Welche spezifischen Faktoren charakterisieren den Markt für landwirtschaftliche Immobilien in Polen?
Kuropatwi?ski: Landwirtschaftliche Immobilien sind in Polen immer noch erhebliches Staatseigentum. 2015 gehörten dem Staat etwa 1,5 Millionen Hektar, obwohl die Privatisierung von Staatseigentum seit Beginn der Transformation im Gange ist.
Wie haben sich die Preise für landwirtschaftliche Immobilien in Polen seit dem EU-Beitritt grundsätzlich entwickelt?
Kuropatwi?ski: Die Immobilienpreise stiegen jährlich im Durchschnitt um ein gutes Dutzend Prozentpunkte an, in den letzten Jahren aber kann man deren Stabilisierung beobachten. Dennoch bleibt der durchschnittliche Preis für landwirtschaftliche Immobilien deutlich niedriger als in den EU-15.
Wichtig ist die regionale Differenzierung. Diese ist sowohl mit der Bodenqualität als auch mit der historisch bedingten Struktur und Durchschnittsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe verbunden. Durchschnittspreise für staatliche landwirtschaftliche Grundstücke in den Wojwodschaften mit den höchsten Preisen haben letztes Jahr den Durchschnittspreis in jener mit den niedrigsten Preisen dreifach überschritten.
Können Sie etwas über die Höhe der Preise sagen?
Kuropatwi?ski: Im Jahr 2004, als Polen der Europäischen Union beigetreten ist, betrug der Durchschnittspreis für staatliche landwirtschaftliche Immobilien in Polen knapp 3.500 Z?oty pro Hektar (ca. 830 EUR/ha gemäß dem Wechselkurs von 14.4.16). Derselbe Index betrug 2015 schon 29.500 polnische Z?oty pro Hektar (ca. 7.000 EUR/ha). Der Wert der Immobilien im Privathandel wuchs mit einer ähnlichen Rate. Es wird geschätzt, dass die Preise dort durchschnittlich um ca. 7.000 Z?oty pro Hektar (1.624 Euro) höher sind als beim Verkauf der staatlichen Immobilien. Diese Differenz folgt aus den für die individuellen Landwirte vorgesehenen Vergünstigungen beim Erwerb von staatlichen landwirtschaftlichen Flächen sowie aus den gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen, mit denen die Käufer staatlicher Grundstücke belastet werden.
Welchen administrativen Beschränkungen unterliegt der Handel mit landwirtschaftlichen Immobilien in Polen?
Kuropatwi?ski: Das grundlegende Regelungsinstrument hinsichtlich der zu verkaufenden staatlichen landwirtschaftlichen Immobilien war bisher das gesetzliche Vorkaufsrecht und das vertragliche Wiederkaufrecht für einen Veräußerungspreis. Die staatliche Agentur für Landwirtschaftliche Immobilien konnte beide Rechte innerhalb von fünf Jahren nach der Veräußerung einer staatlichen Immobilie ausüben.
Überdies– im Hinblick auf die im Privathandel stehenden landwirtschaftlichen Immobilien hatte die Agentur für Landwirtschaftliche Immobilien das gesetzliche Vorkaufsrecht in Bezug auf Grundstücke mit einer Fläche von mindestens fünf Hektar.
Eine wesentliche administrative Beschränkung war bisher die Pflicht der Einholung einer Genehmigung des Ministers für Innere Angelegenheiten und Verwaltung für den Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, die für Bürger und Unternehmer der EU-Mitgliedsstaaten, des EWR und der Schweiz galt. Die Geltungsdauer dieser Pflicht ist im EU-Beitrittsvertrag Polens für zwölf Jahre vorbehalten. Dieser Zeitraum endet am 30. April 2016.
Bedeutet der Ablauf der Übergangsfrist von zwölf Jahren, dass landwirtschaftliche Immobilien in Polen Gegenstand des freien Marktes werden?
