Peter Engert, Geschäftsführer der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI)
Welche Entwicklungen in puncto Nachhaltigkeit erwarten Sie bei Büroflächen in den kommenden Jahren?
Büroflächen, vor allem in den Städten, haben bereits seit einigen Jahren einen hohen Anteil bei Zertifizierungen von Nachhaltigkeit. Die Tatsache, dass kein institutioneller Investor ein Gebäude ohne Zertifikat ankauft und mittlerweile viele Mieter eine Zertifizierung als Basis für den Abschluss eines Mietvertrags fordern, motiviert viele Bauherren, Nachhaltigkeit in die Planung einfließen zu lassen. Die Entwicklung von Nachhaltigkeit geht weiter, es ist ein lebendiger Prozess. Wir erwarten für die Zukunft mehr architektonische und funktionelle Einbindung von Büroflächen in ihre Umgebung, Gebäude mit gemischter Nutzung, Büroflächen als wichtige Bestandteile in der Belebung von Quartieren. Bis auf den letzten Zentimeter optimierte Büroflächen werden an Wert verlieren, da sie nur schwer für anderwertige Nutzungen geeignet sind.
Wie smart soll, darf oder muss ein Büro sein?
Smart ist nicht nur Digitalisierung und Sensorik. Smart bedeutet für uns, ein Büro so zu gestalten, dass das Wohlbefinden der Menschen sinnvoll unterstützt wird, ohne die Individualität einzuschränken. Natürlich brauchen Büroräumlichkeiten optimale Beleuchtung, effiziente Heizung/Kühlung/Beschattung, Kommunikationsräume, die Kreativität zulassen, Rückzugsorte und vieles mehr. Es braucht aber auch ein gewisses Maß an Selbstbestimmung, wie etwa, die Beleuchtung den persönlichen Bedürfnissen entsprechend regulieren zu können. Die Weiterentwicklung der Sensorik darf nicht dazu führen, dass sich Menschen Sorgen wegen zu viel Überwachung machen müssen. Eine ordentliche Einbindung bei der Planung ist demnach sicher smart.
Wie sieht für Sie das Büro der Zukunft (in puncto Nachhaltigkeit) aus?
Es hält Menschen gesund, bietet Flexibilität und variable, den Arbeitsalltag unterstützende Arbeitsplätze. Infrastruktur und ein breites Angebot an Dienstleistungen sind vorhanden. Das Bürogebäude ist keine „Trutzburg“, sondern fügt sich in seine Umgebung ein und bietet idealerweise Services für die Bewohner der Umgebung an.
Markus Schafferer, Geschäftsführender Gesellschafter der PEMA-Gruppe
Was sind die grundlegenden Anforderungen für ein gut geplantes Büro?
Am allerwichtigsten ist uns bei unseren Projekten die effektive Nutzung der Räume. Heutzutage wird alles immer kompakter, und daher muss man jeden Zentimeter gut verplanen. Dass dies besonders im Altbau Probleme bereitet, ist vorhersehbar, aber man wächst ja bekanntlich an seinen Aufgaben. Das sieht man besonders bei unserem aktuellsten Projekt, dem „Haus am Schottentor“. Wir haben hier mit dem führenden Co-Working-Experten „Spaces“ zusammengearbeitet, um für den Prunkbau an der Wiener Ringstraße passende Büroräumlichkeiten zu erarbeiten, und gleichzeitig stark darauf geachtet, der historischen Substanz gerecht zu werden.
Wie schafft man ein attraktives Arbeitsumfeld?
Der Wohlfühlfaktor spielt dabei eine tragende Rolle: Man verbringt mehr Zeit im Büro als in seinen eigenen vier Wänden. Daher ist der eigene Arbeitsplatz fast als zweites Zuhause anzusehen. Wir von der PEMA Holding setzen besonders auf moderne, ästhetische Designs bei unseren Projekten, um damit ein ganz anderes Arbeitsklima zu schaffen. Nur wer sich in seinem Umfeld wohlfühlt, kann auch seine Arbeitsleistung erbringen.
