Mit Werbefilmchen wie diesem feierte die mit 213 Milliarden Euro Bilanzsumme und über 50.000 Mitarbeitern größte Bank Österreichs, die Erste Bank und Sparkasse, 2019 ihr zweihundertjähriges Firmenjubiläum.
Was die Machart betrifft, ist dieser Spot überaus aufwendig, schön anzusehen und teuer gemacht, Kostenpunkt rund eine halbe Million Euro, ohne Musikrechte der Rockband Queen. Und da sind die Sendekosten im Fernsehen noch gar nicht mit einkalkuliert.
Was der Film allerdings mit der Ersten Bank zu tun hat, erschließt sich beim Betrachten rein gar nicht. Er liefert auch keine Argumente, warum man als Rezipient dieses Filmchens genau diese Bank als seine Bank auswählen sollte, was diese Bank für mich als Kunde alles tun könnte oder wie sie sich sonst von anderen Banken im Markt unterscheidet. Werbung, völlig abgekoppelt vom Unternehmen.
Werbemythos „Unterhaltung“
Meine Vermutung: Viele Auftraggeber meinen, ihre Unternehmen und Produkte sind langweilig oder unterscheiden sich am Markt sowieso nicht voneinander, weswegen sich zumindest die Werbung unterscheiden müsse. Daraus resultieren Werbekampagnen, die vorrangig das Ziel verfolgen, den Betrachter zu unterhalten. Nicht mithilfe des Produkts, sondern mithilfe irgendeiner Geschichte. Das klingt erst mal schlüssig, doch die Sache hat einen Haken: Unterhaltung ist wesentlich dadurch bestimmt, dass das Erzählte für das Leben des Publikums keine praktische Relevanz hat. Es unterhält nur, bedeutet aber nichts – man hat nur Beliebigkeit konsumiert.
Wie aber schafft es ein Unternehmen, ein passendes und für den Kunden relevantes Markenimage aufzubauen? Ein gewünschtes Image, das im Außen Begehrlichkeit weckt und direkt zum Unternehmenserfolg beiträgt?
Das Ursache-Wirkung-Prinzip
Ein Markenimage ist immer die Auswirkung von „etwas“. Image kann man als Unternehmen nicht direkt steuern, das Image einer Sache existiert ausschließlich in den Köpfen anderer: einer bestimmten Zielgruppe zum Beispiel oder der Kundschaft eines Unternehmens.
Image ist nichts anderes als ein Vorurteil. Ein kollektives positives Vorurteil. Haben viele das gleiche positive Vorurteil von einer Sache, dann spricht man von „Marke“. „Man hat sich einen guten Namen gemacht“, sagt der Volksmund dann. Somit kann alles Marke sein, was das sich einen guten Namen gemacht hat: die Bäckerei am Hauptplatz, die Immobilie, in der sie sich befindet, der Hauptplatz selbst, das Stadtviertel oder das ganze Land. Und natürlich nicht nur der lokale Bäcker, sondern auch national und global agierende Konzerne. Das positive Vorurteil von Volvo ist Sicherheit, in Nordschweden genauso wie in Südafrika – auch für Leute, die noch nie in einem Volvo gefahren sind. Das kollektive positive Vorurteil von Apple ist tolle Usability und schlichtes Design. Und jenes von Paris ist „die Stadt der Liebe“. Nach diesem Verständnis ist es auch völlig legitim, dass Unternehmen nach Markentechnik-Kriterien gemanagt werden (wollen).
Markenmanagement ist Ursachenmanagement
Ein Markenimage hat immer konkrete Ursachen. Und diese Ursachen sind managebare, konkrete und sich wiederholende Leistungen des Unternehmens. Die Wirkung Fahrfreude in den Köpfen der BMW-Kundschaft ist die Auswirkung u. a. einer wichtigen Unternehmensleistung: des Hinterradantriebs in allen Modellen. Die Ursache für das Image „Frische“ von Tupperware ist das geräuschvolle „Pfft“ beim Verschließen, eine sehr bewusst produzierte Produkteigenschaft. Dass Schweizer Uhren für „Tradition“ stehen, hat viele Ursachen. Dass ausschließlich mechanische Uhrenwerke zum Einsatz kommen, ist wohl die wichtigste. Eine batteriebetriebene Uhr von Blancpain wäre für die meisten Uhrenliebhaber unvorstellbar.
