Die Baubranche steht vor erheblichen Herausforderungen: Hohe Baukosten und komplexe Regulierungen erschweren viele Projekte. Parallel dazu gewinnen Fragen der Effizienz und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass es alternative Bauansätze gibt, die diese Probleme anders angehen. In den USA dominiert beispielsweise die Holzbauweise im Bereich der Mehrfamilienhäuser – eine Methode, die in Deutschland bisher selten zur Anwendung gekommen ist.
Holzbau als Standard aufgrund geringerer Vorschriften
Im Bereich des Mehrfamilienhausbaus ist die Holzbauweise in den USA der absolute Standard, während Massivbau nur in Ausnahmefällen wie bei Krankenhäusern, Bürogebäuden oder Hochhäusern zur Anwendung kommt. In Deutschland hingegen wird der Holzbau oft als teurer eingestuft, was vor allem auf die zusätzlichen Auflagen und Anforderungen im Zusammenhang mit dem Holzbau zurückzuführen ist. Interessanterweise unterscheiden sich die Rohstoffpreise für Holz in den beiden Ländern kaum, doch die höheren baulichen Standards in Deutschland treiben die Kosten drastisch in die Höhe.
Zudem existieren in den USA erheblich weniger Normen, Vorschriften und Richtlinien, die den Bauprozess beeinflussen. Während in Deutschland eine Vielzahl von Bestimmungen die Planung und Umsetzung von Bauvorhaben erschwert, gestaltet sich der Baurechtschaffungsprozess in den USA wesentlich schlanker und ist zudem stark regional ausgerichtet. Diese dezentrale Struktur ermöglicht es privaten und gewerblichen Bauträgern, ihre Bauvorhaben mit deutlich mehr Flexibilität zu planen und durchzuführen.
Niedrigere Baukosten und höhere Renditen aufgrund lokaler Entscheidungsstrukturen
Obwohl es in den USA keine staatlichen Förderprogramme gibt, sind die Baukosten für Mehrfamilienhäuser, bezogen auf die Gesamtkosten ohne Grundstück, etwa halb so hoch wie in Deutschland. Dazu zählen nicht nur die eigentlichen Baukosten, sondern auch die Baunebenkosten, die im Rahmen einer Vollkostenrechnung einbezogen werden. „In den USA bestimmen Angebot und Nachfrage die Preise“, erklärt Sabine Schmidt, Chief Financial Officer der Rolling Oaks Group of Companies in Rogersville, Missouri. Diese deutlich geringeren Baukosten ermöglichen wesentlich höhere Renditen im Vergleich zur deutschen Immobilienbranche, wo die Kostenstrukturen weitaus komplexer und die Margen dementsprechend geringer sind.
Ermöglicht werden die signifikant niedrigeren Baukosten in erster Linie durch regionale Bauvorschriften. Genehmigungen und Abnahmen werden durch die Kommunen und ihre lokalen Behörden durchgeführt. So bietet eine dezentralisierte Struktur den Gemeinden und städtischen Verwaltungen mehr Spielraum in Bezug auf die Art und Weise, wie Bauprojekte genehmigt und umgesetzt werden. Dadurch entsteht eine größere Flexibilität, die in Deutschland aufgrund der strengeren, national einheitlichen Vorschriften so nicht vorhanden ist.
Wenig Schallschutz, einfache Sicherheitstechnik und luxuriöse Ausstattung
Ein Bereich, in dem die Bauqualität in den USA auffallend hinter deutschen Standards zurückbleibt, ist der Schallschutz. Sowohl Bauherren als auch Käufer bemängeln immer wieder, dass der Schallschutz in den meisten Mehrfamilienhäusern unzureichend ist. Bauträger rechtfertigen dies oft mit den höheren Kosten, die ein verbesserter Schallschutz mit sich bringen würde, was wiederum die Attraktivität der Gebäude für potenzielle Käufer verringern könnte. Erstaunlich aus deutscher Sicht sind allerdings die großzügigen Gemeinschaftsflächen: „Swimmingpools, Fitnesscenter und sogar Golf-Simulatoren gehören mittlerweile zur Grundausstattung und werden von den Käufern vorausgesetzt“, sagt der Immobilienmakler Derek Smith.
Auch im Bereich der Sicherheitstechnik gibt es deutliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland. In den USA werden die Sprinkleranlagen direkt an die örtliche Wasserversorgung angeschlossen, und der benötigte Wasserdruck wird vom Versorger zur Verfügung gestellt. Zusätzliche Komponenten wie Sprinklertanks oder Notstromaggregate, die in Deutschland Standard sind, entfallen. Dadurch werden nicht nur die Baukosten, sondern auch Betriebskosten und Wartung erheblich reduziert.
Regionale Unterschiede bei Nachhaltigkeitskriterien
Die regionalen Anforderungen an Bauprojekte in den USA variieren stark. In einigen Bundesstaaten, wie etwa Kalifornien, gibt es strengere Nachhaltigkeitsvorgaben, doch in vielen anderen Staaten bleibt der Einsatz von Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz eher die Ausnahme. „So führen die niedrigen Energiekosten dazu, dass sich viele Technologien, wie Photovoltaikanlagen, finanziell nicht rentieren, da sie eine Amortisationszeit von 70 Jahren aufweisen“, erklärt Adam Pyle, Eigentümer von BP Builders.
Stromheizungen sind somit nach wie vor weitverbreitet und Technologien wie Pelletheizungen oder Wärmepumpen eher eine kostspielige Randerscheinung. Der Einsatz alternativer Heiztechniken wird durch die Marktpreise bestimmt, sodass diese Technologien oft mit höheren Anschaffungskosten verbunden sind und nur selten nachgefragt werden.
Bauqualität und Lebensstandard
Zwar ist die Bauqualität in den USA niedriger als in Deutschland, insbesondere in Bezug auf die Langlebigkeit und Robustheit der Materialien. Dennoch wird in diesen Gebäuden gewohnt, gearbeitet und gelebt, ohne dass dies zwangsläufig zu einer Einschränkung der Lebensqualität führt. „Sicher ist der Schallschutz ein offensichtlicher Schwachpunkt bei uns in den USA“, konstatiert Harold Crawford, Superintendent bei The Crescent, BP Builders. „Dafür bieten viele Mehrfamilienhäuser allerdings luxuriöse Ausstattungen, die weit über den Standard in Deutschland hinausgehen“, fügt der Geschäftsführer hinzu. Dies zeigt, dass die Qualität der Bauweise nicht immer mit der Lebensqualität gleichzusetzen ist.
Bezüglich der Nebenkosten existieren in den USA häufig Pauschalregelungen für Mietwohnungen, die unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch gelten. Diese Praxis führt dazu, dass insbesondere in kalten Regionen wie Colorado Heizungen durchgängig laufen, ohne dass dies für Mieter zusätzliche Kosten verursacht.
Fazit: Überlegungen zur deutschen Bauweise
Die Baubranche in Deutschland steht derzeit vor einer massiven Krise, die viele Experten dazu veranlasst, das bestehende System zu hinterfragen. Im Vergleich zu den USA gibt es in Deutschland deutlich strengere Vorgaben und höhere Baukosten, die die Margen in der Immobilienwirtschaft stark belasten. Auch im europäischen Ausland sind die Renditen im Wohnungsbau oftmals höher als in Deutschland. Angesichts der aktuellen Herausforderungen sollte daher überdacht werden, ob alle bestehenden Vorgaben und Standards in Deutschland wirklich notwendig sind oder ob eine lockerere Handhabung, wie sie in den USA praktiziert wird, zu einer Verbesserung der Situation beitragen könnte.