Die in der Pandemie abgeflossene Kaufkraft ins Internet war enorm. Laut RegioPlan kaufte im Jahr 2021 jeder Österreicher um durchschnittlich 1.350 Euro im Internet ein – um 14 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. „Der wirklich große Verlierer 2021 war dabei die Sparte Bekleidung und Schuhe, die einen Rückgang von 21,2 Prozent hatte“, erklärt Stefan Goigitzer, Geschäftsführer von COORE. „Das macht sich bereits ganz massiv auf den Einkaufsstraßen bemerkbar, wo es während der Krise kaum Neuanmietungen durch Bekleidungsgeschäfte gab.“ Lediglich die Diskontmarken haben in diesem Bereich zugeschlagen, allerdings hauptsächlich in den Shopping- und Fachmarktzentren.
Die Geschäftsflächen und insbesondere die Shoppingcenter stehen, bedingt durch die Krise und die damit verbundenen Einschränkungen, weiterhin unter Druck. Elisa Stadlinger, Leiterin der Abteilung für Gewerbeimmobilien bei ÖRAG Immobilien Vermittlung: „Am Markt ist dabei eine große Unsicherheit zu beobachten, da die Vorgaben und Restriktionen in Bezug auf die Pandemie für Unternehmen keine Planbarkeit bieten.“ Sie sind somit auf kurzfristigere Entscheidungen angewiesen und können Investitionen oder Expansionen kaum bis gar nicht im Voraus planen.
Positive Entwicklungen
Dennoch zeigte das Jahr 2021 gegen jede Erwartung eine positive Entwicklung mit einem Umsatzplus von fünf Prozent gegenüber dem Jahr 2020. „Das Geschäft läuft langsam wieder an, und die Konsumentinnen und Konsumenten sind wieder vermehrt für Shopping-Erlebnisse zu begeistern“, so Elisa Stadlinger. Das zeigt auch die Anzahl der neuen Einzelhändler, die 2021 auf den Markt kamen. „In Österreich haben letztes Jahr insgesamt rund 600 Läden neu aufgesperrt, was mehr als dreimal so viel ist wie noch 2020“, so Stefan Goigitzer: „Auch hier sieht man, dass sich der Einzelhandelsmarkt positiv entwickelt hat.“ Der COORE-Geschäftsführer geht davon aus, dass die Neuvermietungen von Einzelhandelsflächen 2022 weiter deutlich steigen werden. Aktuell trifft also eine beachtliche Zahl spannender Retailkonzepte auf ein überdurchschnittlich großes Angebot attraktiver Flächen in sehr guten Lagen, heißt es im Marktbericht von EHL. Ein „window of opportunity“ motiviert heimische wie internationale Unternehmen, Innovationen rasch umzusetzen.
Spuren in der Handelswelt
Zwei Jahre und fünf Lockdowns haben ihre Spuren in der Handelswelt hinterlassen. Entwicklungen, die sich schon vor Corona abzeichneten, haben sich dynamisiert. Die Metamorphose erfolgte schneller als erwartet. „Es sind einige neue Trends zu beobachten, die teilweise noch in den Kinderschuhen stecken, aber sich langfristig etablieren werden“, sagt Elisa Stadlinger. Dazu zählen insbesondere die Themen Nachhaltigkeit, Regionalität, Secondhand, E-Commerce-Lebensmittel und weiterhin das Experience-Shopping. „Neue junge und dynamische Konzepte drängen hier auf den Markt.“ In einer brandaktuellen Aufstellung von RegioData sind 2022 700 Unternehmen mit ihren Standortanforderungen aufgelistet, die an Flächen interessiert sind. Alleine 50 davon sind keiner der klassischen Handelskategorien, wie sie in Shoppingcentern oder Einkaufsstraßen vorkommen, zuzuordnen. Romina Jenei, CEO von RegioPlan: „Wir sehen überproportional viele neue Betriebstypen im Bereich Entertainment, Fitness und Freizeit sowie spezialisierte Dienstleister.“ Auch Konzepten wie dem Online-Lebensmittelhandel haben die letzten beiden Jahre den Markteintritt ermöglicht. Zudem sind neue Nutzungen wie Dienstleistungen auf den Haupteinkaufsstraßen zu beobachten.
Flächen werden kleiner
Romina Jenei: „Grundsätzlich sehen wir bei den derzeit suchenden Händlern, aber als Trend auch schon vor Covid, dass die Flächen tendenziell kleiner werden.“ Am meisten gesucht werden Flächen bis 250 Quadratmeter, während mittlere Größen zwischen 300 und 800 Quadratmetern auf nur sehr geringe Nachfrage treffen und über 1.000 Quadratmeter hauptsächlich von Lebensmittelhändlern und Baumärkten benötigt werden. „Die Größen der Läden sind und werden massiv zurückgehen, und es wird immer schwieriger, großflächige Geschäfte am Markt unterzubringen“, so Stefan Goigitzer. Kombinationen aus Online & stationärem Handel beziehungsweise Klick & Collect setzen sich immer mehr durch.
Bestehende stationäre Standorte werden verstärkt in Showrooms umgewandelt, in denen Konsumenten mit den Marken in Berührung kommen können und durch individuelle Erlebnisse sowie Beratung an diese gebunden werden. „Es findet derzeit ein großer Wandel am Retailmarkt statt“, so Elisa Stadlinger. „Dieser ist aber durchaus positiv zu betrachten und eröffnet neue Chancen, die die Städte nachhaltig prägen werden.“