Kuropatwi?ski: Ganz im Gegenteil. Die untere Kammer des polnischen Parlaments hat mit den Stimmen der aktuellen Regierungsmehrheit ein Gesetz verabschiedet, wodurch weitreichende Beschränkungen des Handels mit landwirtschaftlichen Flächen in Polen nach der Übergangszeit eingeführt werden sollen. Diese Beschränkungen werden sowohl für polnische als auch für EU-Bürger und Unternehmer gelten.
In Bezug auf staatliche Immobilien wird durch das Gesetz ein fünfjähriges Verbot der Veräußerung der landwirtschaftlichen Immobilien eingeführt. Die grundlegende Methode der Verwaltung des staatlichen Eigentums soll dessen Verpachtung und nicht der Verkauf sein.
Wesentliche Beschränkungen werden sich auch auf den Verkauf von privaten Immobilen beziehen. Erwerber der landwirtschaftlichen Immobilien kann gemäß dem neuen Gesetz lediglich ein individueller Landwirt sein, d.h. eine natürliche Person, die entsprechende Erfordernisse erfüllt, hierin das Erfordernis des Wohnsitzes in der Gemeinde, in der die Immobilie gelegen ist, seit mindestens fünf Jahren und Besitz von höchstens 300 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen. Künftige Erwerber werden überdies verpflichtet, die erworbenen Immobilien weder zu verkaufen noch zu verpachten und die Landwirtschaft auf der erworbenen Immobilie ab dem Erwerbstag zehn Jahre lang zu betreiben, beim Erwerb von staatlichen Immobilien sogar 15 Jahre lang.
Bedeutet dies, dass die landwirtschaftlichen Vermögenswerte vom Markt für inländische und ausländische Investoren vollständig ausgeschlossen sind?
Kuropatwi?ski: Neben dem begrenzten Personenkreis (individuelle Landwirte) dürfen landwirtschaftliche Nutzflächen nur die im Gesetz genannten juristischen Personen erwerben: Staatsschatz, lokale Gebietskörperschaften sowie Kirchen und religiöse Vereinigungen.
Der Handel mit Anteilen der Gesellschaften, die Eigentümer der landwirtschaftlichen Immobilien sind, bleibt jedoch weiterhin frei, sowohl für inländische als auch für EU-Rechtsträger. Der Staat behält sich jedoch die Möglichkeit des Eingriffs in dieses Marktsegment durch das gesetzliche Vorkaufsrecht in Bezug auf Anteile der Gesellschaften, die Eigentümer der landwirtschaftlichen Immobilien sind, vor.
Verletzen die so weit reichenden Beschränkungen das EU-Gemeinschaftsrecht?
Kuropatwi?ski: Tatsächlich kann das verabschiedete Gesetz Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem EU-Recht wecken. Zum Beispiel hat der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit eine österreichische Regelung für unvereinbar mit dem EU-Recht gehalten, aufgrund derer der Erwerber der landwirtschaftlichen Immobilie verpflichtet war, die Landwirtschaft auf der erworbenen Immobilie selbst zu betreiben. Dadurch hatten juristische Personen in der Praxis keine Möglichkeit, die landwirtschaftlichen Immobilien zu erwerben, auch wenn diese landwirtschaftlich genutzt werden sollten. Das durch den polnischen Sejm verabschiedete Gesetz enthält ähnliche Beschränkungen.
Laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kann auch die in dem neuen polnischen Gesetz vorgesehene verwaltungsrechtliche Genehmigung, aufgrund derer landwirtschaftliche Immobilien in Polen ausnahmsweise durch andere Personen als durch individuelle Landwirte erworben werden können, als zu weit reichende Einschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs betrachtet werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die eben verabschiedeten Gesetzesvorschriften in der Zukunft in Frage gestellt oder geändert werden. Diese Entwicklung ist nicht nur für Kaufinteressierte von Bedeutung, sondern auch für Finanzinstitute, wenn ihre Forderungen mit Rechten an landwirtschaftlichen Grundstücken in Polen besichert werden.