Wer zum Beispiel in der Innenstadt seinen Büroarbeitsplatz hat, ist zumeist dankbar für die öffentliche Verkehrsinfrastruktur– am besten im Zehn-Minuten-Takt. Wer in einem Szenestadtteil wohnt, weiß vor allem eines: Die wunderbare gründerzeitliche Wohnung mit Stuckdecken und Parkettboden in der 4. Etage wird zumeist ohne Stellplatz veräußert– wie denn auch, es gibt ihn kaum. Parkplatzsuchverkehr am Abend ist der Graus jedes Anwohners und Stadtplaners. Apropos Stadtplanung: Die Planung des ruhenden Verkehrs ist mittlerweile fast genauso wichtig wie die des fließenden. „Intelligente Lösungen“ sind gefordert– welche das sein sollen, wissen freilich die wenigsten.
Die Quadratur des Kreises
Hier ein Parkhaus, dort ein Andienungsverbot für den Billa-Laster morgen um 4.30 Uhr, eine autoreduzierte Stadt oder einfach schnell von A nach B kommen. Das Ganze irgendwie synchronisiert– im Labor seit Jahren überzeugend demonstriert–, unter realen Bedingungen noch auf dem Niveau der „grünen Welle bei 70 km/h“. Es kommt der Quadratur des Kreises gleich. Ein Umlandbewohner, der vielleicht „hinter der letzten S-Bahn-Station“ sein Eigentum gebildet hat, kommt zumeist in den Genuss traumhaft günstiger Bodenpreise, um sich seinen Traum im Grünen zu erfüllen. Das infrastrukturell Nachteilige daran ist der allmorgendliche Stau auf dem radialen Weg in die Innenstadt– wenn man nicht zweimal den Verkehrsträger wechseln möchte. Und schließlich das letzte Beispiel: Ein Logistiker bewertet die infrastrukturelle verkehrliche Anbindung zumeist weniger auf Basis der Quadratmeterpreise, sondern er rechnet in Zeiteinheiten vom Standort zum Kunden oder zum nächsten Autobahnanschluss. Zeit, so scheint es, ist dabei die Metapher für wiederstandsfreie Bewegung im Raum.
Verkehrsinfrastruktur verändert Immobilienwirtschaft
Wie sehr die Verkehrsinfrastruktur die Immobilienwirtschaft in den kommenden Jahren nicht nur preislich verändern wird, ist für viele schon heute in Ansätzen sichtbar. Rund 60% der Brücken und 55% des deutschen Straßennetzes West müssen in den kommenden zehn Jahren einer Rundumerneuerung unterzogen werden. Es geht also um die Refurbishment-Aktivitäten und weniger um die Erstgenehmigung einer Straße oder eines in die Jahre gekommenen Parkhauses. Investoren stehen gerade in diesem Segment Gewehr bei Fuß– versprechen doch die viel diskutierten PPP–Modelle eine stabile, langfristige Planungs- und Renditeperspektive. Ein weitere Push-Faktor liegt im Wunsch des Umbaus der Städte in sogenannte Green Cities. Waren in den letzten 100 Jahren die Straßen noch die Adern im städtischen Wirtschaftskreislauf, so sind sie heute zur CO2-Reduktionskomponente verkommen. Weniger Verkehr, so das Credo, ist die Zukunft. Dabei werden etliche Studien vorgelegt, die nachweisen, dass das Leben in einer dichten Stadt an sich schon umweltfreundlicher ist als das Wohnen in Vororten.
Mehrere Alternativen für Stadtbewohner
In kompakten Städten ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Kohlenstoffdioxid niedriger als in den Vororten. Das wird u. a. damit begründet, dass die Stadtbewohner weniger oder kürzere Strecken mit den Auto fahren, weil sie den öffentlichen Personennahverkehr und das Fahrrad nutzen oder zu Fuß gehen können. Außerdem wohnen sie meist in kleineren Wohnungen als die Menschen in den Vororten. Eine kompakte „Green City“ scheint also der Schlüssel zu einem nachhaltigen Lebensstil zu sein, der auch einen Wechsel auf die „klassischen Sichtweise“ auf die Immobilienbranche nach sich ziehen wird. War es in den 80er-Jahren erklärter politischer Wille, PKWs aus ganzen Innenstädten auszusperren (z. B. in Lübeck), so ist heute die Errichtung von ausreichend SUV-tauglichem Parkraum– vulgo breitere Parkplatze– die neue Zauberformel. Idealisiert durch eine oder zwei E-Tankstellen. Doch auch diese Phase wird dem Ende zugehen: Die Negativdefinition über Emissionswerte setzt gerade ein.
Das Beispiel Singapur
Am Beispiel Singapurs lässt sich dies exemplarisch belegen: Neben den Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wurde auch das Autofahren in der Stadt weniger attraktiv gemacht. Dies geschah anhand einer Zahlenbegrenzung von Autos in der Stadt durch Lizenzen, wobei es mehr Lizenzen für kleine und energieeffiziente Autos gibt und anhand einer Straßenmaut abgerechnet wird. Dass diese Entwicklung mit einer technologischen Aufrüstung einhergeht, scheint so gut wie beschlossen.
Der Vernetzung und damit die Steuerung der Verkehrsträger dürfte dabei lediglich die logische Konsequenz sein. Wehe dem, dessen Büro oder Wohnkomplex nicht an das System angeschlossen ist– vom Ausfall der Systeme ganz zu schweigen. Der Schritt, diesen Aspekt über den Bodenwert, den Wiederverkaufswert der Eigentumswohnung oder gar das Stadtquartier preislich sichtbar zu machen, ist nur noch ein geringer: „ETW mit Null-CO2-Lizenz zum Höchstgebot abzugeben“ kann dann ein Inserat lauten. Oder wenn es ganz weit draußen passiert: „Frei stehendes EFH– mit Genehmigung zum Rückbau der Doppelgarage– geringe Emissionswerte.“
Deutliche Veränderungen
Die Verkehrsinfrastruktur, die den Wert von Immobilien in den letzten Dekaden maßgeblich geprägt hat, befindet sich zumindest in Teilen vor einer deutlichen Veränderung. Ein Faktor wie der Bodenwert wird zunehmend in den grundsätzlichen Mobilitätspotenzialen des Standorts wertstiftend wirken, weniger in Bezug auf die Schnelligkeit, von A nach B zu kommen. Auch sollte etlichen gewerblichen Investoren bewusst sein, dass die Diskussion um die Stellplatzabgabe wohl lediglich der Beginn einer Entwicklung ist, die in dieser Aussage enden könnte: „Früher war alles besser.“