Wie könnten Büroimmobilien in Mixed-Use-Objekten funktionieren?
Sie funktionieren doch bereits! Wir selbst haben uns schon erfolgreich mit diesem Konzept in Innsbruck mit den Projekten „Headline“ und „Pema 2“ – bald kommt „Pema 3“ – beweisen können. Der Mix aus Wohnen, Arbeiten und Einkaufen erweist sich schon jetzt als erfolgstragend. Menschen brauchen Abwechslung, auch bei ihrer Umgebung: Durch einen umfangreichen Mix können alle Parteien von der dabei entstandenen Infrastruktur profitieren.
Nadja Pröwer, Geschäftsführung des Immobilienberatungsunternehmens Drees & Sommer Österreich
Benötigen wir mehr oder eher weniger Haustechnik im Büro?
Im Fokus steht immer der Nutzerkomfort, es darf also nicht zu kalt, aber auch nicht zu warm sein. Wenn man es schaffen würde, genau diesen Komfort herzustellen, und das mit möglichst wenig Haustechnik, dann wäre das die Ideallösung. Erstens sparen wir damit Betriebskosten, und zweitens kann auch weniger kaputtgehen, außerdem ist die Anwendung der Geräte um einiges unkomplizierter. Um so wenig wie möglich Haustechnik einbauen zu müssen, benötigt man eine durchdachte und vernünftige Planung – also ein Konzept, das sowohl das Gebäude als auch die Haustechnik umfasst.
Gebäude sind eine Art „Rohstoffdepot“. Was verstehen Sie darunter?
Gebäude bestehen aus Baustoffen – Baustoffe wiederum bestehen aus Rohstoffen. Wenn wir es schaffen, Gebäude nach ihrem Gebrauch wieder in Rohstoffe zu zerlegen und diese Rohstoffe dann wieder für Gebäude zu verwenden, dann sprechen wir von Kreislaufwirtschaft. Man deponiert quasi Rohstoffe auf Zeit in Gebäuden und kann sie später jederzeit wiederverwenden. Es wird praktisch kein Abfall mehr produziert – das mag utopisch klingen, aber die ersten Schritte in diese Richtung sind bereits gesetzt.
Die Cradle-to-Cradle-Community befindet sich im Wachstum: Es gibt immer mehr Investoren, Berater, Planer, Lieferanten und Ausführende, sie alle arbeiten daran, dass aus dieser Vision Realität wird. Wir sind auf einem sehr guten Weg, was das betrifft.
Lässt sich auch aus einer Bestandsimmobilie ein Büro der Zukunft machen?
Ganz sicher. Eine gute Bestandsimmobilie gibt Raum für Neues. Sie ist in der Lage, sich an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen. Flexibilität ist genauso wichtig wie Bescheidenheit. Das sieht man zum Beispiel sehr gut an dem immer noch ungebrochenen Interesse an alten Fabriksgebäuden oder Häusern. Hier finden wir einfache Stützenraster und Raumhöhen sowie regelmäßige Fassaden vor. Das bietet dem Nutzer einen neutralen Rahmen, um sich darin individuell entfalten und wohlfühlen zu können.
Julian Schramek, Head of Building Consultancy CBRE
Wie können Büros die Arbeitskultur im Unternehmen verändern bzw. repräsentieren?
