Februar zur Begutachtung übermittelt bekommen, und es wurde dann ja bekanntlich am 13. Juni beschlossen. Wir haben zwar ehestmöglich unsere Mitglieder informiert, aber es war kaum Zeit, um alle mit dem VRUG (= Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) verbundenen Facetten verständlich darstellen zu können.

Das neue Gesetz gilt zwar für zahlreiche Berufsgruppen, aber es trifft in dieser Konstellation die Makler ganz besonders, da es sich hier um eine sehr spezifische Dienstleistung handelt, und man hätte im Vorfeld auf die Situation in Österreich Rücksicht nehmen können – der Konsumentenschutz wäre genauso gewährleistet worden. Überdies wird auch auf die bisherigen Strukturen keine Rücksicht genommen.

Was sind die Kernaussagen dieses Gesetzes?

Karauscheck: Prinzipiell müssen wir bei der Vermittlung einer Immobilie zwei Verträge unterscheiden. Auf der einen Seite den Miet- beziehungsweise Kaufvertrag und auf der anderen Seite den Maklervertrag. Das Maklergeschäft gilt vom Gesetz her als Haustürgeschäft, da die Verträge aus gegebenem Anlass oftmals nicht in den Räumlichkeiten des Maklers stattfinden. Daher ist im Sinne der bisherigen Rechtslage ein Rücktritt vom Maklervertrag innerhalb von drei Tagen möglich, sofern die Geschäftsanbahnung nicht vom Kunden ausgegangen ist. Das ist im Grunde auch in Ordnung, aber durch das neue Gesetz haben die Konsumenten ein 14-tägiges (grundloses) Rücktrittsrecht und noch andere Besonderheiten, die eigentlich an den Strukturen des Markts vorbeigehen. Wie gesagt, handelt es sich hier nicht um den „Vertrag über die Immobilie“, sondern um den Vertrag, mit dem die Pflichten und die Rechte des Maklers – insbesondere die Provisionsansprüche – geregelt sind.

North: In der bisherigen Praxis – vor dem 13. Juni – kam der Vertrag zwischen dem Makler und dem Interessenten, dem „Abnehmer“, zumeist konkludent zustande. Der Suchende meldete sich beim Makler und vereinbarte nach Übermittlung des Exposés einen Besichtigungstermin. Wenn er sein Anbot für diese Immobilie abgab, verschriftlichte er zumeist bei dieser Gelegenheit auch den Maklervertrag.

Karauscheck: Das wird jetzt nicht mehr gewünscht, jetzt soll der Maklervertrag mit dem Kunden schon abgeschlossen werden, bevor er eine Information über das Objekt bekommt.

North: Überdies muss ich als Makler ausdrücklich auf das neue Rücktrittsrecht hinweisen und dem Konsumenten ein Rücktrittsformular zur Verfügung stellen. Weist man den Kunden nicht darauf hin, so hat er ein Rücktrittsrecht von einem Jahr und 14 Tagen.

Wie soll das funktionieren, dass man den Maklervertrag vorab abschließt?

Stanzel: Es ist so, dass wir nicht einmal mehr die Unterlagen mit der Adresse an einen Interessenten, der sich über eine Anzeige meldet, schicken können, weil wir damit nicht mehr abgesichert sind. Wir müssen vorab den Maklervertrag mit dem Kunden abschließen – inklusive dem Hinweis auf das 14-tägige Rücktrittsrecht. Das heißt, der Kunde muss, bevor er überhaupt Informationen von uns bekommt, diesen Vertrag unterzeichnen. Der Konsument ist ab jetzt verpflichtet, Verträge im Vorhinein abschließen, mit denen er nicht rechnet. Erst nach der Beauftragung darf ich als Makler tätig werden, wobei die Unterfertigung des Maklervertrags den Konsumenten ja zu keinerlei Zahlung verpflichtet, obwohl die Abwicklung auch für uns aufwendig ist. Er muss den Vertrag ausdrucken, unterzeichnen, einscannen und mir diesen dann wieder zurückschicken.

North: Noch dazu beinhaltet die neue gesetzliche Informationspflicht 19 Regelungspunkte, über die der Makler den Kunden informieren muss, bevor der Verbraucher den Vertrag unterschreibt.

Karauscheck: Die Makler sind die Opfer eines überzogenen Konsumentenschutzes, aber dem Konsumenten selbst hilft dieses Gesetz kaum.

Stanzel: Wir Makler sind wichtig für die Konsumenten. Es gibt für uns sehr viele Verpflichtungen, vor allem bei Mietwohnungen, und wir sind auch schadenersatzpflichtig, wenn wir Kunden falsch informieren.

Worin liegt das Problem bei diesem 14-tägigen Rücktrittsrecht bzw., wenn der Kunde nicht vorab informiert wird, beim Rücktrittsrecht von einem Jahr und 14 Tagen?