Was ist das konkrete Image von Immobilienunternehmen? Und welches sind die konkret managebaren Ursachen für die Unterscheidung von anderen Unternehmen?
Markenmanagement erfindet nichts, Markenmanagement findet
Die Aufgabe von Markenverantwortlichen ist es, solche Ursache/Wirkung-Zusammenhänge in Markensystemen zu verstehen und sicherzustellen. Markenverantwortliche können die jahrzehntelangen Beliebigkeiten nur schwer kurzfristig ändern. Ein Image zu drehen braucht seine Zeit. Was Markenverantwortliche aber durchaus können, ist, das Image eines Unternehmens über gute Marktanalysen zu eruieren und die konkreten (und managebaren) Ursachen dafür zu erkennen, dass es so ist. Jene Gegebenheiten, die entsprechend positive Resonanz im Publikum erzeugen und aus Publikum Kundschaft machen. Markenverantwortliche können sie in der Kommunikation, in der Werbung, im Marketing in den Vordergrund stellen und von den weniger wichtigen und beliebigen Gegebenheiten trennen. Dann ordnet sich das Unternehmen nicht mehr bloß in eine Kategorie ein, sondern entwickelt eine eigene erfolgreiche Markengestalt, die sich direkt auf den Unternehmenserfolg auswirkt.
Markenmanagement findet, Werbeagenturen erfinden
Ein solchen Vorgehen ist allerdings rar, lieber diskutiert man über ein neues Logo oder profiliert sich mit einem neuen lustigen Werbefilmchen. Denn eine Marke erfolgreich aufzubauen ist kein „Quick Win“. Nur wenn ein Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum gute Arbeit vollbringt, etwa durch gute Produkte oder Dienstleistungen, die es anbietet, entsteht in der Kundschaft ein „positive Vorurteil“ gegenüber diesen Produkten bzw. gegenüber dem Unternehmen. Dann ist man bereit, einen höheren Preis für solche Produkte zu bezahlen, in einem solchen Unternehmen möchte man gerne arbeiten (Stichwort Arbeitgebermarke), man wird zum wiederkehrenden Kunden und empfiehlt dieses Unternehmen weiter. Heißt im Umkehrschluss: Einfach nur seine Werbeagentur anrufen und einen feschen Werbeauftritt bestellen bringt relativ wenig. Ein schicker Anstrich erzeugt beim Kunden im schlimmsten Fall Enttäuschung, wenn die reale Produkterfahrung mit dem tollen Werbeversprechen nicht mithalten kann. Im besten Fall unterhält die Werbung und verpufft danach in der Sekunde. Deshalb sind die üblichen Werbeagenturen hier meistens auch die falschen Ansprechpartner, da die Unternehmen für ihren Markenaufbau entsprechende Wege gehen müssen, lange bevor Werbung zum Einsatz kommt. Häufig versuchen Agenturen dieses Manko zu umgehen, indem sie ihre Kunden vorab zu Workshops überreden, zu sogenannten Markenworkshops. Man bildet dann einen Sesselkreis und schreibt auf kleinen Karten Antworten auf die Frage „Wie sehen wir uns?“ oder „Wie wollen wir sein?“, die man dann auf einer Pinnwand anbringt. Danach wird wild diskutiert, geclustert und eine Art Zielbild entwickelt, das als Vorlage für die darauffolgende Werbung dienen soll. Diese gemeinsame Zeit sollte aber eher unter Teambuilding verbucht werden, denn mit strategischer Markenführung hat dies nichts zu tun.
Strategisch geführte Marken und die „positiven Vorurteile“, die sie in der Kundschaft hervorrufen, haben einen besonderen Vorteil: Sie sind äußerst stabil. Sogar bei Missmanagement. Es braucht viele Jahre, um eine gut geführte Marke zu zerstören.