Die Standortwahl, die Architektur und die Innenraumgestaltung sind Faktoren, die die Unternehmenswahrnehmung und die Arbeitskultur bis hin zur Mitarbeiterzugehörigkeit massiv beeinflussen können. Dessen sind sich Unternehmen immer mehr bewusst und machen daraus dementsprechend hoch angesiedelte Projekte. Der Auswahlprozess für einen Standort und die Entscheidung über dessen Gestaltung wird bewusster getroffen als früher. Teilweise definieren die Unternehmen auch schon selbst klare Ziele, was sie sich von einem Standortwechsel bzw. einem neuen Büro in Bezug auf die Kultur erwarten. An diesen orientieren wir uns dann bei der Konzeption. Als Berater sind wir von Anfang an sehr involviert, präsentieren unterschiedliche Lösungsansätze und visualisieren auch die Konsequenzen für die Arbeitskultur.
Räume der Arbeit statt Arbeitsplatz: Ihre Meinung dazu?
Wir sehen immer mehr Nachfrage nach Räumen der Arbeit bzw. des Lebens – Stichwort Wohnzimmeratmosphäre – und gestalten diese. Wir gehen davon aus – dies ist auch das Ergebnis einer unserer aktuellen Untersuchungen –, dass Hybridlösungen am meisten Potenzial haben: Sie bieten sowohl „echte“ und definierte Arbeitsplätze als auch inspirierend gestaltete Räume für informelle Meetings und den Austausch, kleine Co-Working-Bereiche und nichtterritoriale Arbeitsplätze. Arbeitnehmer wollen frei wählen, in welchen Bereichen sie welchen Aufgaben nachgehen; diesem Anspruch muss ein modernes Büro – neben State-of-the-Art-Technologie – gerecht werden. Es geht darum, die Nutzererlebnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhöhen, dazu gehören neben den genannten Hybridkonzepten und dem Einsatz von Technologie zum Beispiel auch Wellnessangebote.
Was darf im Büro der Zukunft nicht fehlen?
Eine kreative und flexible Arbeitsumgebung, die auf das Wohlbefinden der Nutzer abgestimmt ist. Das Büro der Zukunft orientiert sich an den Mitarbeitern und deren Bedürfnissen, es soll die Kommunikation und die Effizienz unterstützen. Immer mehr Aufgaben kann man ortsunabhängig ausüben, was bedeutet, dass das Büro einen Mehrwert bieten muss, der so überzeugend ist, dass die Mitarbeiter gerne ins Büro kommen.
Elisabeth Oberzaucher, Verhaltensbiologin, Forschungsschwerpunkte: Mensch-Umwelt-Interaktionen, nonverbale Kommunikation sowie Partnerwahl und Attraktivität
Überfordert uns die Multioptionalität und Flexibilität eines modernen Büros?
Mit geänderten Arbeitsformen gehen auch geänderte Anforderungen an das Büro der Zukunft einher. Einerseits versuchen Unternehmen, durch Großraum- und Sharing-Lösungen eine Reduktion der Büroinfrastrukturkosten herbeizuführen, andererseits kommt es durch den zunehmenden Mitarbeiterwunsch nach Home-Office-Tagen und Teleworking zu einer unregelmäßigen Nutzung der Infrastruktur.
Auch im Sinne der Reduktion des ökologischen Fußabdrucks sind diese Entwicklungen durchaus begrüßenswert. Es ist allerdings essenziell, dass die Reduktion von individuell genutzten Büroräumlichkeiten nicht ohne Ausgleich geschehen kann. Der Wegfall des Individualterritoriums im Büro kann dazu führen, dass es vermehrt zu Konflikten und gleichzeitig zu einer Reduktion konstruktiven Austausches kommt.
Wie sieht für Sie als Evolutionsbiologin das Büro der Zukunft aus?
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Menschen das Bedürfnis nach individuell genutzten Territorien durch gemeinschaftlich genutzte Bereiche kompensieren können. Hier muss also das Büro der Zukunft ansetzen: Wo privat genutzte Flächen und Ressourcen wegfallen, muss eine Aufwertung des Arbeitsplatzes auf anderem Weg erfolgen, etwa durch die Bereitstellung attraktiver Sozialräume oder aber auch kreativ gestalteter Pausenräume, beispielsweise eines Fitnessraums oder dergleichen. Diese vordergründig nicht mit betrieblichen Funktionen besetzten Räumlichkeiten wirken sich sehr positiv auf die Produktivität und die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus.