Stanzel: Das heißt, der Kunden kann den Miet- oder Kaufvertrag abschließen – innerhalb der 14 Tage –, weil er zum Beispiel dringend eine Wohnung sucht. Er zieht ein und wenn er drinnen ist, dann tritt er vom Maklervertrag zurück. Er hat damit die Wohnung, und der Makler fällt um seine Provision für seine Arbeit einfach um.

Und wenn er nicht im Vorhinein informiert, hat der Kunde, wie gesagt, ein Jahr Zeit, vom Vertrag zurückzutreten.

Wie reagieren die Makler?

North: Die Makler erfahren derzeit eine große Verunsicherung von Seiten der Konsumenten. Meine Haupttätigkeit derzeit ist zu telefonieren und mit unseren Mitgliedern Gespräche zu führen und sie bei der Umsetzung der Verpflichtungen zu unterstützen. Ich kann auch nicht grundsätzlich empfehlen: „Machen Sie keine AGV-Verträge“ (Außer-Geschäftsraum-Verträge). Es wäre sicher einfacher, aber in der Praxis würde dies zumeist zusätzlichen Aufwand für den Verbraucher (zuerst ins Büro des Makler kommen und danach zum Objekt gehen) bedeuten. Ein Makler kann auch nicht – ohne das Unverständnis der Verbraucher zu wecken – 14 Tage warten, bis die Frist vorüber ist und dann die Unterlagen schicken, das wäre verbraucherunfreundlich.

Stanzel: Ich habe seit dem Inkrafttreten des Gesetzes viele Kunden gehabt, die diesen Vertrag im Vorhinein unterschrieben haben, aber sehr viele auch nicht. Das Geschäft mit diesen Interessenten mache ich dann nicht.

Sondern wer?

Karauscheck: Viele werden die Unterschrift auf dem Maklervertrag nicht im Vorhinein einholen; das wäre aber ein großer Fehler: Es ist zu befürchten, dass viele Konsumenten die Vermittlungsprovision zurückholen, indem sie vom Vertrag nach dem abgeschlossenen Miet- oder Kaufvertrag zurücktreten. Das kann die Makler im Nachhinein viel Geld kosten.

Was könnten die Konsequenzen sein?

Karauscheck: Die letzte Novelle der Immobilienmaklerverordnung, in der unter anderem die Provision bei Mietwohnungen reduziert wurde, hat das Geschäft schon sehr schwierig gemacht, und ich fürchte, dass es zu jetzt einer weiteren Marktbereinigung kommen wird.

North: Es ist der Makler, der ein Haus für 350.000 Euro „verkauft“, ebenso betroffen wie derjenige, der eine Mietwohnung um 500 Euro Miete vermittelt.

Karauscheck: Ich denke, das Gesetz wird noch sehr viele rechtliche Fragen aufwerfen.

Stanzel: Die große Herausforderung wird sein, wie wir das Thema in Zukunft lösen werden.

Grundsatzinfos zur Gesetzesänderung

Die neue EU-Richtlinie soll eine Harmonisierung und Vereinheitlichung der Regelungen der bisherigen Haustürgeschäfte-Richtlinie (85/577/EWG) sowie der Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG) bringen, weshalb diese beiden Richtlinien gemeinsam aufgehoben werden.

Die innerstaatliche Umsetzung wird vornehmlich im Rahmen eines neuen Gesetzes, des Fernabsatz- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes (kurz FAGG), erfolgen, flankierend dazu werden die korrespondierenden Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) angepasst.

Das FAGG gilt für Fernabsatz und für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern im Sinne des § 1 KSchG.

Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, muss der Unternehmer in klarer und verständlicher Weise u. a. über Folgendes informieren:

  • über die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung in dem für das Kommunikationsmittel und die Ware oder Dienstleistung angemessenen Umfang

  • über den Namen oder die Firma des Unternehmers sowie die Anschrift seiner Niederlassung (Telefon-Nr., Fax …)

  • über den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung (inkl. Steuern und Abgaben)

  • bei Bestehen eines Rücktrittsrechts über die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts, dies unter Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars,

  • über das Nichtbestehen eines Rücktrittsrechts oder über die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Rücktrittsrecht verliert

  • über die Laufzeit des Vertrags oder die Bedingungen für die Kündigung unbefristeter oder sich automatisch verlängernder Verträge

Wesentlichster und zentraler Inhalt des FAGG ist das Recht des Verbrauchers, von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurückzutreten. Die Frist zum Rücktritt beginnt bei Dienstleistungsverträgen mit dem Tag des Vertragsabschlusses, wobei sich diese um zwölf Monate verlängert, wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht über das Bestehen dieses Rücktrittsrechts belehrt.

Ein Rücktrittsrecht besteht dann nicht, wenn der Unternehmer auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechtes noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt und diese dann vollständig erbringt.

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    05.07.2014
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