„Wien steht exemplarisch für den Druck, unter dem der Wohnungsmarkt derzeit steht“, sagt Marc Steinke, Leiter Research bei CBRE Österreich. Steigende Bevölkerungszahlen, hohe Baukosten und sinkende Fertigstellungszahlen führen dazu, dass die Nachfrage das Angebot weiterhin deutlich übersteigt. Daran ändern auch grundsätzlich positive Rahmenbedingungen mit tendenziell fallenden Leitzinsen in Europa und dem Auslaufen der KIM Verordnung in Österreich wenig.
Unterdurchschnittliche Fertigstellungsleistung
Im Jahr 2025 werden in Wien rund 8.800 Wohnungen im großvolumigen Neubau fertiggestellt – ein Rückgang von etwa 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit liegt die Neubauleistung deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt. Besonders betroffen ist der freifinanzierte Mietsektor, dessen Neubauleistung um mehr als die Hälfte unter dem Fünfjahresdurchschnitt liegt. Für das kommende Jahr 2026 ist nur ein leichter Anstieg auf unter 10.000 Wohnungen zu erwarten – zu wenig, um Entlastung zu schaffen. „Auch die im ersten Halbjahr mit einem Plus von 16 Prozent höhere Zahl der erteilten Baubewilligungen in der Bundeshauptstadt ist bestenfalls als positives Signal für die Zukunft zu werten. Für eine Entlastung des Marktes ist das zu wenig“, sagt Steinke.
Hoffnungsgebiet Flächenbezirke Nordost
Bereits heuer wurden mehr als die Hälfte aller Wohnungen in Wien in Floridsdorf und Donaustadt errichtet. „Aufgrund der noch vorhandenen Flächenreserven und den dementsprechend geringen Grundstückspreisen wird, neben den explizit ausgewiesenen Stadtentwicklungsgebieten, hier auch in den kommenden Jahren der Fokus liegen“, sagt Steinke.
Die durchschnittlichen Kaufpreise im Eigentumssegment sind aufgrund hochwertiger Fertigstellungen und höherer Baupreise um rund fünf Prozent angestiegen und liegen aktuell bei 6500 Euro pro Quadratmeter. Auch die Spitzenmieten in Wien sind im Vergleich zum Vorjahr um 5,4 Prozent höher und liegen aktuell bei 19,40 Euro pro Quadratmeter und Monat. Vor allem in den inneren Bezirken und in attraktiven Lagen der Donau City wird dieses Niveau erreicht. Eine Entspannung ist auch 2026 nicht zu erwarten.
Wohnen: gefragteste Assetklasse am Investmentmarkt
Das Investmentvolumen in der Assetklasse Wohnen hat bereits im dritten Quartal 2025 das Vorjahresniveau übertroffen. Mit einem Anteil von 44 Prozent am gesamten Marktvolumen ist Wohnen das gefragteste Segment. Geprägt wird das Marktumfeld nach wie vor von institutionellen Fonds. Zur Liquiditätsbeschaffung bringen sie ihre sechs bis 12 Jahre alten Bestandsobjekte auf den Markt. Das führt dazu, dass bereits zum zweiten Mal infolge, diese Transaktionen rund 70 Prozent des gesamten Investmentvolumens der Assetklasse ausmachen.
„Rückkehrendes Investoreninteresse sowie klarer definierte Rahmenbedingungen schaffen einen vorsichtig positiven Ausblick auf das nächste Jahr“, sagt Lukas Schwarz, Leiter Investment bei CBRE. Die Spitzenrendite liegt aktuell bei 4,10 Prozent und damit 15 Basispunkte unter dem Wert der Vergleichsperiode im Vorjahr – ein Zeichen für Stabilität und wiederkehrendes Investoreninteresse.
Regionale Trends: Stadt-Land-Gefälle bleibt bestehen
Abseits der Bundeshauptstadt zeigt sich der österreichische Wohnungsmarkt weitgehend stabil und die Situation in den Bundesländern hat sich entspannt, wenngleich unterschiedliche Entwicklungen die regionale Dynamik prägen. Generell bleibt jedoch der ländliche Raum von Abwanderung betroffen. „Städte bleiben die zentralen Anziehungspunkte. Das zeigt, wie wichtig strategische Flächenentwicklung und nachhaltige Stadtplanung sind“, so Steinke.
ESG mit Einfluss auf Finanzierung
Das Thema ESG gewinnt auch im Wohnsektor weiter an Bedeutung. So lassen immer mehr Bauträger ihre Projekte zertifizieren, um bei Banken bessere Finanzierungskonditionen zu erhalten. Besonders in Wien steigt die Zahl der Klimaaktiv- und ÖGNI-zertifizierten Gebäude weiter an. „Ein bislang wenig genutztes Potenzial liegt in der Plausibilisierung älterer Energieausweise – oftmals verbessert sich die Bewertung und kann sogar eine Taxonomie-Konformität ohne zusätzliche Maßnahmen ermöglichen“, sagt Elvis Penjo, Leiter ESG bei CBRE Österreich.