Was ist essenziell für zukünftige Büros?
Der typische Büroalltag findet im Innenraum statt. Das, gemeinsam mit einer zunehmenden Dominanz von Freizeitaktivitäten im Innenraum, führt zu einer neuen gesundheitlichen Herausforderung: Tageslicht ist für die menschliche Physiologie essenziell, und wenn wir uns kaum noch im Freien aufhalten, werden bestimmte für einen gesunden Organismus wichtige Stoffwechselprozesse nicht ausreichend durchgeführt. Die Folge sind psychische und physische Erkrankungen. Ein einfacher und effektiver Schritt zur Bekämpfung dieser Entwicklung ist das Verlegen von Besprechungen in den Außenraum. Deshalb sollte das Büro der Zukunft auf jeden Fall eine Möglichkeit bieten, ins Freie zu treten, ob über leicht erreichbare Terrassen oder eine Lage, die es ermöglicht, den öffentlichen Raum als Ressource zu nutzen.
Jens Böhnlein, Global Head of Office bei der Commerz Real
Wie sieht die Büroimmobilie der Zukunft aus, und was bedeutet das für Investoren?
Zunächst einmal nutzerfreundlicher und nachhaltiger. Im „War for Talents“ entdecken immer mehr Unternehmen, wie wichtig die unmittelbare Büroumgebung ist, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Flexible Arbeitszeitmodelle und neue technologische Möglichkeiten tragen das Ihre dazu bei, dass Büroflächen künftig neue Aufgaben erfüllen müssen. In diesem Sinne ist die Büroimmobilie von morgen mehr denn je Quelle für die Identität von Unternehmen, für ein positives Arbeitserleben und die Steigerung der Produktivität. Außerdem erfordern sich rasch ändernde Nutzeranforderungen ein Höchstmaß an Flexibilität bei den Flächenzuschnitten und Mietlaufzeiten. Damit müssen Investoren umgehen können. Zum Beispiel erwarten wir, dass immer mehr Bürogebäude Flächen vorhalten müssen – betrieben entweder durch den Eigentümer oder durch Dritte –, damit die Mieter bei Bedarf Arbeitsplätze oder Räume kurzfristig hinzubuchen können.
Sind alte Bestandsimmobilien (Büros) langfristig für Investoren überhaupt interessant?
Definitiv! Auch alte Objekte können erfolgreich revitalisiert werden, wenn sie beispielsweise als Teil eines Quartiers gedacht werden und Angebote in der Umgebung mittels Digitalisierung integriert werden. Gerade diese Immobilien bieten viel Potenzial, bestehende Strukturen aufzubrechen, neue Räume zu schaffen und vorhandene städtebauliche Beziehungen intelligent zu nutzen.
Werden wir in zehn Jahren wieder in ganz anderen Büroimmobilien arbeiten?
Die Gebäude und seine Ausstattungen werden sich weiter wandeln. Bereits erwähnt habe ich die Trends zu mehr Annehmlichkeiten und Dienstleistungen für die Mitarbeiter der Mieter sowie zu Quartieren. Die ganze Bandbreite an denkbaren Vorteilen für die Nutzer wird kaum ein einziges Gebäude bieten können – aus Platz- und aus Kostengründen. Eigentümer von Immobilien können dieser Herausforderung begegnen, indem sie stärker zusammenarbeiten: Gebäude A hat eine Café-Bar mit tollem Ambiente, Gebäude B bietet eine Abholstation für Pakete, und Gebäude C hat ein modernes Fitnesscenter. Immobilien entwickeln sich dabei immer stärker zu einer „Destination“, wo Erlebnisse und Erfahrungen mit Menschen im Mittelpunkt stehen werden.